Ballschrank
vor den Kopf
Kommentare deaktiviert für vor den Kopf
| Donnerstag, 1. Juli 2004
Themen: Wintersportexperte Beckenbauer engagiert sich für den österreichischen Olympiakandidaten Salzburg und stößt Leipzig vor den Kopf – Marco Bode, ein gelungenes Karriereende – Rebellenfuehrersohn wird italienischer Profi – Beckham haelt Madrid in Atem; und die Frisöre dieser Welt – Plädoyer fuer Sabine Töpperwien als Sportschau-Moderatorin
Jens Weinreich (BLZ 1.7.) kritisiert das Engagement Beckenbauers für die Olympia-Bewerbung Salzburgs. „Beckenbauers Auftritt ist aus vielerlei Gründen nicht ohne Pikanterie. Erstens hat es Beckenbauer als Steuerflüchtling nach Österreich verschlagen, nach Kitzbühel, wo 2010 die alpinen Wettbewerbe geplant sind. Zweitens nährt sein Engagement, das auch mit dem Namen seines Spezis Fedor Radmann verbunden ist, aus guten Gründen gewisse Spekulationen, denen Bewerberchef Winkler die Brisanz nimmt, wenn er sagt: Herr Radmann berät uns ehrenamtlich. Da gibt es keinen Vertrag. Drittens macht es einen unglücklichen Eindruck, dass Beckenbauer für Salzburg in die Bütt steigt (was auch der Rodler Georg Hackl tut, weil die deutsche Bahn am Königsee in die Bewerbung integriert ist), wenn am selben Tag Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee seinen ersten offiziellen Auftritt in IOC-Kreisen hat. Außerdem hat IOC-Präsident Jacques Rogge erst kürzlich am Beispiel David Beckhams süffisant erläutert, was von derlei Vorstößen zu halten sei: Zu glauben, das IOC ließe sich von großen Fußballern beeindrucken, ist ein bisschen naiv. Wir treffen tagtäglich große olympische Champions. IOC-Mitglieder seien keine Groupies, die entrückt schreien, wenn man ihnen einen berühmten Sportler auf dem Balkon präsentiert. Leipzigs Olympiaplaner hielten sich am Dienstag mit Kommentaren zur Causa Beckenbauer zurück. Burkhard Jung (Olympiabeauftragter Leipzigs) und Wolfram Köhler (Sachsens Olympiastaatssekretär) verwiesen auf den Beschluss des Aufsichtsrats, wonach sich nur OB Tiefensee und NOK-Präsident Klaus Steinbach äußern dürfen. Ich nehme den Auftritt von Franz Beckenbauer zur Kenntnis. Ich habe das schon geahnt, sagte Jung. Der Fall Beckenbauer offenbart einmal mehr die große deutsche olympische Ratlosigkeit. Zwar ist die Leipziger Bewerbung offiziell noch gar nicht beim IOC eingegangen, doch anders als künftige Kontrahenten wie New York, Moskau, Paris, Rio oder Madrid haben die Deutschen international noch nichts unternommen. Das NOK ist unter Klaus Steinbach zu keiner Koordinierung dezenter sportdiplomatischer Aktivitäten in der Lage. IOC-Vizepräsident Thomas Bach bekannte zwar, von Beckenbauer über die Aktivität informiert worden zu sein, hat dem Oberfußballer das Engagement jedoch nicht ausreden können. Beckenbauer ist eben Beckenbauer – ob es Deutschland schadet oder nützt.“
Politisch klug ist das Engagement nicht
Thomas Kistner (SZ 1.7.) teilt dazu mit. „Dass dieser besondere sportpolitische Grenzverkehr eine ziemlich heikle Angelegenheit ist, wissen alle Beteiligten; auch wenn sie es tapfer bestreiten. Tatsächlich ist es ja so: Erhielte Salzburg, das mit einer deutschen Teilbewerbung im Rennen ist (die Kunsteisbahn am Königsee soll Bob und Rodeln austragen), am Mittwoch den Zuschlag, schmälert das die ohnehin geringen Leipziger Aussichten noch weiter. Nicht nur, weil das in naher Zukunft ein bisschen sehr viel Olympia in deutschen (Um-)Landen bedeuten würde, sondern auch, weil sich Salzburg dabei gegen Mitfavorit Vancouver durchsetzen muss – was wiederum den Weg für Toronto freimachen würde, sich noch für den Sommer 2012 zu melden. Die