Allgemein
Schön spielen können die anderen, gewinnen nur einer
Kommentare deaktiviert für Schön spielen können die anderen, gewinnen nur einer
| Dienstag, 6. Juli 2004„die Griechen haben weder unverschämtes Glück gehabt noch eine negative Attitüde an den Tag gelegt“ (SZ) / „schön spielen können die anderen, gewinnen nur einer“ (FAZ) / „die Griechen waren viel mehr als Betonmischer oder Barrikaden-Bauer“ (NZZ) / „die Griechen sind zwar keine Leichtathleten, aber eigentlich auch keine Fußballer“ (taz) u.v.m.
Portugal-Griechenland 0:1
Schön spielen können die anderen, gewinnen nur einer
Thomas Klemm (FAZ 6.7.) gratuliert: „Griechenland ist Europameister – alle Achtung. Der überraschende Titelgewinn des Teams und seines Trainers Otto Rehhagel verdient den allergrößten Respekt, der ihm von allen Seiten zuteil wird. In das Lob aus allen Ecken Europas mischt sich indes auch jene Kontrolliertheit, die auf dem Platz zum erfolgreichen Markenzeichen des neuen Titelträgers geworden ist. Die Komplimente erinnern an jene Huldigungen, die gewöhnlich deutschen Fußball-Nationalmannschaften im Erfolgsfall zuteil werden. Der historische Triumph Griechenlands, der eine deutsche Handschrift trägt, wird selbst von Otto Rehhagel auf deutsche Art gewürdigt: „Wunderbar diszipliniert“ – ein derart schwärmerisches Lob der Selbstkontrolle würde nicht vielen Fußballtrainern in Europa einfallen. (…) Es war der Triumph des Kopfes über das Herz, das aus Griechenland einen Europameister und aus Portugal einen Finalteilnehmer gemacht hat. Zwei Trainer, die von außen kamen, haben souverän die Mentaliäten ihrer Mannschaften ein gutes Stück verändert. (…) Ein fremder Fußball-Lehrer muß keinen Kulturschock hervorrufen, sondern kann die Vorzüge verschiedener Mentalitäten zu einer erfolgreichen Einheit verbinden. Schön spielen können die anderen, gewinnen nur einer.“
Luis Figo und Fernando Couto beobachteten die Pokalübergabe wie zwei Sicherheitsbeamte
Thomas Klemm (FAZ 6.7.) trocknet die Tränen der Portugiesen: „Der alte Mann weinte hemmungslos Er stand mitten auf dem Platz des Estádio da Luz zwischen zwei Polizisten, die den Pokal Henri Delaunay in den Händen hielten. Eusebio wollte nicht hinschauen, vergrub sein Gesicht in jenem weißen Frotteehandtuch, das er bei Länderspielen der portugiesischen Nationalmannschaft stets als Talisman mit sich trägt, und wischte sich die Tränen aus den Augen. 38 Jahre nachdem das Fußballidol mit der Selecção auf dem Weg ins Weltmeisterschaftsfinale 1966 von Gastgeber England aufgehalten worden und mit feuchten Augen vom Platz geschlichen war, waren Triumph und Trophäe wieder einmal in nächster Nähe so fern. Erstmals hatte eine portugiesische Nationalmannschaft das Endspiel eines großen Turniers erreicht, konnte die Fußballfestwochen aber nicht mit sportlichem Erfolg veredeln. Als die Tränen getrocknet waren und die portugiesische Schicksalsergebenheit sich ihre Bahn brach, vermischte sich die Trauer über das Verpaßte mit Stolz auf das Erreichte. „Ich glaube, der Schmerz nach dem Schlußpfiff wird bald übertroffen werden von dem Stolz auf unseren gesamten EM-Auftritt“, sagte Luis Figo. „Wir dürfen zuversichtlich nach vorne schauen.“ Kapitän Figo und Fernando Couto, beide Vertreter der sogenannten goldenen Generation, die seit dem Gewinn der Junioren-Weltmeisterschaft 1991 auf einen Titel wartet, beobachteten die Pokalübergabe wie zwei Sicherheitsbeamte, die dabeisein dürfen, aber nicht geladen sind: Die Hände auf dem Rücken, die Brust nach vorne gedrückt, den Kopf erhoben, blickten die beiden Altstars starren Blickes hinauf auf das Siegerpodest, wo sie selbst hinwollten. Ob sie einen neuen Anlauf nehmen werden oder wie ihr gleichaltriger Kollege Rui Costa ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklären, wollte keiner von beiden sagen.“
