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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Vermischtes

Europa ist rund

Oliver Fritsch | Montag, 28. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Europa ist rund

Dirk Schümer (FAS) macht ernst: Europas Wirklichkeit vollzieht sich in Portugal, „Europa ist rund“ – „Otto Zeus, geb. Rehhagel“ (SZ/Streiflicht) – Real Madrid ist der Verlierer der EM (NZZ) u.v.m.

Die Anrufung des runden Gottes ist die gemeinsame Basis

„Europa ist rund“; Dirk Schümer (FAS/Feuilleton 27.6.) hat genug von Brüssels Bürokratie und spürt statt dessen in Portugal den „Vollzug der europäischen Wirklichkeit“: „Jahrelang stritten sich Europas Politiker über eine Verfassung und nahmen nicht wahr, daß es bereits eine gibt: Die Statuten der Uefa. Denn erst mit dem sportlichen Präfix ergibt die mühselige Nachkriegsordnung des Alten Kontinents einen Sinn, wird sie tragfähig auch für die heranwachsenden Generationen, die von der Milchordnung und den Fischereiquoten nichts, aber von der Europameisterschafts-Qualifikation, vom Bosman-Urteil und der Champions League alles begriffen haben. Und darum war es historisch auch alles andere als zufällig, daß die späte Brüsseler Einigung auf eine Europäische Verfassung und die Europawahl mit dem eigentlichen Ereignis zusammenfielen, nämlich der grandiosen Europameisterschaft. Hätten sich bei den Europawahlen auch nur annähernd so viele Bürger beteiligt, wie jetzt Abend für Abend von den Azoren bis Anatolien vor den Fernsehgeräten sitzen – das Europaparlament würde alle nationalen Volksvertretungen grandios in den Schatten stellen. Es scheint merkwürdig, doch während der Politik es kaum gelingt, die nationalen Belange und Diskurse zu überschreiten, schafft dies der Fußball mühelos. Wer sonst nur die knorrige Bundesliga liebte, wird nach dem Genuß fabelhaft schöner Europadramen den provinziellen deutschen Markt fortan mit Verachtung links liegenlassen und seinen Horizont europäisch erweitern. Die Sonntagsreden der Politiker über den europäischen Wettbewerb, über das Ende des Chauvinismus werden erst beim Fußball verständlich. Beim Jonglieren mit dem Ball wird auch dem Dümmsten und Verstocktesten evident, daß sich auf diesem Kontinent wundervolle Traditionen und Kunstfertigkeiten herausgebildet haben, die kein nationaler Markt allein liefern könnte. (…) Die einstigen Machtinteressen stoßen symbolisch und gezähmt aufeinander, werden ausagiert im Miteinander. Dieser spielerische Nationalismus im postnationalen Zeitalter bedeutet zivilisatorischen Fortschritt. Früher wurde Deutschland erheblich schmerzhafter aus der Liga der europäischen Großmächte herauskatapultiert als diese Woche von Tschechien. (…) Ein Gottesbezug ließ sich in Europas Verfassung nicht durchsetzen. Die Anrufung des runden Gottes Fußball ist die gemeinsame Basis.“

Die Sehnsucht nach den gleichmäßigen Schmerzen einer Dauerwerbesendung

Harald Staun (FAS/Feuilleton 27.6.) stöhnt: „Wer von Folter-TV spricht, darf vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht schweigen, auch wenn die Opfer gar nicht im Fernsehen zu sehen sind: Es sind die Zuschauer. Weil sie nach 20 Uhr keine Werbung mehr machen dürfen, haben sich ARD und ZDF in ein Format verliebt, das mit wenig Aufwand riesige Qualen verursacht: das Gewinnspiel. Die Übel aus zwei Welten kommen hier zusammen, die Penetranz der Werbung und der Sadismus eines redaktionellen Anstrichs, und natürlich sieht das Ergebnis nicht aus wie ein Massenmörder, sondern wie ein Maskottchen. Paolo heißt die Kreatur, die sich das ZDF ausgedacht hat, damit T-Mobile ein paar Handyverträge mehr verkauft. Paolo hat alles, was ein Sympathieträger braucht: eine lustige Mütze, Dreitagebart, Tolpatschigkeit und einen portugiesischen Akzent, kurz: Er ist der perfekte Peiniger. Paolo fragt nach all den unwichtigen Dingen, die man als Fußballfan halt so weiß, wie hoch die Eckfahne ist oder wer in der Halbzeitpause auf den Ball aufpaßt. Seine Grausamkeit liegt im Timing: Wenn alle Werbeblöcke überstanden sind, Beckenbauer ruhiggestellt ist und man den Anpfiff schon zu hören glaubt, wenn man also als Fußballfan, als Opfer seiner Leidenschaft, bereits am Boden liegt: dann tritt das ZDF noch einmal drauf. Es ist ein kurzer Schlag, zu schnell, um ihm auszuweichen, zu schnell vorbei, um zurückzuschlagen. Was bleibt, ist die Paranoia, jederzeit wieder getroffen werden zu können, und die Sehnsucht nach den gleichmäßigen Schmerzen einer Dauerwerbesendung.“

