Strafstoss
Strafstoß #12 – Unruhige Träume – Schlecht Schlafen während eines Fußballspiels
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| Sonntag, 27. Juni 2004von Mathias Mertens
Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber meine körperliche Leistungsfähigkeit ist durch das tägliche Fußballspielen erheblich belastet. Jeden Abend pünktlich zur Stelle sein und sich durch Bierseen und Chipsberge kämpfen, das hält doch der stärkste Passivsportler nicht durch. Nur so ist es zu erklären, dass ich während der Partie Schweden gegen Holland einschlummerte, denn die spielerische Qualität wird doch wohl bei diesen Offensivzauberern von allerhöchstem Niveau und mitreißendster Unterhaltsamkeit gewesen sein. Kann ich nur mutmaßen, denn, wie gesagt, ich schlief ob der portugiesischen Wochen.
Dabei widerfuhr mir allerdings ein beunruhigender Traum. Ich war in die Psychiatrie eingeliefert worden und musste mir mein Zimmer mit zwei Mitbewohnern teilen. Jaap saß am weißen Plastiktisch, zwirbelte an seiner Makramee-Blumenampel herum und pfiff ein leises „Something stupid“ aus seinem Bart hervor, insgeheim wohl hoffend, dass Phillip mit der zweiten Stimme einsetzen würde. Aber der saß nur stumm neben ihm, starrte mit weitaufgerissenen, ausdruckslosen Augen an die Wand und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Mit langen Zügen, die die Glut jedes Mal zentimeterweise in Richtung Filter beförderten und ein unheimliches Knistern erzeugten. Wenn Jaap gelegentlich einen Ton danebenhaute, dann zuckte Phillip zusammen und ließ die Kippe fallen, woraufhin er mit zitternden Fingern die nächste aus der Packung pulte und sofort da weitermachte, wo ihn sein Zimmergenosse unterbrochen hatte.
Ich befand mich im Bett am Fenster, der Tisch stand mitten in dem schmalen Raum, etwas näher zur Tür. Wenn ich aus dem Zimmer wollte, dann hätte ich zuerst an Phillip vorbeigemusst, was ihn unweigerlich aufgeschreckt und eine weitere verlorene Kippe bedeutet hätte. Nicht dass Phillip wirklich bedrohlich aussah, er war eher schmächtig und hatte hängende Schultern, aber in seinen Augen konnte man lesen, wie viel sich in ihm angestaut hatte, wie wenig es noch bedurfte, damit er explodieren würde, wie sinnlos die ganze Welt sei und wie unbedeutend meine Existenz. Auch wenn er mir nichts täte, seine Nervosität und Anspannung würde Jaap von seinem Makramee aufschrecken, den trägen Körper anschieben und zu einer Alles zermalmenden Masse machen – und „Alles“ bedeutete in diesem Fall ein Plastiktisch, ein Bett und ich, denn mehr gab es nicht im Raum, wenn man von Phillip und seinem Aschenbecher mal absieht. Aber selbst im allerunwahrscheinlichsten Fall, dass ich der Walze entkommen könnte, zur Tür rennte und sie beherzt aufrisse, um über die Schwelle zu stoßen – dann würde dort der freundliche große Herr mit dem schmalen Gesicht, den schmalen Augen und dem hellblauen Kittel stehen, mich abfangen und zurück in die Tiefe des Raums schicken. Zurück zu meinen beiden Zimmergenossen, beide nicht mehr gut auf mich zu sprechen wegen der indirekt von mir verursachten Zermalmung eines Plastiktischs, einer Makramee-Blumenampel und einer halben Stange Zigaretten.
So blieb ich also in meinem Bett liegen und schaute durch die Gitterstäbe dem schwedischen Gärtner Alexander zu, der stoisch die Hecke mit einer riesigen Schere bearbeitete und im Laufe der Zeit immer mehr zu schielen begann. Dann wachte ich auf und war mitten im Elfmeterschießen. Cocu schoss gerade an den Pfosten. Aus irgendeinem Grund war mir nicht wohl dabei.