kanadische Stadt, zur Erinnerung, war bei der Kandidatur für die Spiele 2008 nur an Peking gescheitert. Sie gilt als ein so genannter Frontrunner. Das ist Leipzig nicht, auch in Prag klingt öfter mal leise Verwunderung durch bei einzelnen IOC-Mitgliedern über die deutsche Wahl. Die wird zwar als innenpolitisch nachvollziehbar eingeschätzt, aber eben auch als sportpolitisch riskantes Minimalangebot. Insofern vermittelt der deutsche Fußballchef in Österreichs Diensten nun eine stille Botschaft, welche die Skepsis all jener nähren muss, die meinen, Leipzigs Chancen werden schon jetzt im eigenen Land als gering eingeschätzt. Beckenbauer wird weltweit mit Deutschland identifiziert, dass er just zum Zeitpunkt des Leipziger Bewerber- Debüts für Salzburg in die Bütt steigt, kann durchaus als Abrücken vom ostdeutschen Sommerspielkandidaten verstanden werden. Ganz gleich, ob beabsichtigt oder nicht. Nun kann jeder werben, für wen oder was er will, zumal, wenn er einen quasi-kaiserlichen Status in der Heimat besitzt. Politisch klug ist das Engagement nicht.“
Kein (gutbezahltes) Auslaufen in Österreich oder der Bremer Oberliga
Frank Heike (FAZ 2.7.) ruft das gelungene Karriereende Marco Bodes in Erinnerung. „Nach dem Tor gegen Kamerun und dem Einsatz von Beginn im Finale gegen Brasilien entdeckten viele Kritiker Marco Bode neu. Dabei war er doch schon sechs Jahre vorher Europameister geworden. Die WM verschaffte ihm nie zuvor erlebte Popularität – ausgerechnet Bode, den sein ehemaliger Trainer Otto Rehhagel einmal als fairsten Spieler nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnete, der als Schachspieler, Fahrradfahrer und Langhaariger das Klischee des anderen Profis erfüllte, ohne viel dafür zu tun. Dem Bild habe ich nie zu hundert Prozent entsprochen, sagt Bode, aber ihm auch nicht widersprochen, weil ich damit gut gelebt habe. So stand er in der Debatte um die hohen Gehälter der Profis vor anderthalb Jahren plötzlich als leuchtendes Vorbild da, weil er den niedrigen Verdienst von Krankenschwestern anprangerte. Bode, der Musterprofi, der indirekt die gierigen Kollegen angreift? Das nervte doch ziemlich. Er sagt: Da habe ich noch einmal viel über die Wirkungsmechanismen der Boulevardpresse gelernt. Den einen oder anderen Anraunzer aus der Mannschaft gab es für die (ungewollte) Selbstdarstellung, ohne daß es Bode gestört hätte. Warum hört dieser Mann gerade jetzt auf? fragten die Zeitungen und mancher Manager vor einem Jahr beharrlich. Es gab drei Angebote aus der Bundesliga, doch die höchste Spielklasse hierzulande hatte er schon vorher gedanklich abgeschrieben nach zehn Jahren als Profi. Als der Premier-League-Klub FC Fulham anrief, wurde er fast schwach: Das wäre es gewesen, noch einmal in England zu spielen. Die Londoner wirkten zunächst wie das Gegenstück zu Werder Bremen – familiär, gut geführt, kontinuierlich im Aufbau –, doch bei näherem Hinsehen merkte Bode, daß er sich getäuscht hatte. Zum Glück wechselte er nicht. Trainer Jean Tigana, der Bode so gern wollte, ist inzwischen längst entlassen. Und so blieb es dabei: Auf dem Höhepunkt der Laufbahn hörte Marco Bode einfach auf, topfit, unverletzt, im besten Alter. Kein (gutbezahltes) Auslaufen in Österreich oder der Bremer Oberliga.“
Möchte gerne Fußballer sein