Die Griechen haben weder unverschämtes Glück gehabt noch eine negative Attitüde an den Tag gelegt
Christoph Biermanns Stimmung (SZ 6.7.) schwankt zwischen Enttäuschung und Respekt: „Am Titelgewinn der griechischen Mannschaft ist wenig auszusetzen, außer dass er falsch ist. Doch was daran falsch ist, dafür kann man Otto Rehhagel und die Seinen nicht bezichtigen. Sie haben Gastgeber Portugal zweimal, sowie Frankreich und Tschechien besiegt. In der K.o.-Runde haben sie keinen Gegentreffer hingenommen. Sie haben dabei weder unverschämtes Glück gehabt, noch eine negative Attitüde an den Tag gelegt. Kein griechischer Spieler mag ein großer Künstler des Fußballs sein, aber es gibt in diesem Team auch keine Rumpelfüßler. Sie haben das Halbfinale und das Endspiel nach Ecken bzw. Freistößen gewonnen, und gut ausgeführte Standardsituationen gehören zum Fußball wie die Kunst der Verteidigung. Die perfekt organisierte Defensive der Griechen zeigt, dass bei ihnen ein großer Taktiker auf der Bank gesessen hat. Otto Rehhagel hat die beschränkten Kräfte seiner Mannschaft auf schon fast geniale Weise kombiniert. Er hat Synergien hergestellt, würde man auf Neudeutsch sagen, oder: Das Ganze war größer als die einzelnen Teile. (…) Welt- und Europameisterschaften sollten eigentlich Feiertage des Fußballs sein und die Bühne, auf der sich die Besten zu den höchsten Höhen ihrer Kunst aufschwingen. Zidane und Beckham, Raúl und Figo zeigten jedoch nur Fragmente ihrer Kunst. Sie kamen müde, waren zu schnell verschwunden und das Publikum musste sich mit dem Rest begnügen, den Tapferen und den Ausgeruhten.“
Die Griechen waren viel mehr als Betonmischer oder Barrikaden-Bauer
Felix Reidhaar (NZZ 6.7.) fasst das Turnier Griechenlands zusammen: „Was wurde nicht alles geschrieben in den letzten Tagen und Wochen über die fast etwas vorwitzigen Emporkömmlinge der südosteuropäischen Balkanhalbinsel! Wie sie das Gastgeberteam gleich im Eröffnungsspiel auf die unhöfliche Art vor den Kopf stiessen, wie sie den Spaniern völlig entgegen dem Spielverlauf noch zwei Punkte stahlen und wie sie dann den kritischen Punkt auf der Schanze in die Viertelfinals gegen die Russen gerade noch ohne Sturz bewältigten (schon ein Tor mehr der Russen hätte den Spaniern zur Qualifikation gereicht), das hinterliess doch einen etwas schalen Beigeschmack. So richtig wollte man an die Wettbewerbsfähigkeit einer Mannschaft der „Namenlosen“ nicht glauben. Man musste sich, auch wir, eines Besseren belehren – oder besser einer Unterlassungssünde bezichtigen lassen. Denn wie oft an solchen Grossturnieren hat eine Gruppe, die von allem Anfang an Mut schöpfte und durch Erfolgsresultate Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewann, sich doch auf dieser Basis über ein Turnier hinweg regelmässig im Verbund gesteigert. So paradox es klingen mag angesichts des sensationellen Charakters, der Europameistertitel der Mannen aus dem Reich der Mythen hatte eben auch eine logische Komponente. Der etwas strapazierte Begriff der typischen Turniermannschaft trifft auf Otto Rehhagels Auswahl durchwegs zu. Sie wurde von Match zu Match kompakter, (selbst)sicherer, solidarischer und dann zunehmend frecher und wagemutiger mit Kontern. Der historische Vergleich mag etwas weither geholt sein, genau 4000 Jahre, als indogermanische Stämme in Griechenland einwanderten und sich mit mediterranen Völkern mischten, aber ein bisschen hilft er die von niemandem vorhergesagte Entwicklung der Hellenen erklären. Der germanische Taktiker, Defensiv-Stratege und Verfechter eiserner Disziplin mit Erfolgsausweis in kleineren (Bundesliga-)Klubs muss mit seiner Gestik so überzeugend gewirkt haben, dass es nicht ins Gewicht fiel, dass ihn sprachlich keiner richtig versteht. Wer auch immer auf dem Feld stand und