Deutsche Elf
„Comical Ali“ Michael Skibbe
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| Dienstag, 22. Juni 2004Michael Skibbe, Rhetoriker und „Comical Ali“ (SZ) / FAZ-Interview mit Skibbe
Comical Ali
Philipp Selldorf (SZ 22.6.) zersticht Michael Skibbes Wort-Ballons: „Wenn die Spieler der deutschen Nationalmannschaft so präzise und so raumgreifend kombinieren könnten, wie ihr Trainer Michael Skibbe seine komplexen Satzgebilde fehlerfrei zu einem schlüssigen Ende führt, dann müsste der Fußballnation vor keiner Weltauswahl bange sein. Aber es handelt sich ja um eine Fußball- und nicht um eine Rhetorik-EM, und deswegen wird derzeit überprüft, welchen Einfluss Skibbe auf das Handeln der Nationalmannschaft hat. Kürzlich wurde er von einem englischen Journalisten als „Mr. Skip“ angesprochen, was zwar ein Missverständnis war, aber eine interessante Überlegung eröffnete. Ist Skibbe der Mr. Spock von Rudi Völler respektive Captain Kirk? Der Logiker und didaktisch versierte erste Offizier an Bord? Skibbe hätte gegen diese Auslegung seiner Bedeutung sicherlich nichts einzuwenden, allerdings sah sich der zweite Mann im Trainerstab des DFB gestern eher gegenteilig in den Mittelpunkt gerückt, nachdem er von Bild zum Sündenbock des torlosen Lettlandspiels erhoben und als Völlers „Fehlerflüsterer“ angeklagt wurde. Darauf angesprochen, ging Skibbe mit einem Lächeln über den Vorwurf hinweg, als ob er es als Ehre betrachtete, von der mächtigen Boulevardzeitung in großem Stil gewürdigt zu werden, und sei es als Verantwortlicher taktischer Fehlentscheidungen (…) Es ist unwahrscheinlich, dass sich Rudi Völler den Überlegungen oder gar dem Willen seines Assistenten unterwirft. „Wir arbeiten seit vier Jahren. Alles was wir machen, ist gemeinsame Beschlusssache“, sagt Skibbe zwar. Das ändert aber nichts daran, dass es eine klare Hierarchie in der Trainerriege gibt, in der Völler der Chef und Skibbe der Vorarbeiter ist. In dieser Eigenschaft bringt er, wie erwähnt, seine Talente als Regierungssprecher zur Geltung, wobei er manchmal dermaßen überzieht, dass man glaubt, er versuche in die Rolle des irakischen Informationsministers Comical Ali zu schlüpfen.“
Unsere Mannschaft ist intakt
FAZ-Interview (22.6., Michael Horeni) mit Michael Skibbe
FAZ: Worin könnte denn der Schlüssel zum deutschen Sieg liegen? Spielt die Mannschaft von der Grundformation her am besten so wie beim 1:1 gegen Holland?
MS: Wir sind gegen Holland mit einer Spitze sehr gut zurechtgekommen und haben wenige Tormöglichkeiten zugelassen. Das wird ein Spiel der unterschiedlichen Systeme. Die Tschechen verfügen über außergewöhnliche spielerische Qualitäten, wir haben unsere Stärken im Deckungsbereich. Ich bin optimistisch aufgrund der objektiven Werte, die ich von den Spielern habe.
FAZ: Ihren Optimismus in allen Ehren. Manche halten ihn für etwas zu demonstrativ und fragen sich, was dahintersteckt. Taktik, um gute Stimmung im Team zu machen; tatsächlich innere Überzeugung oder Auftragsarbeit vom Chef, der Sie Dinge sagen läßt, die er selbst in der Öffentlichkeit so nicht äußern will?
MS: Wenn ich zur Pressekonferenz gehe, dann tauschen wir uns natürlich über wesentliche Dinge aus, die ich sagen kann und soll. Aber diese Themen sind im Verlauf einer Pressekonferenz schnell abgearbeitet, und es kommt zu anderen Fragen – und da gibt es überhaupt keine Absprachen. Diese klare Stellung zur Mannschaft vertrete ich aus Überzeugung. Wenn ich nicht das Gefühl hätte, daß wir etwas erreichen können, würde ich mich viel vorsichtiger äußern. Aber unsere Mannschaft ist intakt, und wenn wir dazu noch hervorragende Einzelspieler wie Oliver Kahn, Christian Wörns, Didi Hamann oder Michael Ballack haben, dann kann man das so äußern.
FAZ: Trotzdem: Die Diskrepanz zwischen Ihrem Optimismus und Rudi Völlers Zurückhaltung ist wie schon vor zwei Jahren bei der WM auffällig. Ist das nur eine Frage des Temperaments – oder doch Aufgabenteilung?
MS: Wie gesagt, es gibt keine Absprachen.
FAZ: Für das Publikum sind Sie bei der EM nicht zuletzt durch die Pressekonferenzen wieder wesentlich präsenter. Aber Rudi Völler wurde in den letzten Jahren als Teamchef in der öffentlichen Wahrnehmung immer dominanter – dabei sind Sie vor vier Jahren als gleichberechtigtes Team angetreten.
MS: Es stimmt, daß sich in der Wahrnehmung vieles auf Rudi fokussiert. Das ist auch richtig so, denn dafür ist er auch der Verantwortliche. Ich glaube aber, daß die Situation vor vier Jahren nicht anders war. Rudi hat sehr wohl einen starken Trainer an seiner Seite gesucht. Er wollte jemand haben, der nicht zu allem nickt, sondern ihn offen berät und verantwortungsbewußt begleitet. Rudi ist als Teamchef der Verantwortliche der Nationalmannschaft. Wir alle, ich eingeschlossen, arbeiten ihm zu, so gut wir können. Zum Beispiel habe ich mit Erich Rutemöller einen exzellenten Kollegen an meiner Seite. Die Trainingspläne sind gemeinsam ausgearbeitet. Es ist ein Team rund um Rudi: die Trainer, Ärzte, die Physios und alle anderen Mitarbeiter, die unsere Mannschaft optimal vorbereiten wollen in dem Wissen, daß Rudi am Ende die Verantwortung trägt. Wir machen das alle gerne, weil er uns teilhaben läßt am Erfolg. Er stellt sich nicht in den Vordergrund, und er sagt, was er denkt, im Positiven wie im Negativen – und das macht ihn so sympathisch.
FAZ: Wie hat sich Ihre Beziehung in den letzten vier Jahren entwickelt, ist daraus eine Freundschaft entstanden?
MS: Es war eigentlich eine Freundschaft von Beginn an. Es hat sich kein größeres Vertrauensverhältnis entwickelt, als es nicht schon von Anfang an da war. Es war immer total offen, kollegial und freundschaftlich. Es mußte sich nichts entwickeln, und ich kann auch nicht sagen, daß es in den letzten vier Jahren stärker geworden ist. Mir war vom ersten Tag an wichtig, daß wir gemeinsam unsere Aufgabe wahrnehmen.