Thomas Götz (BLZ 1.7.) glossiert den Wechsel des Rebellenführersohns in die Serie A. „Goethes Sohn August hatte weniger Glück als Saadi al Gaddafi. Erdrückt vom Gewicht des Vaters starb August früh in Rom. Sein Grabstein erinnert nur an eine Eigenschaft des Toten: er sei Goethe Filius gewesen. Libyens Staatschef Muammar al Gaddafi ist es nicht gelungen, seinen Spross an die Wand zu drängen. Saadi al Gaddafi strebt nach Ehren auf einem Feld, das seinem Vater verwehrt bleiben muss. Der 30-Jährige möchte gerne Fußballer sein. Zu Hause ging das auch gut. Mit seiner Mannschaft Al Ittihad, der er Präsident, Trainer und Stürmer zugleich ist, errang Saadi al Gaddafi schon zum zweiten Mal die heimische Meisterschaft. 25 Tore schoss er selbst in den vergangenen zwei Jahren. Wie das geschah, verriet er dem italienischen Fernsehpublikum mithilfe einer mitgebrachten Videoaufzeichnung. Das Band zeigte den Star im Ansturm auf das gegnerische Tor. In Angst, den Sohn des Staatschefs bei der Arbeit zu behindern, stoben die Gegner pflichtschuldig auseinander. Das Tor zu schießen war unter diesen Umständen eher ein Formalakt. Seit dem Wochenende ist Saadi al Gaddafi offiziell Spieler des Sportclubs Perugia. In einer Stretch-Limo, begleitet von 30 Geheimdienstleuten, fuhr der junge Mann vor dem zinnenbewehrten Schloss von Torre Alfina, dem Familiensitz des Club-Präsidenten Luciano Gaucci, vor. Livriertes Personal tischte emsig Erlesenes auf. Journalisten aus aller Welt drängte es, die wortkarge Neuerwerbung Gauccis zu sehen. Es war ein Höhepunkt in Saadis bisherigem Fußballerleben, nicht aber die Erfüllung seines Traums. Dem war er im Vorjahr für ein paar Stunden nahe gekommen. Italiens Spitzenclub Juventus Turin, von dessen Aktien Saadi 7,5 Prozent besitzt, ließ das Vorstandsmitglied ein bisschen mittrainieren. Für mehr reichten die Fähigkeiten des Spielers nicht.“
Die Fußballer sind die Rockstars der Moderne
Klaus Hoeltzenbein (SZ 2.7.) erklärt das Modell Beckham. „Die Frisur, die er zum Dienstantritt bei Real, dem spektakulärsten Fußball-Klub der Welt, wählte, ist die Bündelung bisheriger Kreationen: Oben ein Gockelschopf, hinten anachronistisch schulterlang, und am Hinterkopf ein Bändchen mit kokettem Schweif. Auf Kahlschläge wurde verzichtet, auch auf komplizierte Zopfgeflechte, wie einst zum Besuch bei Nelson Mandela. Wieder aber werden sich die Coiffeure vom Nordpol bis nach Asien und Ozeanien herausgefordert sehen, dem Vorbild nachzuschneiden. Er hätte auch gerne mit Real Madrid verhandelt, hat dieser Tage Bryan Ferry, in die Jahre gekommener Sänger von Roxy Music gesagt, um einmal mit Beckham in einer Mannschaft zu spielen, denn: „Die Fußballer sind die Rockstars der Moderne.“ Statt der Pilzköpfe der Beatles, des Afro-Looks von Jimmy Hendrix oder der Brit-Pop-Koteletten von Oasis, setzt nun einer den globalen Trend, der als Berufskleidung kurze Hosen trägt und in der Ausübung seiner Tätigkeit in tiefe Pfützen grätscht. Weil er sich dazu auch 28-jährig nicht zu fein ist, weil die moderne Märchenfigur Beckham nur außerhalb des Rasens und in seiner Ehe mit Spice-Girl Posh eine solche ist, er im Spiel aber als Marathonmann mit fürsorglicher Ballbehandlung gilt, funktioniert die junge Legende.“
Jürgen Ahäuser (FR 1.7.). „Gut möglich, dass morgen irgendwo an der galizischen Küste ein Öl-Tanker zerschellt. Sehr wahrscheinlich, dass unterhalb von Gibraltar wieder eine kleine Nussschale mit Flüchtlingen aus Nordafrika strandet, nicht ausgeschlossen, dass sich König-Juan Carlos beim Karate-Training die Hand verstaucht, auch vorstellbar, dass die ETA in San Sebastian wieder einmal einen ihr missliebigen Kommunalpolitiker liquidiert – 30 Fernsehstationen und 520 Journalisten aus 40 Ländern werden darüber nicht berichten. Sie haben Besseres (Wichtigeres) zu tun. Mitte der Woche dringt die Rebellion des Pop ins königliche Madrid ein. Andy Warhols Dosensuppe wird auf dem Fußballplatz recycelt. Der Pop-Artist