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Jetzt fühlt sich das kleine Griechenland wie eine große Nation
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| Sonntag, 4. Juli 2004Vor dem Finale
Womit ist der Finaleinzug Griechenlands zu vergleichen? TspaS
Jetzt fühlt sich das kleine Griechenland wie eine große Nation
Peter Hess (FAS 4.7.) beobachtet die Vorfreude der Griechen: „Irgendwie erfuhren englische Kollegen von Reuters, dass die ach so vaterlandstreuen Griechen vor dem Halbfinale gegen Tschechien mit Streik gedroht hätten, weil ihnen die Erfolgsprämie zu niedrig vorkam. Von den knapp mehr als zehn Millionen Euro, die der griechische Verband von der Uefa für die EM-Teilnahme seiner Nationalelf erhält, wollen die Aktivisten 6,9 Millionen Euro haben und sich nicht wie vorgesehen mit 2,3 Millionen Euro abspeisen lassen. Nun, wie man weiß, traten die Griechen an und gewannen sogar. Es darf als gesichert gelten, dass es auch an diesem Sonntag nicht zu einem Arbeitskampf kommen wird. Der Einzug in das Finale hat in Griechenland eine nationale Begeisterung ausgelöst wie noch nie seit jenen Tagen des Zweiten Weltkrieges, als die Invasion der Nazis und Italiener endete. Tausende von Menschen zogen jubelnd durch die Straßen nach dem 1:0 im Halbfinale. „Griechen erhalten anders als Deutsche und Engländer nie das Gefühl, einer großen Nation anzugehören“, sagt Marianna Pyrgioti, Nachrichtenchefin eines Radiosenders. „Jetzt fühlt sich das kleine Griechenland wie eine große Nation.“ Die Feiern hätten etwas Nationalistisches, das weit über den Fußball hinausgehe. Eine Reaktion des kollektiven Unterbewußtseins. In Athen druckte die liberale Zeitung „Eleftherotypia“ die erste Strophe der Nationalhymne auf der Titelseite. Einige Zeitungen erschienen in den Nationalfarben auf der ersten Seite. Der griechische Kirchenführer Christodoulos gratulierte der Mannschaft und namentlich Rehhagel zu ihren Erfolgen. „Ihre Instruktionen waren ausgezeichnet. Ausschlaggebend war, dass Sie allen griechischen Spielern Disziplin, Mannschaftsgeist sowie systematische und methodische Arbeit eingehaucht haben.“ Damit ist der Kirchenführer zur selben Meinung gelangt, die Rehhagel von sich hat.“
Die nationale Karte sticht immer
Werden die Griechen ihre olympischen Spiele genauso euphorisch begleiten, wie die EM, Torsten Haselbauer (FAS 4.7.)? „Die griechische Nationalmannschaft ist für wirklich alle Hellenen in Griechenland, aber auch für die in der ganzen Welt verstreuten, ein glattes, leicht zu erfassendes Identifikationsmuster. „Ihr seid nicht nur elf, ihr seid elf Millionen“, steht unter dem griechischem Mannschaftsfoto auf einem Werbeplakat einer Telefongesellschaft. Die nationale Karte sticht immer! Jedes Kind kennt mittlerweile die Namen der dort abgebildeten Helden. Mit den knapp 12000 Sportlern jedoch, die in knapp sechs Wochen aus 201 Nationen zu den Olympischen Spielen nach Athen anreisen, weiß man in Griechenland indes noch recht wenig anzufangen. Sie sind Fremde, denen die Griechen zwar ihre klassische Gastfreundschaft in der Olympiastadt anbieten werden, aber sonst? Gerade deshalb läuft der olympische Kartenvorverkauf so überaus schleppend an. Und genau deshalb bezahlen griechische Fans mal eben rund 1000 Euro für einen Flug, eine Hotelunterkunft für zwei Nächte und ein Eintrittskarte für das Fußball-Endspiel in Lissabon – anstatt sich für nur zwölf Euro zum Beispiel ein Ticket für ein olympisches Baseballspiel zwischen Nicaragua und Japan zu ordern. Nicht wenige Griechen haben sich sogar extra einen Kleinkredit aufgenommen, um ans andere Ende von Europa zu fliegen. Die Olympischen Spiele vor der eigenen Haustür indes sind ihnen oft keine zehn Euro wert. Doch dies kann sich schnell ändern – sobald das erste Gold an Griechenland vergeben ist.“