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Mayer-Vorfelder im Interview

Oliver Fritsch | Mittwoch, 30. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Mayer-Vorfelder im Interview

Gerhard Mayer-Vorfelder, „der Präsidentendarsteller“ (FAZ) / SZ-Interview mit Gerhard Mayer-Vorfelder / „orientiert sich die Wahl Ottmar Hitzfeld wirklich am Bedarf?“ (SZ) u.v.m.

Egomane Manier

Für Gerhard Mayer-Vorfelder hat Roland Zorn (FAZ 30.6.) viele unfreundliche Worte übrig: „In Almancil wollte der Mann, der zumindest sich selbst als die wichtigste Persönlichkeit im deutschen Fußball ansieht, im Alleingang die Entscheidung reifen lassen: nämlich Ottmar Hitzfeld und nicht den zunächst auch von weitem angeblinzelten Christoph Daum zum neuen Bundestrainer zu küren. „Alleinige Chefsache“ nannte Mayer-Vorfelder sein Unternehmen, das er nahezu herkulisch anzupacken geglaubt hatte. Doch der langjährige Minister des Landes Baden-Württemberg bekam umgehend zu spüren, daß sein Chefbonus aufgebraucht und seine selbstverliebte Attitüde nicht mehr gefragt ist. Schlimmer noch: Mayer-Vorfelder verprellte so gut wie alle, die ihn im Oktober beim DFB-Bundestag in Osnabrück für weitere drei Jahre in seinem Amt bestätigen sollen. Pikiert bis verärgert rümpfen sie nun die Nase über einen Form mit Inhalt verwechselnden Präsidentendarsteller – in der DFB-Zentrale, in der Bundesliga und in der gegenüber Mayer-Vorfelder schon lange skeptischen Öffentlichkeit. Dabei ist der Vorgang an sich – Präsident sucht Trainer – weniger bemerkenswert als die egomane Manier, in der sich der stets Publicity suchende Berufspolitiker von gestern der von ihm so deklarierten Chefsache annahm. Den größten Fauxpas beging der alleinzuständige Mayer-Vorfelder gegenüber seinem bisher loyalsten Mitarbeiter, DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt. Der Franke steht im DFB seit Jahrzehnten mit unerschütterlicher Seriosität für Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Integrität. Er hätte darüber hinaus auch kraft seines Amtes an der Trainersuche, die sich nicht allein auf das Finden eines geeigneten Nachfolgers für den Teamchef Völler beschränken kann, beteiligt sein müssen. Mayer-Vorfelder aber klammerte Schmidt, dessen Wort DFB-intern gewichtiger als das des auf Zeit gewählten Präsidenten ist, vorsätzlich aus. Befragt, wie enttäuscht er über das von Mayer-Vorfelder gewählte Procedere bei der wichtigsten DFB-Personalentscheidung seit langem sei, sagte Schmidt am Dienstag nur: „Ersparen Sie mir bitte eine Antwort.“ Ohne Schmidts glänzende Vorarbeit säße Mayer-Vorfelder heute vielleicht nicht im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union, aus dem er schon einmal herausgewählt worden ist. Erhöbe sich der Generalsekretär in aller Öffentlichkeit, womit nicht zu rechnen ist, gegen seinen Präsidenten, Mayer-Vorfelder könnte von seinen Wiederwahlsehnsüchten, die er vorsorglich selbst für die Zeit nach 2007 nicht ausschließen mag, heute schon Abschied nehmen.“

Wie viele Tage sind vergangen, seit Rudi Völlers Rücktritt? Acht Tage?
SZ-Interview (30.6.) mit Gerhard Mayer-Vorfelder

