indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Rehhagel im Rollstuhl

Oliver Fritsch | Donnerstag, 8. Juli 2004 Kommentare deaktiviert für Rehhagel im Rollstuhl

Herr Rehhagel hat mir gesagt, daß er nicht mit dem Rollstuhl ins Stadion fahren wolle

Wer gewinnt das Tauziehen um Otto Rehhagel, Michael Horeni (FAZ 8.7.)? „Das deutsch-griechische Geschacher um Otto Rehhagel hat offiziell begonnen. „Mit diesen Erfolgen, die er in Deutschland und jetzt mit der griechischen Nationalmannschaft hatte, kommt man an ihm nicht vorbei“, sagte Franz Beckenbauer, der mit Rehhagel schon Kontakt aufgenommen hat. Der OK-Chef und inoffizielle Chef der sogenannten Trainerfindungskommission, im Jargon kurz „TFK“ genannt, schloß sich damit wieder einmal den populistischen Tendenzen von „Bild“ an, die Rehhagel schon seit Tagen zum einzig möglichen Retter des deutschen Fußballs verklärt. Beckenbauer benannte den neuesten Wunschkandidaten im Münchner Olympiastadion, wo sich die Weltmeister von 1974 zum Wiedersehen trafen. Damals besaß Rehhagel schon seit zwei Jahren die Fußballehrer-Lizenz; aber ob der erfahrenste aller Kandidaten tatsächlich die ihm angetragene Position antreten will, liegt nun dem Anschein nach alleine an ihm. Der griechische Verband ist entschlossen, um seinen Europameister zu kämpfen – oder zumindest eine Ablösesumme herauszuschlagen. „Es ist kein Thema, daß er uns verläßt. Mich interessiert nicht das Szenario, daß der DFB uns womöglich um eine Freigabe bittet. An dieses Szenario denke ich nicht. Herr Rehhagel wird noch zwei Jahre in Griechenland bleiben“, sagte Präsident Vassilis Gagatsis am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Athen. Dabei bestätigte er auch, daß der 65 Jahre alte Essener seinen Vertrag nicht bis zur EM 2008 verlängert hat: „Herr Rehhagel hat mir wörtlich gesagt, daß er nicht mit dem Rollstuhl ins Stadion fahren wolle, und das Angebot abgelehnt.““

Sie sind doch auch nur Lehrer geworden, damit Sie das letzte Wort behalten!

Im Grauton zeichnen Alfred Behr & Michael Horeni (FAZ/Politik 8.7.) ein Bild Mayer-Vorfelders: „Als er vor drei Jahren zum Präsidenten des DFB gewählt wurde, fuhr Gerhard Mayer-Vorfelder ein Ergebnis ein, wie es einst nur kommunistischen Machthabern vergönnt war. Von den 255 Delegierten auf dem DFB-Bundestag wagte es nur ein Einziger, aus der Fußball-Einheitsfront auszubrechen und ein Votum gegen den einzigen Präsidentschaftskandidaten abzugeben. Das Ergebnis von 99,75 Prozent hatte mit dem öffentlichen Bild Mayer-Vorfelders allerdings ungefähr soviel zu tun, wie die reale Lage im Ostblock mit den dortigen Wahlergebnissen. In diesen Tagen nähern sich die Stimmen und Stimmung innerhalb des Sechs-Millionen-Verbandes allerdings der Wirklichkeit an. Die Mehrheit hat Mayer-Vorfelder nun auch innerhalb des DFB gegen sich, während man von Sympathiewerten im Fußball-Land schon gar nicht mehr reden mag. Eine Umfrage des Nachrichtensenders N-TV ermittelte einen Unbeliebtheitswert von mehr als 96 Prozent – und auch in allen anderen Umfragen im Land rangiert der wankende DFB-Präsident im tiefen Keller. In Radiosendungen wird sein zur Verballhornung einladender Doppelname in allen möglichen, aber immer unehrenhaften Varianten unters Volk gebracht. Spott und Widerstand, wenn auch nicht in diesem Maß, ist der Fußballfunktionär Mayer-Vorfelder seit Jahrzehnten gewohnt. (…) Als er unter Lothar Späth Kultusminister wurde, brachte er die Linken in Harnisch mit der Bemerkung, es könne nicht schaden, wenn die Schüler nicht nur die dritte, sondern alle drei Strophen des Deutschlandliedes auswendig lernten. 1987 forderte die SPD – nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Male – seinen Rücktritt, nachdem er gesagt hatte, die Chaoten in Berlin, in der Hamburger Hafenstraße und in Wackersdorf sprängen „schlimmer herum als die SA jemals“. Daß er die kleinen Dorfschulen im Südwesten gerettet, die Hauptschulen aufgewertet und die unselige Mengenlehre in der Grundschule als erster Kultusminister abgeschafft hat, geriet darüber in den Hintergrund. Mit den Lehrern hat sich der Kultusminister Mayer-Vorfelder überworfen, wo es ihm nur möglich war. Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft war außer sich, als der Minister einem GEW-Kreisvorsitzenden vorhielt: „Sie sind doch auch nur Lehrer geworden, damit Sie das letzte Wort behalten!““

Stefan Osterhaus (BLZ 8.7.) lacht über die TFK: „Natürlich hat der DFB einen folgenschweren Fehler begangen. Er hat eine Findungskommission gegründet, die den Bundestrainer erspähen soll. Das klingt zwar gründlich, ist es aber nicht. Richtiger wäre gewesen, zunächst einen Spähtrupp zu rekrutieren, der erst einmal die Finder auf Gemüt und Sachverstand prüft. Denn was soll am Ende dieser Suche, den Gesetzen der DFB-Logik folgend, schon stehen? Eben: der Adlertrainer Otto Rehhagel, der Deutschland zum Turkmenistan erklärt und sich dann mit seinen elf kleinen Freunden bei der WM 2006 im eigenen Land mindestens bis ins Endspiel elfmeterschießt. Doch das alles ist kein Grund, „in Sack und Asche zu verfallen“ (Günter Netzer) und zu glauben, das Problem der Kandidatenfindung hätte man exklusiv. Ein Blick gen Westen zeigt, dass es auch dort wild zugeht. Hatten nicht die Besonnenen aus der Berliner Republik den Fußball-Weisen Guus Hiddink als Auswahltrainer gefordert? Einen Holländer? Jawohl! Und was geschieht im Flachland jenseits der Grenze? Dort debattiert man seit Dick Advocaats Rücktritt über: Otto Rehhagel und Rudolf Völler.“

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

104 queries. 0,512 seconds.