Vermischtes
Stauffenbergscher Geist
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| Freitag, 2. Juli 2004Ottmar Hitzfelds Absage hat „Stauffenbergschen Geist“ (taz) – SZ-Interview mit Günter Netzer und Gerhard Delling u.v.m.
Ein Vorhaben von fast Stauffenbergschem Geist
Robin Alexander (taz/Politik 3.7.) findet Art und Zweck der Absage Hitzfelds vorbildlich für Deutschland: „Im Subsystem Fußball wird öffentlich vorgespielt, welches Verhalten gesellschaftlich akzeptabel ist. Nein sagen, das ist akzeptabel geworden. Und das ist neu. Wer sich der Nationalmannschaft verweigerte, galt bisher als gerissener, fauler Abzocker (Bernd Schuster) oder als prolliger, fauler Abzocker (Stefan Effenberg): in jedem Fall als asozial. Denn die Nationalmannschaft ist nicht irgendeine Fußballmannschaft und Bundestrainer ist nicht irgendein Job. Zwar sind die realen Wirkungsmöglichkeiten sehr begrenzt, aber der Posten ist sozusagen mythisch aufgeladen: Er ist Identifikationsobjekt im an nationalen Symbolen armen Deutschland. Das Amt des Bundestrainers gehört weniger zu einem rationalen Zweckverband als zu einer Schicksalsgemeinschaft. Diese Wahrnehmung ist vormodern – und ein bisschen blöd: Sie führte dazu, dass Bundestrainer als legendäre Charaktere (Herberger), messianische Lichtgestalten (Beckenbauer) und Volkshelden (Völler) gesehen werden. Oder als Versager (Derwall, Vogts, Ribbeck). Dazwischen gab es nichts. Viele solcher Posten gibt es in unserer säkularen Gesellschaft nicht (…) Der Rücktritt von einem oder der Verzicht auf einen Posten aus persönlichen Befindlichkeiten ist eine gute Sache – für den, der verzichtet. Das Amt hingegen leidet: Schon, weil die nachrückende zweite Wahl oft erschreckend wenig Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit hat. Das haben die 68er fein hinbekommen: Flaschen übernehmen die Führung. Einige Linke haben schon gemerkt, was sie angerichtet haben: Joschka Fischer schimpfte, als Tiefensee sich dem Aufbau Ost verweigerte: „Wenn Deutschland ruft, darf man nie Nein sagen!“ Seltsame Zeiten: Die Linken entdecken die Pflicht, ein Fußballtrainer das schöne Leben. Oder doch nicht? Schon geht das Gerücht, Hitzfelds Burn-out sei nur ein Vorwand. In Wahrheit wolle Hitzfeld nur den Druck auf DFB-Präsident Mayer-Vorfelder erhöhen, um den Unfähigen loszuwerden. Hitzfeld opfert demnach die Krönung seiner Karriere, sein erklärtes Lebensziel, um Fußball-Deutschland von einem gefährlichen Irren zu befreien, der auf den Abgrund zusteuert. Ein Vorhaben von fast Stauffenbergschem Geist. Hätte es noch eines Beweises bedurft, er wäre mit dieser heroischen Tat erbracht: Der Mann muss Bundestrainer werden.“
Suchen Sie sich eine Antwort aus, meine Damen und Herren
Auch Ralf Wiegand (SZ/Medien 3.7.) hat mit Otto Rehhagels Abneigung gegen Journalisten schon so seine Erfahrung gemacht: „Nun wird also Otto Rehhagel Bundestrainer. Alle Argumente, die bisher gegen Otto Rehhagel gesprochen hätten, sind ja nicht mehr existent. Der Mann, wir haben das in den letzten Wochen gelernt, ist inzwischen ein Gott, geht wie Zeus im Olymp ein und aus und ist schon von daher alleinig qualifiziert für die Leitung der deutschen Nationalmannschaft. Daneben ist die Behauptung, Rehhagel könne nur mit kleinen Mannschaften in der Provinz arbeiten, geradezu ein Einstellungskriterium. Deutschland ist in Europa nicht nur Provinz, sondern Diaspora. Hat jemand kleinere Mannschaften gesehen? Also wird sich auch für die deutschen Medien einiges ändern, wenn demnächst Rehhagel vom Olymp umsteigt in die Frankfurter Otto-Fleck-Schneise, wo die anderen Götter sitzen, die vom DFB. Zwischen Rehhagel und der deutschen Presse herrschte immer ein ganz wunderbares Verhältnis, mit festen Regeln. Die Qualifikation eines Journalisten wurde durch Rehhagel („Sind Sie Journalist?“) vor Gesprächsaufnahme quasi notariell festgestellt, fortan die Fragen in Fachfragen und Nichtfachfragen unterteilt. Rehhagel reagierte auf Nichtfachfragen übrigens stets mit der Antwort: „Ich antworte nur auf Fachfragen“, was die Gespräche angenehm verkürzte. Nie waren Pressekonferenzen schneller vorbei als mit Rehhagel. Die Tabelle ist eine Momentaufnahme, alles Kokolores, Fußball ist kein Computerspiel, wichtig is’ aufm Platz – suchen Sie sich eine Antwort aus, meine Damen und Herren.“
SZ-Interview (Medien 3.7.) mit Gerhard Delling und Günter Netzer
SZ: Portugal war jetzt Ihr viertes gemeinsames internationales Fußball-Turnier. Demnächst bricht das so genannte verflixte siebte Jahr Ihrer Beziehung an. Ist mit dem Schlimmsten zu rechnen?