SZ: Ihr stilles Vorgehen ist kritisiert worden. DFL-Präsident Werner Hackmann hat Ihnen, im Namen der Bundesligaklubs, eigenmächtiges Verhalten vorgeworfen in einer Frage, die alle angeht.
MV: Diese Aufgeregtheit war unnötig. Sie ist natürlich stark von außen hereingetragen worden, von den Medien. Und was die Bundesliga angeht: Ich habe ein offenes Verhältnis zu den Klubs. Aber es ist doch so: Die Bundesliga hat bestimmte Dinge zu entscheiden – und wir haben bestimmte Dinge zu entscheiden. Es ist in der Satzung des DFB, und in der Geschäftsverteilung des Präsidiums klar geregelt, dass Fragen der Nationalmannschaft und Trainer-Einstellungen die Sache des Präsidenten sind. Die endgültige Entscheidung liegt dann beim DFB-Präsidium, und da sind Herr Hackmann und Wilfried Straub (DFL-Geschäftsführer) eingebunden als Vertreter der Liga. Aber die Gespräche mit dem Kandidaten werden halt von mir geführt. Das ist ein ganz normaler Vorgang, wie in einem Verein.
SZ: In einem Verein weiß zumindest der Präsident, was der Manager macht.
MV: Aber es geht doch keine Delegation von vier, fünf Leuten zu den Verhandlungen. Also: Es war viel Aufregung um nichts, meine ich.
SZ: Warum haben Sie nicht zumindest ein paar maßgebende Leute eingeweiht?
MV: Ich muss ja zunächst mal das Gespräch geführt haben. Dann kann ich erst die Leute unterrichten. Ich kann die ja nicht anrufen und sagen: „Hört mal zu, tut mir schrecklich leid, ich hab den noch nicht gekriegt. Ich hab noch keinen Termin, ich hab noch keinen Flug.“ Außerdem: Wie viele Tage sind vergangen seit Rudi Völlers Rücktritt? Acht Tage?
SZ: Fünf Tage.
MV: Sehen Sie. Ich habe das doch 2000 schon miterlebt. Da passierte genau das Gleiche. Ich habe keine Namen genannt, und es hieß: Chaos.
SZ: Bei Egidius Braun war es 1998 genau umgekehrt: Der hat die Namen aller Kandidaten genannt.
MV (lacht): Und das war auch nicht richtig.
SZ: Wieso haben Sie Sevilla als Ort für das Treffen mit Hitzfeld gewählt?
MV: Das ist einfach aus praktischen Gründen geschehen. Und hat ja auch auf die Qualität der Gespräche keinen Einfluss.
SZ: Sie haben sich mit Hitzfeld im Hotel Alfonso XIII getroffen, das ist das teuerste Hotel in ganz Spanien. Da halten Sie es also wie der FC Bayern München. Der verhandelt mit potenziellen neuen Spielern auch immer nur in den besten Hotels von München.
MV: Also, ich brauche auf den Ottmar keinen Eindruck zu machen über ein schönes Hotelzimmer. Der kennt solche Verhältnisse. Aber es war schon ein adäquates Hotel, keine Frage.

Nur Waffengeklirr auf der Funktionärsebene, vertraute Verschiebestrategien

Thomas Kistner (SZ 30.6.) wünscht sich mehr Sorgfalt bei der Bundestrainer-Suche: „Es verwundert, wie eilig sich die Branche bei der Bundestrainer-Suche auf Ottmar Hitzfeld als Idealbesetzung festlegt. Zwar steht außer Frage, dass der Coach das Gütesiegel A trägt – nur: Orientiert sich diese Wahl wirklich am Bedarf? Wenn es so ist, dass der deutsche Fußball in kürzester Zeit bis 2006 eine neue, deutlich verjüngte Nationalelf präsentieren will, welche die Erbkrankheiten Spielverhinderung und Ergebnisverwaltung überwunden hat, dann braucht es ja einen, der sich darauf versteht, junge Kräfte zu finden und zu formen. In dem Bereich aber hat der große Titelsammler Hitzfeld bisher wenig Kompetenz bewiesen. In Krisenzeiten bei Dortmund und beim FC Bayern wurden ihm sogar Defizite in der Nachwuchspflege vorgeworfen. Und entstammt nicht der einzige aktuelle Hoffnungsträger, Philipp Lahm, Hitzfelds engem Wirkbereich? Der FC Bayern schickte ihn nach Stuttgart, dort wurde Lahm zum Stamm- und Schlüsselspieler. Es fällt auf, dass gar kein Versuch unternommen wird, die Bundestrainer-Frage mit aller fachlichen Ernsthaftigkeit anzugehen. Es gibt keine Personalpolitik, kein Krisenpapier, keine Kontakte. Nur Waffengeklirr auf der Funktionärsebene, vertraute Verschiebestrategien. Womöglich liefe auch eine sorgfältige Sichtung auf Hitzfeld hinaus, dann aber nach Prüfung anderer tauglicher Optionen, von Heynckes bis zum Deutsch sprechenden Elsässer Arsene Wenger.“