Beim Zahn des Zeus!

Von wegen Deutschland sei ausgeschieden – Benjamin Henrichs (SZ/Medien 29.6.): „Wohl jeder Mensch (männlich) hat dies in seinen Kindertagen erlebt: Er kommt an eine grüne Wiese, er sieht dort andere Knaben Fußball spielen. Er stellt sich an den Spielfeldrand. Und nun geht es ihm wie dem Fischer in Goethes Gedicht. Das Herz wächst ihm so sehnsuchtsvoll wie bei der Liebsten Gruß. Der Knabe wartet: dass einer kommt und ihn auffordert, mitzuspielen. Oder dass nun eine gestrenge Mutter erscheint und eines der Fußballkinder („Du kommst jetzt sofort nach Hause!“) vom Rasen holt. Dann wäre ein Platz als Einwechselspieler frei. Immer schreiben die anderen den Leitartikel, denkt der Journalist, und wie oft verschießen sie ihn! (…) Die Deutschen spielen nicht mehr mit. Kahn ist weg, Rudi ist raus, alles ist aus. Aber man kann jetzt nicht einfach traurig dahocken, man muss etwas tun. Wer nicht verzweifeln will, sucht sich Ersatz. Der Knabe damals, wenn man ihn nicht mitspielen ließ, machte sich als Balljunge nützlich. Oder bot seine Dienste als Schiedsrichter an. Und damit sind wir endlich im Hier und Heute angekommen, bei unserem neuen Retter, Schiedsrichter Merk, Kaiserslautern, Beruf Zahnarzt. Tagelang fieberte ganz Fußballdeutschland: Pfeift Merk das Endspiel, pfeift er es nicht? Jetzt, kurz vor Dienstschluss des Kolumnisten, kommt die beglückende Nachricht: Er pfeift! Markus Merk, der Schiedsrichter der Herzen. (…) Vielleicht erreichen ja beide Heldenmänner, Rehhagel und Merk, das Endspiel. Dann wären die Deutschen, eben noch am Boden, fast schon wieder das glücklichste Volk der Welt. Beim Zahn des Zeus!“

