Deutsche Elf
Generation Laptop
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| Freitag, 18. Juni 2004Interview mit Jens Nowotny: Es gehört dazu, dass man sich im Training auch mal was auf die Hölzer gibt (FR) – Analytiker Michael Skibbe gerät über die aufstrebenden Teenager und Twens ins Schwärmen (FAZ)
Generation Laptop
Michael Horeni (FAZ 18.6.) traut den DFB-Youngstars einiges zu: „Vor gut zwei Jahren, als junge Spieler noch wie eine vom Aussterben bedrohte Spezies im deutschen Fußball gehandelt wurden, machten die seltenen Exemplare, die bei der Weltmeisterschaft auftauchten, große Schlagzeilen. Sebastian Kehl und Christoph Metzelder – zwei intelligente Spieler, die sich auch für das Weltgeschehen interessierten und mit dem Computer Verbindung zur Außenwelt hielten – wurden sogleich einer neuen Fußballgeneration zugeordnet: der Generation Laptop. Damit ging die Einschätzung einher, es handele sich um Spieler, die ihre Karriere kühl und zielstrebig planen, rational handeln und sich in der Welt auskennen. In Portugal begegnet einem die neue deutsche Jugendlichkeit mittlerweile sogar am Strand, und auch von den kühlen und künstlichen Begriffen des Internetzeitalters ist nichts mehr zu hören. Denn gut geschulter Nachwuchs gehört im Methusalem-Land, das sich vor dem demographischen Faktor fürchtet, zumindest im deutschen Fußball schon wieder zur Normalität. „Philip Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski sind erfrischend anders“, sagt Trainer Michael Skibbe über die drei jüngsten Spieler im deutschen Team, die vor dieser Saison nur Experten des Jugendfußballs kannten – und meint damit nur sportliche Fähigkeiten. „Sie zeigen Eigenschaften, die man nicht immer mit dem deutschen Fußball verbindet.“ Analytiker Skibbe gerät über die aufstrebenden Teenager und Twens – zu denen im Kader auch noch der gegen die Niederländer starke Stürmer Kevin Kuranyi und Andreas Hinkel aus Stuttgart sowie der Berliner Arne Friedrich zählen – aber auch generell geradezu ins Schwärmen. „Sie alle sind extrem lernfähig und lernwillig“, sagt Skibbe über die Jungprofis, „deren fußballerische Ausbildung sich deutlich verbessert hat“. Die Vorzeigeexemplare dieser Entwicklung eint, so Skibbe, zudem eine gemeinsame Berufsauffassung: „Ihre wichtigsten Eigenschaften sind eine Kombination aus überdurchschnittlichem Talent und gesunder Selbsteinschätzung.“ Skibbe ist überzeugt, daß im deutschen Team „ein intaktes Gefüge zwischen Leitwölfen und jungen, hungrigen Spielern besteht“. Hungrig seien die Jungs des EM-Jahrgangs ´04 zwar wie alle vorige, aber was sie besonders auszeichne, sei ihre unglaubliche schnelle Entwicklung. „Sie sind früher konkurrenzfähig“, sagt Skibbe.“
Es gehört dazu, dass man im Training auch mal was auf die Hölzer gibt
FR-Interview mit Jens Nowotny (18.6.):
„FR: Vor dem Spiel hat die halbe Nation auf Sie und Christian Wörns geschaut. Haben Sie das gespürt?
JN: Ich habe Zeitung gelesen und mir ist aufgefallen, dass in neun von zehn Berichten die Bedeutung der Abwehr beschrieben wurde. Der Tenor war rundweg ziemlich negativ. Aber ich weiß damit umzugehen.
FR: Das hat man im Spiel gesehen. Reden Sie da vorher lange mit Wörns?
JN: Eher mal drei Minuten beim Auslaufen oder situationsbedingt im Training. Nicht 20 Minuten beim Kaffee. Man kann Probleme auch totreden.
FR: Wir Medienvertreter sollen etwaige Probleme ja ohnehin nicht erfahren. Muss denn das mit dem ständigen Geheimtraining wirklich sein?
JN: Finde ich schon. Nicht so sehr wegen der Taktik. Aber für den Kopf ist es gut. Es ist auch besser, dass wir nicht mit den Journalisten gemeinsam im Hotel wohnen. Man trinkt ganz gern auch mal einen Kaffee, ohne beobachtet zu werden. Wir sind gegen Holland von 50 000 im Stadion und 26 Millionen vorm Fernseher beobachtet worden. Heute morgen beim Auslaufen waren hundert Journalisten da. Man braucht auch mal Ruhephasen während der Arbeit. Und euch ist das sicher auch ganz recht, dass ihr nicht jeden Tag auf dem Platz stehen müsst, sondern frei habt, wenn wir Geheimtraining machen.
FR: Aber an drei aufeinander folgenden Tagen, das ist schon hart für uns.
JN: Wissen Sie: Es gehört dazu, dass man im Training auch mal was auf die Hölzer gibt. So was sollte dann besser intern bleiben. Sonst heißt es schnell: Lagerkoller, die können sich nicht riechen.
FR: Wie es bei der Europameisterschaft 2000 war. Da waren Sie ja auch dabei. Was ist jetzt anders?
JN: Es wird innerhalb der Mannschaft keine Personalie diskutiert. Von außen, das ist ja völlig normal. Aber innerhalb der Mannschaft herrscht absolute Ruhe. 2000 hatte ich den Eindruck, dass die Diskussionen von innen nach außen getragen wurden. Das war der völlig verkehrte Weg.“