Was macht ein Bundestrainer überhaupt den ganzen Tag, Philipp Selldorf (SZ 30.6.)? „In seinen öffentlichen Äußerungen führt Hitzfeld jedes Mal an, dass er vor der Entscheidung seine Frau Beatrix zu Rate ziehen werde, da er ihr versprochen habe, nach 21 Jahren Trainerdasein der Familie mehr Zeit zu widmen. Dafür ist der Posten des Bundestrainers aber gar nicht so ungeeignet. Denn Hitzfeld könnte es halten wie Rudi Völler. Der Teamchef hatte in Leverkusen, wo er auch wohnt, ein Büro eingerichtet und sich dort regelmäßig mit seinem Assistenten Michael Skibbe getroffen. Zwar hat ein Bundestrainer auch noch andere Verpflichtungen, als alle paar Wochen die Nationalmannschaft zu einem Länderspiel zu führen: Er muss den DFB – unter Umständen auch gleich das ganze Land – repräsentieren, er steht ein für die Werbepartner und ideellen Aktionen des Verbandes, und am Wochenende wird er auf den Tribünen der Bundesligastadien zur Begutachtung seiner Kandidaten erwartet. Dazu kommt die Arbeit mit den Medien. Aber all diese Aufgaben kosten insgesamt doch weniger Zeit als die Tätigkeit bei einem Klub, dessen Mannschaft in der Champions League spielt.“

Für Ottmar Hitzfeld ist die Nationalelf die letzte Herausforderung, Joachim Mölter (FR 30.6.): „Es gibt tatsächlich Leute, sogar sportinteressierte, die Ottmar Hitzfeld für einen Schweizer halten, und so abwegig ist das gar nicht. Hitzfeld ist ja vor 55 Jahren in Lörrach geboren worden, direkt an der Grenze zur Schweiz, und jenseits dieser Grenze hat er länger Fußball gespielt und Mannschaften trainiert als hernach in Deutschland. Man hört es immer noch an einem leichten Akzent, an der Art, manche Silben so zu betonen wie es hier zu Lande nicht üblich ist. „Die Schweiz ist auch meine Heimat“, hat Ottmar Hitzfeld einmal gesagt, und in dieser Heimat war er, als ihn vor ein paar Tagen Gerhard Mayer-Vorfelder anrief, und fragte, ob er willens sei, künftig als Bundestrainer die deutsche Nationalmannschaft zu betreuen. (…) Was hätte er denn mit einem Verein auch noch erreichen sollen, was er nicht längst schon gewonnen hat als Trainer? Er war Meister und Pokalsieger in der Schweiz, Meister und Champions-League-Gewinner mit Borussia Dortmund [Sebastian Priggemeier: Stopp, da fehlt doch der BvB-Weltpokalsieg von 1997!], Meister, Pokalsieger, Champions-League-Gewinner und Weltpokalsieger mit dem FC Bayern München, einmal weltweit „Clubtrainer des Jahres“ (1997) und in Deutschland so oft, dass man die Auszeichnung dafür künftig nach ihm benennen könnte. So einem bleibt nur noch die wichtigste Aufgabe im Land, also die Fußball-Nationalmannschaft zu trainieren. Und das ist durchaus bemerkenswert für einen Mann, der sich einst als Schüler nicht traute, Klassensprecher zu werden, wie er in seiner Biografie eingestand: „Dafür hätte ich zu viel Verantwortung übernehmen müssen.“

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