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Der frechste Spieler des Turniers

Oliver Fritsch | Sonntag, 20. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Der frechste Spieler des Turniers

Italiens Medien treten Giovanni Trapattoni kräftig vors Schienbein – Zlatan Ibrahimovic, „der frechste Spieler des Turniers“ (WamS)

Peter Heß (FAS 20.6.) referiert staunend die Kritik an Giovanni Trapattoni: “Rudi Völler kann sich beglückwünschen, Nationaltrainer der deutschen Nationalelf zu sein und nicht der italienischen. Der Teamchef erträgt nur schwer die öffentliche Kritik in der Heimat nach Mißerfolgen. Aber im Vergleich zu den Anfeindungen, die sein Kollege Giovanni Trapattoni nach dem 1:1 gegen Schweden zu ertragen hat, waren alle bisherigen Kommentare noch Schmeicheleinheiten. Italien kocht und haut seinen Trainer in die Pfanne. „Trapattoni verurteilt Italien zum Tode“, titelte die Sportzeitung „Tuttosport“. „Trapattoni ruiniert alles“, schrieb der „Corriere dello Sport“. „Durch Trapattoni begann die Katastrophe“, befand die ,Gazzetta dello Sport“. Beim Lesen könnte man glauben, der frühere Coach des FC Bayern wäre an diesem Freitagabend von allen guten Geistern verlassen gewesen, hätte den Torwart ausgewechselt und an dessen Stelle einen Mittelstürmer zwischen die Pfosten gestellt. Das einzige Vergehen, dessen Trapattoni sich schuldig machte, war aber, den 21 Jahre alten Torschützen Antonio Cassano nach 70 Minuten auszuwechseln. „Antonio war müde, über seine Seite kamen die Schweden einige Male zu gefährlichen Angriffen.“ Trapattonis Begründung klang logisch und war durch das Geschehen auf dem Spielfeld belegbar. Aber die italienischen Zeitungen werteten seine Herausnahme gegen Fiore nur als Beweis für Trapattonis übersteigertes Sicherheitsdenken. Jahrzehntelang war der „Mister“, wie sie ihn in Italien nennen, verehrt worden. Trapattoni hat als Spieler und als Vereinstrainer alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Aber nach dem Scheitern gegen Südkorea bei der WM 2002 und einigen Schwierigkeiten bei der Qualifikation für die EM in Portugal sind die Toleranz und der Respekt erschöpft. Italien stößt ein Denkmal vom Sockel. (…) Trapattoni erlebt im Alter von 65 Jahren einige seiner schwersten Stunden der Karriere. Weitgehend zu Unrecht. Denn nicht er beendete den Fußballzauber seiner Mannschaft durch eine Auswechslung, sondern seine Spieler folgten dem natürlichen Impuls, einen Vorsprung bis zum Ende zu sichern. Das tun alle Mannschaften dieser Fußballwelt, ganz besonders italienische. Hätte Trapattoni den müden Cassano weitermachen lassen oder weitere Stürmer ins Spiel gebracht und der Ausgleich wäre gefallen, alle hätten ihn für verrückt erklärt.“

Ein Anti-Held

Martin Henkel (WamS 20.6.) porträtiert Zlatan Ibrahimovic: „Es dauerte 85 Minuten, bis Zlatan Ibrahimovic den weltersten Flughackentrick erfunden hatte. 1:0 führte Italien im Spiel gegen Schweden, als der hoch aufgeschossene Stürmer eine Verwirrung im Strafraum nutzte und den Ball im Flug mit der Hacke elegant ins rechte obere Eck beförderte. Ausgleich, Schweden Gruppenerster – und Ibrahimovic dort, wo er hin wollte: in den Historienbüchern des Weltfußballs. Der Stürmer von Ajax Amsterdam verkörpert jenen Archetypus eines Fußballers, der seit dem Abschied von Spielern wie Steffan Effenberg oder Mario Basler als ausgestorben galt: Bis zum Hals „Weltklasse, darüber Kreisliga“. Typen, die nicht auf das achten, was sie sagen, sondern den Fuß sprechen lassen. Zlatan Ibrahimovic ist so einer, der Geniales in sich hat. Das Kind jugoslawischer Einwanderer aus dem heruntergekommenen Vorort von Malmö Rosengard, ist das Enfant terrible des schwedischen Fußballs. Sein Vater ist Hausmeister, seine Mutter Putzfrau, 84 Prozent der Menschen in diesem Vorort sind Einwanderer, die Chancen, das Getto hinter sich zu lassen, stehen normalerweise bei eins zu hundert. „Während meiner 33 Jahre in der Schule“, erinnerte sich seine frühere Schuldirektorin Agneta Cederman, „war er einer der fünf unruhigsten Schüler, die ich je hatte. Er war der Prototyp eines Jungen, mit dem es böse endet.“ Hat es aber nicht. (…) In einem Spiel der 12-Jährigen des Vorstadtklubs Balkan gegen Vellingen schmorte Ibrahimovic einen Halbzeit lang, weil „er nicht artig“ gewesen sei, auf der Bank. Zur Pause lag seine Klub 0:4 hinten, Ibrahimovic brannte auf einen Einsatz. Als er in der zweiten Halbzeit endlich eingewechselt wurde, brach sein Frust alle Dämme: Acht Mal drosch er den Ball ins gegnerische Tor, Balkan gewann 8:5. Solche Geschichten erzählen sie gern in Schweden. Schon jetzt ist Ibrahimovic, der mit 20 als teuerster Schwedenexport aller Zeiten für neun Millionen Euro von Malmö FF in die niederländische Metropole wechselte, der Liebling des Boulevard. Mit großem Genuss drucken die Postillen jede seiner Eskapaden. Wie etwa die, als er im Malmöer Rotlichtviertel einen Polizisten mimte und einen angeblichen Zuhälter verhaftete. Es hat sich dann später herausgestellt, dass der mit hehren Absichten in dem Stadtteil unterwegs war. Er habe den Prostituierten helfen wollen, Ibrahimovic musste sich öffentlich entschuldigen. Geschadet hat das seinem Ruf nicht. Ibrahimovic ist ein Anti-Held, einer von denen, die zum Vorbild eigentlich nicht taugen, aber immer noch die Sehnsucht nach der Rückkehr eines unbeugsamen Straßenkickers beflügeln. So beschrieb er nach einem Spiel mit Ajax Amsterdam gegen den FC Liverpool sein Duell mit dem Abwehrchef der „Reds“, Sami Hyypiä: „Erst ging ich nach links, dann nach rechts. Da ging er mit. Dann ging ich noch mal nach rechts und Hyypiä zum Würstchenstand.“ “

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