Martin Hägele (NZZ 29.6.) hält Real Madrid für den großen Verlierer der EM: „Nur Figo war in die Real-Krise nicht involviert. Einem Vertrauten erzählte er, wie dankbar er über seine körperliche und mentale Verfassung sei und dass es ihm so viel besser ergehe als den anderen Real-Stars. Portugals oberster Fussball-Repräsentant hatte seine Lektion aus dem WM-Desaster gelernt. Statt die verletzte Achillessehne operieren zu lassen, versuchte Figo 2002 die Schwellung des rechten Fusses zu verbergen. Er zwängte ihn in einen Schuh, dessen hinterer Teil zwei Nummern grösser war – und wie ein Fusskranker spielte Figo sodann auch in Korea. Im Leiden übrigens vereint mit den Klubkollegen Zidane und Raúl sowie dem späteren „Königlichen“ Beckham. Entweder waren die Stars verletzt oder körperlich geschwächt vom strengen Alltag in den 20er-Klassen Englands und Spaniens, von den Höchstbelastungen der Champions League sowie jeder Menge Show-Engagements. Auf Raúls Tacho standen am Ende jener Saison 2001/02 schon 1500 Spiel-Kilometer. Die Hälfte wäre normal und vernünftig gewesen. Leider kommen Athleten meist erst sehr spät zu Vernunft, wenn es um die Einschätzung ihrer Kräfte geht. Andererseits bezahlt die königliche Traumfabrik den Big Five der Branche deren Hollywood-Gagen auch explizit dafür, dass sie die Real-Marke ständig durch die Märkte dieser Welt tragen – im Bernabeu-Stadion, kreuz und quer in spanischen oder europäischen Arenen und möglichst noch ein paarmal rund um den Globus. Kein Programm jedenfalls, das die Bedürfnisse des Sportlers berücksichtigt und die körperlichen Voraussetzungen schafft für Auftritte auf höchstem Niveau. Zidane hat sich zwar mokiert auf der fünfwöchigen Welttournee im letzten Sommer, dass es keine richtige Saisonvorbereitung sei und auch nicht unbedingt im Sinne des Fussballs, wenn die Sportplätze auf mehrere Kontinente verteilt seien und schon im Training in Tokio oder Schanghai 60 000 Zuschauer abkassiert würden. Beckham schiebt erst jetzt seine mangelnde Fitness auf die lockere Art, wie im berühmtesten und erfolgreichsten Fussballklub geübt werde (…) Der Weltbewegung Fussball und besonders deren Angehörigen in den Traditionsländern England, Frankreich und Spanien könnte nun eine Petition an Real-Präsident Nuñez helfen, eingereicht und vorgetragen von den leitenden Angestellten Zidane, Raúl und Beckham, mit der Bitte um erfolgsorientierte Arbeitsbedingungen und ein bisschen weniger globales Marketingdenken im Konzern.“

Er, der Gott, war jahrelang unter uns, und wir haben’s nicht gemerkt

Das Streiflicht (SZ 28.6.) verfasst eine deutsch-griechische Mythologie: „Die Athener Zeitschrift Goal News behauptet, die Götter seien wieder auf dem Olymp und der neue Zeus heiße Otto. Also Otto Zeus, geb. Rehhagel? Das gerade nicht, da Zeus kein Nachname war, sondern eher ein Vorname, wenn nicht sogar eine Art Markenname. So oder so: Man wird, um den neuen Zeus würdigen zu können, auf die Trainerqualitäten des alten ein Auge werfen müssen. Das Team, das früher auf dem Olymp spielte, war ja zuzeiten ein, mit Verlaub, richtiger Sauhaufen. Man denke nur an Zeus“ Gattin Hera, eine Führungsspielerin immerhin, die sich in ihren ständigen Fouls gegen Herakles dermaßen vergaß, dass Zeus sie eine Weile an den Himmel hängte und ihre Füße mit einem Amboss beschwerte. Selten wurde im Olymp die rote Karte härter und, wie man mit Blick auf manche der heutigen Fouls sagen muss, mustergültiger vergeben. „Das ist vielleicht ein Otto“, soll der stets vorlaute Hermes damals gesagt haben, ein Ondit, das sich uns erst im Hinblick auf Rehhagel in seiner ganzen Hellsichtigkeit erschließt. Zeus war ein Meister der Mimikry, vor allem bei seinen Amouren. Der Europa nahte er sich als Stier, zu Leda gesellte er sich als Schwan, und was die schöne Danaë anging, die ihr Vater in einen Turm gesperrt hatte, so verführte er sie in Gestalt eines Goldregens. Wie immer das gegangen sein mag: Es war erfolgreich, denn Danaë gebar ihm den Helden Perseus. Könnte es im Lichte dieser Überlieferung nicht sein, dass Rehhagel gar kein neuer Zeus ist, sondern der alte in all seiner Raffinesse? Wäre dem so, dann müsste man seine Trainerjobs, vom FV Rockenhausen bis herauf zum 1. FC Kaiserslautern, als Varianten einer langen Maskerade werten. Wir Deutschen aber könnten sagen: Er, der Gott, war jahrelang unter uns, und wir haben’s nicht gemerkt.“

Hartmann nochmal in die Journalistenschule und Rehhagel in die Nationalmannschaft

