indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Vermischtes

Fußball-Europa ist zusammengewachsen

Oliver Fritsch | Samstag, 19. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Fußball-Europa ist zusammengewachsen

„Fußball-Europa ist zusammengewachsen“ (FAS) – Anders Frisk, Hauptdarsteller u.v.m.

Fußball-Europa ist zusammengewachsen

Peter Heß (FAS 20.6.) fasst das Geschehen auf dem Platz zusammen: “Fußball-Europa ist zusammengewachsen, die traditionelle Einteilung zwischen groß und klein, oben und unten taugt nicht mehr. Selbst Rußland und Bulgarien, die bereits ihre Hoffnungen auf das Viertelfinale begraben mußten, hatten ihre großen Momente in der Vorrunde. Die Russen machten in Unterzahl den Portugiesen das Leben schwer, der englische Trainer Eriksson billigte den Schweizern zu, in der ersten Halbzeit des Aufeinandertreffens die bessere Mannschaft gewesen zu sein, und die Bulgaren hätten gegen Schweden leicht 2:0 in Führung gehen können, bevor sie 0:5 untergingen. Die große Ausgeglichenheit ist die logische Entwicklung des Bosman-Urteils. Der Fall der Ausländerbeschränkungen war der Fall der Binnenmärkte. Letten spielen in England, Griechen in Spanien, Bulgaren in der Bundesliga und geben ihre Erfahrungen an ihre Landsleute weiter. Es existiert mittlerweile ein hoher europäischer Standard in den Fußball-Fächern Trainingslehre, Spieltaktik und professionelle Einstellung. Keiner, der gut genug ist, sich für eine EM-Endrunde zu qualifizieren, wird sich mehr blamieren, wenn es um den Titel geht. Es sei denn, die Psyche spielt ihm einen Streich. Natürlich gibt es auch Unterschiede. Die Leistungsbreite in Italien und in England ist und bleibt breiter als in der Schweiz. Sie trifft der Ausfall eines Stürmers weniger hart als die Eidgenossen die Verletzung Strellers, der durch den 35jährigen Altherrenfußballstar Stephane Chapuisat ersetzt werden muß. Manche Nationalmannschaften erreichen durch einen herausragenden Einzelkönner oder gar durch eine sogenannte „goldene Generation“ eine Extraqualität. Aber dieses Plus – und das hat die Vorrunde in Portugal ganz deutlich gemacht – kann von den Gegnern kompensiert werden. Mannschaftsleistung schlägt individuelle Klasse lautet das Fazit nach gut einer Woche Europameisterschaft. (…) Zählt denn das Können eines Zidane, eines Beckham, eines Totti gar nichts mehr? Doch, aber ihr Wirkungsgrad, ihre Bedeutung für Erfolg und Mißerfolg steht in keinem Verhältnis zum Hype, der um sie veranstaltet wird. Es wird Spiele geben, in denen ihr akrobatisches Geschick in einer Szene den Ausgang entscheidet. Es wird aber viel mehr Spiele geben, in denen sie zum Staunen keine Treffer auslösen.“

Christian Eichler (FAS 20.6.) stöhnt: „Hallo, Franz Beckenbauer, erzählen Sie uns mal was Neues! Klar, als TV-Experte hat man’s nicht leicht, man kann ja fast nur von früher erzählen. Und daß mit den Jahren das Namensgedächtnis nachläßt, kennen wir, da sagt man schon mal „der lange Schwarze da vorne“. Cooler Tip übrigens, auf Zidane einen „Sonderbewacher“ abzustellen – so wie damals den Berti auf den Cruyff – nur macht so was in diesem Jahrhundert keiner mehr. Am knackigsten klang Ihre Kritik daran, Beckham den Elfer gegen Barthez schießen zu lassen – wo der Torwart doch drei Jahre im selben Klub spielte und deshalb wisse, „wie der Beckham schießt“. Zu blöd, aber Beckham hat in Manchester überhaupt keine Elfmeter geschossen. Genausowenig wie Sie bei den Bayern, was verständlich ist, nachdem Sie drei von sechs verhauen hatten. Dabei ist das für einen Experten keine schlechte Trefferquote.“

Es war die Geste, mit der John Travolta eine Pistole bedient

Georg Diez (FAS/Feuilleton 20.6.) interpretiert Anders Frisk: „Es gab verschiedene Höhepunkte, es gab Zlatans Zaubertor zum Beispiel, es gab Tottis Fall oder das Grinsen von Rooney. Und es gab natürlich Anders Frisk, den blonden Schiedsrichter, dem als einzigem das gelingt, wovon Feuilletonisten in ihrem Bierrausch träumen. Anders Frisk schafft die Momente, in denen Kunst und Sport sich treffen. Und zwar hat das nichts damit zu tun, daß er aussieht wie der junge Helmut Griem, der in Viscontis „Die Verdammten“ eine ganz andere Art von Spiel regelt, eines von Macht und Betrug und Verrat, eines, bei dem die eine Seite braune Trikots trägt und die andere Seite dann tot ist. Nein, Anders Frisk, diese merkwürdige blonde Erscheinung, hat einen Moment der Magie geschaffen, als er seine Gelbe Karte zückte. Er hielt sie an einem Eck, und er hielt sie schief; es war die Geste, mit der Michel Houellebecq eine Zigarette zwischen den Ringfinger und den Mittelfinger klemmt; es war die Geste, mit der John Travolta eine Pistole bedient.“

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

112 queries. 0,516 seconds.