Strafstoss
Strafstoß #16 – Der Aufstand der Zeichen – Deutschland im Finale!
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| Freitag, 2. Juli 2004Der Aufstand der Zeichen – Deutschland im Finale!
von Christoph Bieber
Nun ist es soweit – nach 30 Spielen, 76 Toren und 1070 Fouls steht das Finale der Euro 2004 fest: Qualifiziert haben sich zwei Teams, die sich nicht nur im Eröffnungsspiel, sondern gleich in mehreren Spielen der Gruppen- und K.O.-Phase begegnet sind. Nanu? Genau, die Rede ist hier nicht von den Nationalmannschaften, sondern von den Werksteams der fünf Sportartikelhersteller, die sich in Portugal zur großen Modemesse eingefunden haben und das Laufspiel auf den Laufsteg verlagern.
In den Stadien zwischen Faro/Loulé und Braga tobt somit auch ein Kampf der Zeichen: Im Finale treffen also – mal wieder – Streifen und Haken aufeinander, während die im Halbfinale favorisierten Schwünge unerwartet die Segel streichen mussten. Teile der Rauten hadern derweil noch immer mit den Entscheidungen von Urs Meier oder schicken Elfmeterflüche in den schwedischen Himmel, während die Pfeile wie schon so oft einer begeisternden Vorrunde nachtrauern.
Dass gerade die bislang kaum in Erscheinung getretene griechische adidas-Filiale bis ins Endspiel vordringt, verwundert Sportmodeschöpfer wie -kritiker. „Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass eine der großen Mannschaften weiterkommt“, wurde der Herzogenauracher Vorstandsvorsitzende Herbert Hainer noch vor kurzem in der FAZ zitiert. Große Mannschaften? Gemeint hatte er mit Frankreich, Spanien und, ja, Deutschland wohl eher die großen Märkte – die Rolle der gestreiften Neulinge aus Lettland war ohnehin anders definiert. Die frisch gebackenen EU-Mitglieder dienen dem Reich der Streifen als Vorposten im Baltikum mit Blickrichtung Ost-Nordost: in Richtung Ukraine, Russland oder sogar nach Skandinavien.
Während das Nike-Imperium immerhin noch eines seiner Flaggschiffe ins Finale steuern konnte (und dort auf eine ähnliche Performance wie im „Olé-Werbespot“ hofft), hat gerade Börsenliebling Puma kompletten Schiffbruch erlitten. Während sich Bulgaren und Schweizer ebenso kleinlaut wie erwartet nach der Vorrunde trollen mussten, war das Ausscheiden der hoch gewetteten Italiener ein gar nicht schicker Schock. Zu allem übel machten auch gleich zwei mit den anerkannten Szene-Klamotten bewährte Kicker als Speichelartisten auf sich aufmerksam – nicht die beste Form des „product placement“ für den kleineren Herzogenauracher Konzern.
Dass der ungeliebte große Bruder souverän die Untiefen des Turnier umschifft hat, liegt zum einen an den Griechen mit ihrem deutschen Verteidigungsbeauftragten, zum anderen an der seit jeher gewieften Vereinnahmungstaktik. Bei genauerem Hinsehen kann der vermeintliche Underdog nämlich mit einem symbolischen Vorteil ins Finale gehen – neben den in blau gewandeten Herausforderern läuft Referee Dr. Markus Merk (Kaiserslautern) in gestreifter Dienstkleidung auf den Platz.
Und: Selbst der wirklich entscheidende Finalteilnehmer blickt auf eine fränkische Vergangenheit zurück, wie sogar Bundespräsident Horst Köhler in seiner Antrittsrede bemerkte: „Der offizielle Ball der EM wird zwar in Asien produziert, sein aufwendiges Know-how stammt aber aus Deutschland und sichert bei uns auch Arbeitsplätze. Anders als sein bleischweres, vom Regen vollgesogenes Vorgängermodell beim Wunder von Bern hat der EM-Ball 2004 eine nahtlose Oberfläche: eine Spitzenleistung deutscher Materialforschung. Ein wasserdichter Ball, eine wasserdichte Idee, eine wasserdichte, branchenübergreifende Zusammenarbeit deutscher Firmen!“
Nun sind wir aber schon gespannt, wie gut die Zusammenarbeit zwischen Herzogenaurauch und Athen am Sonntag Abend funktioniert und ob es nicht doch noch zu einem finalen deutschen EM-Erfolg kommt.