heißt David Beckham. Becks und Posh-spice. Das schönste vom Fußball liiert sich mit dem niedlichsten der Popszene. Mehr Erregung öffentlichen Voyeurismus‘ geht nicht. Außer, eine Prinzessin lässt sich mal wieder viel zu schnell durch einen Tunnel fahren. Pfui! Jetzt aber schnell zurück zum Sport. Der wird in Spanien gerne unter dem Etikett königlich zelebriert, und niemand auf der iberischen Halbinsel kann das besser als Real Madrid. Doch Fußball ist längst mehr als nur gegen einen Ball treten. Auch in der spanischen Hauptstadt tritt der Fußball am Mittwoch endgültig in die Operettenliga ein. An dem Libretto wird die FR auch mitschreiben. Die Madrider Verlobung hat sicher einen hohen Unterhaltungswert. Und zum Glück haben etliche andere Journalisten Wichtigeres zu tun, als ausschließlich über Beckhams Phantasie beim Frisieren zu berichten.“
Der überkandidelt-witzige Tonfall, den wir jahrelang in ran erdulden mußten
Andreas Platthaus (FAZ 1.7.). “Beim WDR berichtet sie vor allem aus dem Ulrich-Haberland-Stadion in Leverkusen – ein besseres Terrain für dramatische Reportagen konnte man sich in den letzten Spielzeiten kaum wünschen. Mittlerweile haben sich selbst die denkbar traditionell verhafteten Samstagnachmittag-Rundfunkhörer, die für die legendäre Schlußkonferenz immerhin Kaffeetafel und Wagenwäsche ausfallen lassen, an die Frauenstimme in ihrer Männerdomäne gewöhnt. Und mehr als das: Sabine Töpperwien dominiert mittlerweile diese Domäne. Es mag ihr anfangs zugute gekommen sein, daß ihr älterer Bruder Rolf schon Meriten als Fußballreporter beim ZDF gesammelt hatte – nicht nur ihre Stimme, auch der Name Töpperwien hatte also einen guten Klang. Aber durchgesetzt hat sie sich allein, und nur Veteranen wie ihr Senderkollege Manfred Breuckmann oder Günther Koch vom Bayrischen Rundfunk agieren mit ähnlich viel Verve vor dem Mikrophon und vermitteln dem Zuhörer derart ein Gefühl, als ob er mitten im Stadion säße. Die noch abwartend langgezogenen Vokale, die am Beginn nahezu jeder Einblendung Sabine Töpperwiens stehen, werden binnen kurzem abgelöst durch hektische Temposteigerungen und größere Lautstärke – fürwahr, sie ist ein Rundfunktalent reinsten Wassers. Solche Leute wird die Sportschau brauchen, um den überkandidelt-witzigen Tonfall, den wir jahrelang in Ran erdulden mußten, wieder vergessen zu machen. Nie ist Fußball im Fernsehen auch nur annähernd so attraktiv und zugleich doch so ernsthaft dargeboten worden wie in der Bundesligakonferenz der ARD-Radiosender. Schon ein paar der daraus vertrauten Stimmen könnten für die Sportschau Wunder wirken.“
sid meldet. „Große Enttäuschung für Fernando Hierro: Eine geplante Demonstration für den Verbleib des spanischen Fußball- Nationalspielers bei Meister Real Madrid geriet zu einem Flop. Neben den drei Initiatoren wollten am Montag nämlich nur noch sechs weitere Anhänger des Abwehrstrategen vor dem Bernabeu-Stadion der „Königlichen“ gegen die Trennung vom Real-„Urgestein“ protestieren. Selbst Madrids Klubführung rechnete im Vorfeld mit größerem Rückhalt für Hierro, der in der Vorwoche nach dem 29. Titelgewinn des Rekordchampions nach 14 Jahren im Real-Trikot zusammen mit Trainer Vicente Del Bosque den Laufpass bekommen hatte, und beantragte Schutz durch die Polizei. Die 60 in zehn Mannschaftswagen angerückten Sicherheitskräfte konnten denn angesichts der sehr überschauberen Menge von Demonstranten schnell wieder auf ihre Dienststellen zurückkehren.“
„Energie Cottbus sucht noch seinen Standort in Liga zwei“ Tsp
„River Plate argentinischer Meister, Boca hofft auf die Copa Libertadores“ NZZ
Gewinnspiel für Experten