sich bewegte, tat es wie nach per Funk übermittelter Anweisung. Zudem entlud sich die Energie von Griechen, eine weitere Anleihe in der Geschichte sei erlaubt, seit je nach aussen. Jetzt marschierten sie quasi als Kolonisten ans Westende des Kontinents und zogen dort als nicht ernst genommene Eroberer die hellblaue Flagge auf. (…) Die Griechen waren letztlich eben viel mehr als Betonmischer oder Barrikaden-Bauer; mit ihrem angeborenen technischen Können, dank den Temperament-“Blockern“ und erstaunlich ausgebildeter Athletik sowie dem ausgeprägten Organisationssinn spielten und hypnotisierten sie schliesslich zunehmend besser, am besten im Finale, mit dem dritten 1:0 und vor einer Kulisse, wie man sie so feurig, stimmungsvoll und laut selten zuvor erlebte – auch dank den tanzenden hellenischen Fans. Franzosen, Tschechen und Portugiesen, drei der spielerisch stärksten Teams der Welt, schienen hintereinander vor lauter Irritation die Beine gebunden.“
Keine Feldherrenstrenge, kein stilles Kaiserschreiten
Philipp Selldorf (SZ 6.7.) sonnt sich in Otto Rehhagels Weisheit: „Für einen Moment, der viele Minuten dauerte, wurde Otto Rehhagel wieder zum Kind. Er hüpfte in die Luft, als ob er auf den Spielplatz rennen würde; er ließ sich auf den Arm nehmen und hin und her wiegen wie ein Baby (wozu es naturgemäß zweier ausgewachsener Männer bedurfte, des Verteidigers Fyssas und des Mittelfeldkopfs Basinas); er ließ sich Huckepack tragen von den Fußballern, und er lief kreuz und quer und ziellos über den Rasen, als ob die Eltern ihn soeben vom Hausarrest befreit hätten. Was er unterließ: Er posierte nicht. Keine Feldherrenstrenge, kein stilles Kaiserschreiten. Otto Rehhagel war Otto Rehhagel. Erwachsen wurde er erst wieder, als er sich zur Goldmedaillenvergabe vor dem Siegerpodest in die Schlange seiner Spieler stellte. Da brachte er noch mit schnellen, eingeübten Handgriffen den verrutschten Scheitel in Ordnung wie ein Mann, der gleich beim Chef vorspricht. Dann gab’s ein Händeschütteln mit Uefa-Boss Lennart Johansson und eine Umarmung mit Portugals Alt-Idol Eusebio, dem er obendrein die Wange tätschelte – ein tröstendes Tätscheln von Otto Rehhagel, nach dem 1:0-Sieg gegen Portugal Europameister mit Griechenlands Nationalmannschaft. Kein einziger Mensch auf der Welt, weder der hinterwäldlerischste Hirte in den nordgriechischen Bergen noch der exzentrischste Mann in Großbritanniens Wettbüros, hätte vor Beginn des Turniers nur mit einem Funken Ernsthaftigkeit behauptet, dass Griechenland den Europawettstreit gewinnen könnte. Griechenlands bis dahin größter Erfolg im Fußball liegt fast so weit zurück wie die lehrreichen Spaziergänge des Philosophen Sokrates: der dritte Platz bei den Olympischen Spielen 1906. Der beste griechische Moment bei einer EM ist mehr als 24 Jahre her und ereignete sich 1980 in Turin: Hristos Ardizoglu traf den Pfosten beim 0:0 in der Begegnung mit Deutschland, dem späteren Europameister. (…) Als der Bus bereits zur Abfahrt hupte, hat Charisteas prophezeit, dass die Mannschaft von mindestens drei Millionen Menschen am Flughafen von Athen empfangen werde („da brauchen wir viel Security“). Rehhagel erlaubte sich, darüber zu lächeln: „In der Freude und in der Trauer übertreiben sie etwas – aber sie werden sich auch wieder beruhigen“, sagte er und erfreute sich an seiner großen Weisheit.“
Der Fussball ist im Gegensatz zur Politik in der Lage, alle Menschen zu vereinen