Rehhagel hat uns allen was voraus, berichtet Hans Werner Kilz (SZ/Medien 28.6.): „Nach zwei Wochen Fernsehen rundet sich das Bild: Teamchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft kann nur werden, wer auch die Medien beherrscht. Lothar Matthäus? Scheidet aus! Seine Weisheiten sind allein im Ausland zu vermitteln, weil sie dort Dolmetscher brauchen, um einen Sinn zu ergeben und nur übersetzt so klingen, als seien die Sätze ordentlich aus Subjekt, Prädikat und Objekt gebildet. (…) Bleibt einer, der die Medien beherrscht und den die Medien gerade deshalb nicht wollen: Otto Rehhagel. Wer sein Interview mit dem Sportreporter Waldemar Hartmann, genannt „Waldi“, nach dem triumphalen Sieg über Frankreich gesehen hat, weiß, wo beide jetzt hin gehören: Hartmann nochmal in die Journalistenschule und Rehhagel in die Nationalmannschaft. „Sie können doch einem alten Fuhrmann nicht das Peitschen beibringen“, mokierte sich der Erfolgstrainer über die vordergründig-einfallslosen Fragen Hartmanns. In diesem Gespräch, erkannte ARD-Analytiker Günter Netzer, war Rehhagel „besser, als seine Mannschaft Fußball gespielt hat“. Schon wieder dieser Hochmut, den alle Sportkommentatoren reflexartig an den Tag legen, wenn sie über Rehhagel reden oder schreiben. „Der underdog hat es geschafft“, schrie Spielbeobachter Steffen Simon respektlos ins Mikrophon, und Studioplauderer Gerhard Delling empfahl, Rehhagel möge „noch zwei Spiel machen und dann zurücktreten“. So kennt Rehhagel die Journalisten: “Das sind bösartige Leute“, sagt er, „denen habe ich ab und zu mal die Meinung gesagt.“ Recht so. Und wenn er nach zwei weiteren Spielen als Europameister heimkehrt, wird er den Deutschen erklären, wie er aus Kleinen ganz Große machen kann: mit „ein bisschen demokratischer Diktatur“, hat er verraten. Und das im Mutterland der Demokratie! DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, dem in seiner Stuttgarter Ministerzeit demokratische Verhaltensweisen nicht fremd waren, sollte sich beeilen.“

Er hat eine griechische Seele

Die SZ (29.6.) meldet: „Otto Rehhagel soll die griechische Staatsbürgerschaft erhalten. Das erklärte Georgios Voulgarakis, zuständiger Minister für Öffentliche Ordnung der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND), mit Blick auf die Erfolge des deutschen Trainers mit der Nationalelf des Landes. „Ich würde vorschlagen, Rehhagel zum Griechen zu machen. Er hat eine griechische Seele. Wenn er will und den Vorschlag annimmt, kann ihm die Staatsbürgerschaft verliehen werden. Es reicht, wenn alle gesetzlichen Prozeduren eingehalten werden“, sagte er. Was passiert erst, wenn die Griechen im Halbfinale gegen Tschechien gewinnen? Wird ein Platz im Götterhimmel frei geräumt?“

Diese Schallplatte ist verkratzt

Christoph Biermann (SZ 29.6.) kann das Sprachengewirr nicht entknoten: „Die Stimme seines Herren ist Jaroslav Dudl jedoch mit großer Ernsthaftigkeit, wenn er nach den Spielen bei dieser EM die Äußerungen von Trainer Karel Brückner ins Englische überträgt. „Das Spiel der Teile hat spezielle Regeln“, gibt also Herr Dudl seinen Coach wieder und fügt an, dass dabei zunächst der erste Teil kommt. Also die erste Halbzeit? Nein, denn es gibt auch einen zweiten, einen dritten und mitunter noch mehr Teile. Hm? Da fliegen die Fragezeichen durch den Raum und erneut wird der Tag verdammt, an dem der Mensch den Bau des Turms zu Babel begann und von Gott mit unterschiedlichen Sprachen gestraft wurde. Es sei schon im Tschechischen schwer zu verstehen, was er sagt, gibt Herr Dudl zu, doch Karel Brückner ist scheinbar nicht der einzige Unübersetzbare dieses Turniers, in dem oft ein alter Sketch von Monty Python nachgestellt wird. Dort kommt ein Ungar mit einem Wörterbuch, bei dem die Phrasen vertauscht sind, in einen Zigarettenladen. „Diese Schallplatte ist verkratzt“, sagt er zur Begrüßung, was nur der Auftakt zu größter Konfusion ist und schließlich in Handgreiflichkeiten endet.“

