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Sie lassen keine Träume gelten

Oliver Fritsch | Samstag, 26. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Sie lassen keine Träume gelten

Die spanische Tageszeitung El País meint zum deutschen Spiel. „Ein mittelmäßiges Fußballspiel reichte den Deutschen, um die Koreaner zur Wirklichkeit zurückzuholen. Sie lassen keine Träume gelten. Ihr Charakter lässt keine Romantik zu. Sie kultivieren die Effizienzwerte mit so einer Intensität, die keine Ablenkungen und Schwächen zulässt.“ Bei dieser Weltmeisterschaft wird kein Spiel in die Annalen der Fußballgeschichte eingehen. Überall herrscht die Effektivität und nicht der Fußballgeist.“

Felix Reidhaar (NZZ 26.6.) „Die Deutschen erwiesen sich – wie allgemein erwartet – in diesem Stadium als der falsche Gegner für Hiddinks Auswahl. Nach den überzeugend angenommenen spielerischen Herausforderungen durch lateinisch geprägte Mannschaften standen den aus Verletzungsgründen maßgeblich veränderten Red Devils am Dienstagabend respekterheischende Spielerfiguren gegenüber. Unterschiede bestanden dabei vor allem, aber nicht nur, in körperlich-athletischen Belangen. Die Deutschen wiesen auch organisatorische Vorteile auf und standen in allen Mannschaftsteilen sehr kompakt (…) Das deutsche Team steigerte sich vergleichsweise – gewiss. Es beherrschte als stärkere Einheit Geschehen und Gegner – bestimmt. Und es spielte seine physischen Stärken gegen einen ermatteten Rivalen imponierend aus, kein Zweifel. Was deutsche Beobachter aus der Nähe auf Cheju früh zu beobachten glaubten, stellte sich als richtige Vermutung heraus. Die Nationalspieler wuchsen während des zweiwöchigen Zusammenzuges auf der subtropischen Basis in der Korean Strait zur Turniermannschaft alt bekannter Schlagkraft zusammen, der jeweils einiges zuzutrauen ist. Aber berauschen kann man sich an dieser Auswahl und ihrer Interpretation des Fußball-Handwerks wahrhaftig nicht. Da war keine Spielkunst zu sehen, kein herausragender Individualist, kaum Temperament und Vorstellungskraft, wenig Offensivwirkung und Tempofestigkeit, dafür viel Gleichförmigkeit, viel Krampf und mehrheitlich Durchschnittsqualität.“

Die Times (26.6.) kann ihre Ungläubigkeit nicht zurückhalten, dass Deutschland im Finale steht, obwohl es doch gegen England in der WM-Qualifikation noch verloren hatte: „Deutschland, das Team, das vor neun Monaten von England 5:1 geschlagen wurde, wird am Sonntag im Weltmeisterschaftsfinale stehen, nachdem sie klinisch sauber ihre Chance genutzt haben und gegen enttäuschende Südkoreaner im Halbfinale gewonnen haben. Für den dreimaligen Weltmeister wird es die siebte Finalteilnahme sein. Der Gedanke, dass Deutschland heute das Weltmeisterschaftsfinale erreicht ist genug, dass jeder Engländer sich einen weiteren inkompetenten Fifa-Offiziellen wünscht. Lieber die lächerliche Vorstellung, dass Südkorea einen Platz in Yokohama auf dem goldenen Teller präsentiert bekommt als ein faires Spiel, in dem Deutschland einen selbstgefälligen Sieg landet. München hätte die schönste Nacht des englischen Fußballs seit 1966 werden können, aber je weiter die Deutschen in diesem Turnier kommen, desto mehr kommt dieser Sieg für England als Spott zurück.“

Die englische Zeitung News of the screws (25.6.) veröffentlichte im Vorfeld des Spiels folgendes “Vater unser”

Komm lieber GottUnd lass Deutschland nicht über Korea siegen Wenn es nicht anders geht, lass Deutschland durch Strafen verlieren. Auf dass die Welt sieht, dass Du unser Gott bist und ein Team aus Glückspilzen erkennst,wenn Du eines siehst. Und durch Dich werden wir erfahren,dass, obwohl wir es nicht bis ins Finale geschafft haben,die verdammten Deutschen es auch nicht schaffen. Amen

Mark Schilling (NZZ 26.6.) über die Stärken der Deutschen. „Die negative Erwartungshaltung der Außenwelt war ein entscheidendes Element im Teamfindungs- Prozess: Wenn alle von außen auf einen einschlagen, einigt das im Innenleben einer Equipe die verschiedenen Charaktere. Und so durfte man in den letzten Tagen immer wieder vernehmen, dass die Stimmung, der Zusammenhalt unter den vor Wochen noch als kickendes Himmelfahrtskommando apostrophierten Deutschen nun „beängstigend gut“ sei; wenn schon nicht ihr Spiel, dann ist’s wenigstens der Mannschafts-Kitt. Ihren Part als Außenseiter, der auf „Schleichwegen“ die Favoriten stehen lässt, würden sie nun am liebsten auch in Yokohama fortsetzen. Diese einmalige Rolle eines Underdogs mit Erfahrungsfundus eines dreifachen Weltmeisters kann auch am Sonntag durchaus den Schlüssel zum Erfolg bedeuten. Spätestens nach einem Finalsieg würden auch in Deutschland die Stimmen ungehört verhallen, wonach diesem Fußball kein Qualitätssiegel verliehen werden könne.“

Mark Schilling (NZZ 26.6.) zur Gelbsperre Ballacks. “Man muss schon Leverkusener sein, um selbst nach einem der größten Erfolgserlebnisse der Karriere noch getröstet werden zu müssen. Für den Chemnitzer Ballack ist das Saisonende umso bitterer, als ihm trotz seiner unbestrittenen Qualitäten das Kainsmal des Verlierers anhaftet.”

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