Mit Kritik an ihrer Spielweise gehen die Griechen genauso souverän um wie mit ihren Gegnern auf dem Platz – Peter B. Birrer (NZZ 6.7.): „Hinterher war in den Kommentaren in Bezug auf Griechenland von „Parasiten-Fussball“ („Público“) die Rede, britische Reporter sprachen von „ugly football“; generell soll es ein Rückschritt in vergangen geglaubte Zeiten sein. Nun, auch das Endspiel gewann keinen Schönheitspreis, weil zu sehr von griechischem Realismus und portugiesischer Verzweiflung geprägt. Die Turnier-Hierarchie war spätestens dann in Frage gestellt, als es zur Halbzeit immer noch 0:0 stand. EM-Sieger wird, wer in 300 Spielminuten gegen Frankreich, Tschechien und Portugal kein Tor erhält. Die Sieger zuckten danach in der düsteren Tiefgarage des Stadions mit den Schultern und wiesen nüchtern auf ihren Erfolg hin. (…) Besagtes Team, das erneut nur gewinnen konnte, blieb ruhig, hatte Ausdauer, strahlte Selbstsicherheit (Dellas) aus und behalf sich selten mit Fouls. Wer das miserable Gruppenspiel der Griechen gegen Russland gesehen hatte, hätte nicht einmal im kühnsten Traum daran gedacht, soeben den Europameister erlebt zu haben. Der Russland-Match war jedoch auch der einzige Match, in dem die Hellenen etwas zu verlieren hatten. Die Stunde des Triumphs war nicht zuletzt die Stunde des Otto Rehhagel. „Der Fussball ist im Gegensatz zur Politik in der Lage, alle Menschen zu vereinen“, sagte der 65-Jährige in Anspielung auf die ekstatischen Zustände in Griechenland. Mit dem Satz „Alle Menschen werden Brüder“ zitierte er Friedrich Schiller, im Wissen darum, dass „sich auch die Griechen wieder beruhigen werden“. Otto Rehhagel, von einem ZDF-Reporter auf Schritt und Tritt begleitet, leuchtete auch später noch wie eine eben erst aufgegangene Sonne.“
Die Griechen sind zwar keine Leichtathleten, aber eigentlich auch keine Fußballer
Matti Lieskes (taz 6.7.) Begeisterung stößt an Grenzen: “Die Griechen sind zwar keine Leichtathleten, aber eigentlich auch keine Fußballer. Zwar stehen die Besten von ihnen bei englischen, italienischen, spanischen oder deutschen Klubs unter Vertrag, doch zur Ausübung ihrer Tätigkeit kommen sie selten. Die meiste Zeit schmoren sie auf der Reservebank. Gewisse Attribute aus der leichtathletischen Zunft besitzen sie durchaus. Lasst lange Kerle um mich sein, lautet Rehhagels Devise, der es eher mit dem alten Fritz als dem der Dickleibigkeit verfallenen Julius Caesar hält, die Durchschnittsgröße der Mannschaft beträgt 1,87 m. Und affenschnell sind sie alle, vor allem die Abwehrspieler. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass Laufarbeit, Zweikampfverhalten, Kopfballstärke inzwischen die wesentlichen Elemente des Fußballs sind, nicht etwa fußballerische Brillanz und Kreativität, dann haben ihn die Griechen geliefert. (…) Tatsächlich ist der griechische Ottonaccio trotz Manndeckung und Libero gar nicht so altmodisch, wie er manchmal scheint. Mit seinen schnellen und aufmerksamen Abwehrspielern, den großartigen, auch offensivstarken Verteidigern Seitaridis und Fyssas, sowie dem raschen Aufrücken und Umschalten auf Angriff bei Ballgewinn erinnert das griechische Spiel an das System, welches etwa Juventus Turin pflegt. Gegen Frankreich waren die Griechen sogar eine Halbzeit lang das angriffsfreudigere Team, und die ballgewandten Tschechen und Portugiesen hatten auch andere Mannschaften wie England, Dänemark oder Holland weit in die Abwehr zurückgedrängt. Am Ende waren die Griechen der zwar sensationelle, aber im Grunde logische Gewinner dieser EM. Die Defensive hatte bei allen Teams, außer Tschechien und Bulgarien, absoluten Vorrang, die Griechen spielten sie so, wie die meisten anderen gern gespielt hätten. Im Angriff besaßen sie dank des Bremer Reservisten Charisteas und der unermüdlichen Antreiber Zagorakis und Karagounis die Fähigkeit, die nötigen Tore zu schießen, und das erforderliche Glück war in den wenigen brenzligen Situationen, die sie zuließen, auch auf ihrer Seite.“
Ganz unverheult