Texte eines Geschlagenen

Holger Gertz (SZ 28.6.) fühlt sich klein und kleiner: „Unsereiner allerdings trägt die Akkreditierungskarte inzwischen als Abzeichen der Schmach. Das liegt daran, dass darauf jenes Land vermerkt ist, in dessen Auftrag der Träger hier arbeitet. Bei Otto, rechtzeitig ausgewandert, ist das inzwischen Griechenland, bei uns immer noch Germany, kurz GER. Dieses Kürzel löst nur noch Mitleid aus, bei den Ordnern am Eingang des Stadions, die einen so halb lächelnd anschauen, bei den Kontrolleuren im Pressezentrum, die einem sanft auf die Schulter klopfen, bei der Frau gestern am Schalter der Shuttle-Busse: Sie las GER und fragte, warum man immer noch hier sei, es sei doch längst vorbei mit GER, warum man nicht längst dort sei, wo man hingehört, daheim bei den Hamännern und Baumännern. Man kommt sich allmählich vor wie einer, der auf einer Party rumsteht, ohne eingeladen zu sein. Und – um einmal persönlich zu werden: Es macht sich nicht gut, wenn man als Reporter aus GER dieses GER auch noch klein im Vornamen trägt und ziemlich groß im Nachnamen. Da ist man gleich doppelt und dreifach stigmatisiert als Germane, rumpelfüßig, schwach im Abschluss. (…) Es ist nicht mehr auszuhalten. Alle grinsen, wenn man kommt, alle glucksen, wenn man geht, alle bringen einem Taschentücher, wenn man weinend vor seinem Laptop sitzt und Kolumnen hineintippt – Texte eines Geschlagenen. “

Gerhard Stadelmaier (FAZ/Feuilleton 28.6.) schreibt übers Theater – und nimmt sich die richtigen Vorbilder: „Es war einer der folgenreichsten Doppelpässe der Welttheatergeschichte, als sich im Jahr 534 vor Christus der griechische Mythen-Stürmer Thespis (damals noch nicht von Otto Rehhagel, sondern von Rudi Dionysos trainiert) von der Chor-Viererkette löste und den Ball steil nach vorne spielte – zu einem gegnerischen Spieler, den die anderen bis jetzt gar nicht wahrgenommen hatten, der den komischen Namen „Gott“ trug und nun gezwungen wurde, mit dem Angreifer Thespis um den Ball zu rangeln, zu tricksen, zu grätschen und zu täuschen – so lange, bis einer von beiden zum Schuß aufs Tor kam. So wurde in Europa das Drama durch die Spieltechnik des Dialogs und die Kampftaktik des Konflikts erfunden. Wenn nun also in den letzten zehn Tagen in Wiesbaden und Frankfurt die sogenannte Theaterbiennale titelgemäß achtundzwanzig „Neue Stücke aus Europa“ gezeigt hat, hätte man mitten in des Dramas eigenem Kontinent ja mindestens achtundzwanzig Konflikte erleben müssen: achtundzwanzigmal Spitz auf Knopf, Leben oder Tod. Man erlebte keinen einzigen. Das gerecht-ungerechte Fazit dieser Europameisterschaft der Stück-Kunst lautet: Ganz Europa hat sich vom Drama, also von der Auseinandersetzung mit Gott und der Welt, verabschiedet. Keine Figuren mehr, die hergestellt oder entwickelt werden, allenfalls Kommentare, Behauptungen, Berichte zu Figurenähnlichem, gerne begleitet von Musik (vorzugsweise Cello). Der Kick dieser undramatischen Dramen-Europameisterschaft liegt in der Weigerung, Tore zu schießen, also Konflikte sieg- oder verlustreich auszutragen. Jedes Spiel ein Spiel ohne Ball.“

Die SZ (28.6.) teilt mit: „Nicht mehr so hoch im Kurs steht Fígo im Vergleich zum Turnierbeginn auch bei Portugals Schwulen. In einer Umfrage auf der Internetseite portugalgay.pt rutschte der Madrilene vom ersten auf den fünften Platz mit neun Prozent Stimmen ab. Die Spitzenposition eroberte Cristiano Ronaldo von Manchester United (14) vor Nuno Gomes (13) und Torjäger Pauleta (12). Spielmacher Deco, dem nicht das beste Verhältnis zu Spielführer Figo nachgesagt wird, landete mit nur 2 Prozent weit abgeschlagen.“

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