GN: Nein. Wir sind wirklich eng befreundet und haben keine Mühe miteinander. Wir stellen uns immer wieder in Frage, jeder betrachtet sich kritisch, fast zu selbstkritisch – und deswegen stehen wir immer wieder auf dem Prüfstand.
SZ: Und mit dieser selbstkritischen Haltung feilen Sie dann an ihren Fernseh-Sendungen?
GN: Wir nehmen uns nichts Besonderes vor, wenn Sie das meinen. Wir haben keine Pläne, irgendetwas zu tun. Das entwickelt sich so, wie sich sonst alles entwickelt, wenn wir tagsüber zusammen sind.
GD: Also, die Planungen – welche Beiträge, welcher Ablauf – macht die Redaktion. Mit unserer Rolle hat das aber nichts zu tun.
SZ: Man muss sich vorstellen, dass das, was live zuweilen als kammerspielhafter Dialog erscheint, improvisiert ist?
GN: Glauben Sie es mir: Wir haben null Vorbereitung. Ich bin faul. Er muss diese ganze Arbeit als Journalist erfüllen, und diesen Anspruch hat er sich nie abkaufen lassen von mir. Er ist nie beeindruckt gewesen von meiner Popularität. Ich als sein Partner kann mich auf ihn verlassen, und ich weiß bis heute nie, was er in den Sendungen vorhat. Ich frage ihn auch nicht danach. Und deswegen entwickelt sich das. Wir merken oft überhaupt nicht, dass die Kamera da ist. Wir sind so, wie wir uns normal unterhalten. Das ist wohl die wahre Stärke unseres ganzen Tuns: Dass man das und uns nicht programmieren kann.
SZ: Anfänglich schien manches zu dick aufgetragen: Huhu, hier kommt ein Witz. Inzwischen gibt es charmante Zwischentöne. Oder hat man sich bloß an Sie gewöhnt?
GN: Das ist ja hochinteressant, also Ihre Frage. Aber ich glaube, unsere ganze Beziehung hat sich entwickelt. Und wenn Sie glauben, unser Humor auch, dann freut uns das. Wir pflegen ihn aber nicht. Es gibt keine inszenierten Pointen, das wäre Klamauk.
GD: Vermutlich hat nur eine Weiterentwicklung der Süddeutschen Zeitung stattgefunden.
SZ: Haben Sie es auch schon gemerkt? (…) Und Europameister wird?
Netzerdelling: Portugal.
„Nur Männer schauen Fußball mit einer Unkenntnis, die sonst Frauen gerne unterstellt wird“, schreibt Arno Frank (taz 3.7.): “Einfältige Männer tun nur so, als interessierten sie sich für Fußball. Clevere Männer kokettieren damit, dass sie sich eben nicht für Fußball interessieren. Nur ich, ich habe tatsächlich keinen Schimmer vom Spiel, fiebere aber bei Dramen leidenschaftlich gerne mit. Dass die Portugiesen einen „schicken“ Angriffsfußball spielen, die Holländer „zu alt“ oder die Tschechen „technisch überlegen“ sind, das kann ich den ExpertInnen in meiner EM-Stammkneipe nachplappern – nachvollziehen kann ich solche Urteile nicht. Die Mitgucker halten mich für einen Opportunisten. Weil mein Herz immer für die Mannschaft schlägt, die gerade im Rückstand liegt. Wenn ich einen Tipp abgeben soll, überfällt mich Beklemmung. Griechenland gegen Tschechien? „Was weiß ich … 1:0 vielleicht?“, stotterte ich und erntete homerisches Gelächter. Auch sehe ich lieber schöne Torwart-Paraden als schöne Tore. Als ich kürzlich doch mal ein Tor mit hysterischem Triumpfgeheul bejubelte (es war Maniches traumhafter Treffer zum 3:1 gegen Holland), blieb der Rest der Kneipe verdächtig ruhig, weil: Es war die Wiederholung des 2:1.“