Die Portugiesen schauen wieder nach vorne. Christoph Biermann (SZ 6.7.): „Wie groß die Enttäuschung auch zunächst war, hatte man spüren können, als die griechische Mannschaft noch auf dem Rasen feierte. Die Party war trotzdem schon vorbei und Ränge fast leer, als die Sieger ihre Ehrenrunde drehten. Nach Hause aufgemacht hatten sich die portugiesischen Zuschauer oder standen auf den Gängen apathisch und etwas verlegen. Kaum einer sprach, die Blicke gingen aneinander vorbei und die Jubelgesänge aus der griechischen Kurve klangen hier wie das Geheul böser Geister. Auch Felipe Scolari kostete es sichtlich Mühe, über eine Niederlage zu sprechen, mit der kaum einer gerechnet hatte, und sein Pressesprecher übersetzte wie mit letzter Kraft nur leise wispernd. Es hätte also genug Anlass zum Wehklagen gegeben, doch am Tag danach hingen die grün-weiß roten Fähnchen immer noch stolz aus den Fenstern und flatterten an den Balkonen der Häuser. Warum hätte man sie auch einholen sollen? „Wir sind immerhin so weit gekommen, wie noch keine portugiesische Mannschaft zuvor“, hatte Cristiano Ronaldo gesagt, als er aus der Kabine kam. (…) Portugals Bester im Endspiel, Cristiano Ronaldo, ist erst 19 Jahre alt. Helder Postiga und Simao sind 21, das Innenverteidigerpaar Carvalho und Jorge Andrade ist 26 und hat ebenfalls noch etliche Jahre vor sich. „Auf Wiedersehen bei der WM 2006″, sagte Scolari zum Abschied. So gab es nachts auf den Straßen von Lissabon gar noch trotzige Freudenfeiern. Winzig waren sie im Vergleich zu den Eruptionen der vorangegangenen Spiele, doch wurden dabei die letzten Spuren von Fado und Saudade weggehupt. Und wenn es noch eines Zeichens bedurfte, dass in Portugal das Leben ganz unverheult weitergeht, war es am Montag auf den Titelseiten der Sportseiten zu sehen. Das verlorene Endspiel rutschte an den unteren Rand, weil die nächste Sensation schon auf dem Weg war. Der Hauptstadtklub Benfica Lissabon hat einen neuen Trainer verpflichtet. Der heißt Giovanni Trapattoni, und da gab es viel zu diskutieren.“
Matti Lieske (taz 6.7.) notiert Fehler Scolaris: “Gegen die spärlichen Attacken der Griechen eine Viererkette zu stellen, war die pure Verschwendung von Ressourcen, und warum Scolari den form- und nervenschwachen Stürmer Pauleta immer wieder aufstellte, weiß ohnehin nur er selbst. Ein Angriff mit Nuno Gomes und Helder Postiga als Spitzen und Anspielstationen in Strafraumnähe hätte die Griechen jedenfalls vor mehr Probleme gestellt und Räume für die dahinter agierenden Figo, Deco und Ronaldo öffnen können. Die Hilflosigkeit der Portugiesen lässt sich auch an der Statistik ablesen. Keine andere Mannschaft bei diesem Turnier hat so oft aufs Tor geschossen, keine andere aber auch so hochprozentig vorbei. Von 17 Schüssen im Finale kamen nur fünf aufs Tor. Noch jämmerlicher die Flankenbilanz. Meist aus dem Mittelfeld geschlagen, waren diese ein gefundenes Fressen für die langen Griechen, trotzdem versuchten es die Portugiesen immer wieder. Von 40 Flanken kamen ganze fünf an. Sechs von 17 lautete dagegen die Bilanz der Griechen. Erst mit Rui Costa wurde das portugiesische Spiel gefährlicher, doch seine Einwechslung in der 60. Minute kam zu spät. Das Gegentor kurz zuvor hatte Hektik und Übereifer ins Spiel einkehren lassen, was besonders deutlich wurde, als Costa sich glänzend zur Grundlinie durchspielte, den Ball mustergültig zum Elfmeterpunkt zurücklegte, die drei Angreifer Pauleta, Figo und Ronaldo aber geschlossen am Fünfmeterraum versammelt waren. ?Otto Rehhagel hat bewiesen, dass er definitiv ein besserer Trainer ist als der bereits vergötterte Scolari?, lautete das harsche Urteil der Zeitung Público über den eigenen Coach. Kratzen wird das den sturköpfigen Brasilianer wenig, und los werden ihn die Portugiesen sobald auch nicht. Nach dem Halbfinale hatte Scolari seinen Vertrag bis zur WM verlängert, was mächtig bejubelt wurde im Lande. Aber da glaubte Portugal ja auch noch fest an den Titel.““