Ball und Buchstabe
Die Behauptungen sind frei erfunden, die Fotos getürkt
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| Donnerstag, 22. Juli 2004alle rügen die Bild-Zeitung, auch die Bild-Zeitung selbst, für die Berichterstattung über Oliver Kahns Privatleben (SZ, FAZ)
Die Behauptungen sind frei erfunden, die Fotos getürkt
Nicht nur Uli Hoeneß verdammt die Berichterstattung der Bild-Zeitung über Oliver Kahns Privatleben, auch Philipp Selldorf (SZ/Medien 21.7.): „Die Wut des Managers entzündete sich an Fotos aus Kahns Privatleben, die Bild am Sonntag und tags darauf Bild als Dokumente des Comebacks der Kahn-Geliebten Verena K. veröffentlicht hatten. Die Aufnahmen der Blätter aus der Axel Springer AG zeigen Kahn beim Verlassen seiner Wohnung in Grünwald und seien am Freitagmorgen entstanden, hieß es in dem Enthüllungsartikel der Bams, der die Überschrift trug: „Erst Liebesnacht, dann Scheidungsschlacht“ – der Nationaltorwart wird demnächst von seiner Frau Simone geschieden. Dabei hatte Kahn die Nacht überhaupt nicht in München verbracht – und war deswegen dort auch nicht mit seiner Freundin Verena zusammengetroffen. Weshalb logischerweise auch keine heimlichen Bilder entstanden sein können. Torwart Kahn, den die Boulevardpresse „Titan“ nennt, machte stattdessen, was er am allerliebsten tut – er spielte Golf. Und für seine Widerlegung der Bams- und Bild-Geschichte konnte er den allerbesten Kronzeugen anführen: Den Sportchef der Bild-Zeitung Alfred Draxler, der wie Kahn zu den erlesenen Gästen eines von Franz Beckenbauer höchstpersönlich verantworteten Golf-Turniers in Bad Griesbach gehört. Draxler wohnte mitsamt seiner Frau im selben Hotel wie Kahn („Maximilian“) und traf ihn dort zum Plausch im Frühstückssaal. Man tauschte sich über die Misere der Nationalmannschaft aus und über das Problem, einen neuen Bundestrainer zu finden. Griesbach statt Grünwald, das war die Wahrheit. Weitere Zeugen für Kahns Golf-Alibi: ein ehemaliger Bundestrainer (Erich Ribbeck), ein Schlagersänger (Howard Carpendale) und ein Schauspieler (Sascha Hehn).“War Liebesnacht frei erfunden? Hetzjagd auf Kahn“, schlagzeilte das Münchner Boulevardblatt tz. Nun bekamen die Springer-Blätter am Dienstag ein gewaltiges Problem. Oliver Kahn fasste es prägnant in eine durchaus hämische Presseerklärung: „Die Behauptungen sind frei erfunden, die Fotos getürkt beziehungsweise recycelt… Im übrigen werde ich es nicht mehr hinnehmen, dass meine Privatsphäre derart grob verletzt wird, wie dies Bild am Sonntag und Bild getan haben – unabhängig davon, dass ihre Geschichten frei erfunden waren.“ In der Zeitungszentrale in Hamburg am Axel-Springer-Platz wurde recht schnell reagiert. Claus Strunz, Chefredakteur von Bild am Sonntag, schickte eine Presseinformation durch die Republik, die einem Ablasszettel gleich kam. Darin bat der Journalist den Torwart Kahn „öffentlich um Entschuldigung für eine falsche Berichterstattung in der Ausgabe vom 18. Juli 2004″. Die Story habe auf Agenturfotos basiert, die der Zeitung „mit falschen Zeit- und Datumsangaben“ angeboten wurden. Es habe sich erst später herausgestellt, dass Bild am Sonntag „trotz Quellenprüfung und vorliegender eidesstattlicher Versicherung des Fotografen offenbar einem vorsätzlichen Betrug aufgesessen ist“. Die Zeitung erstatte deshalb gegen den betreffenden Fotografen Strafanzeige. „Wir haben einen schweren Fehler gemacht“, schreibt Strunz: „Der Leidtragende ist Oliver Kahn und dies bedauern wir sehr.“ Die Berichte in der BamS und in der Montags-Bild verschwanden am Dienstagnachmittag aus dem Online-Angebot der Springer-Blätter.“
Lange psychologische Fernanalysen ohne neue Fakten
Stefan Niggemeier (FAZ/Medien 22.7.) ergänzt: „Es geht um mehr als eine peinliche Panne. In Springers Pressemitteilung, die gestern in Bild abgedruckt wurde, findet sich der Satz: „Alfred Draxler war an der Veröffentlichung nicht beteiligt.“ Die mangelhafte Berichterstattung geschah nicht unter seiner Verantwortung, sondern der von Martin Heidemanns, dem für Unterhaltung zuständigen Mitglied der Chefredaktion. Heidemanns ist der wohl meistgefürchtete Zeitungsmann Deutschlands. Seine Methode, Prominente zur Not auch durch massiven Druck zur Zusammenarbeit mit Bild zu bringen, ist berüchtigt – allerdings immer weniger erfolgreich. Einige Betroffene haben sich öffentlich über die Versuche der „Erpressung“ beklagt, andere wie Herbert Grönemeyer, Stefan Raab, Anke Engelke und die Popgruppe „Wir sind Helden“ weigern sich häufig oder grundsätzlich, mit Bild zusammenzuarbeiten. Heidemanns und seine Methoden sind auch intern umstritten, insbesondere seit sich abzeichnet, daß der Zeitung der exklusive Zugang zu vielen Prominenten der ersten Kategorie verlorengeht, was von Bild-Leuten inzwischen als ernstes Problem wahrgenommen wird. Das Dilemma wird an der Berichterstattung der vergangenen Tage deutlich. Das Protokoll über das Lichtan- und -ausgeknipse in der Wohnung kam nicht zuletzt deshalb ins Blatt, weil offenkundig weder Oliver Kahn noch Verena der Bild-Zeitung Auskünfte geben wollten, Simone Kahn ließ nur einige dünne Statements über ihren Vertrauten ausrichten. Bild mußte Statements der Beteiligten aus anderen Boulevardzeitungen zitieren und füllte die Seiten mit langen psychologischen Fernanalysen ohne neue Fakten.“
Rosa Papier
In Italien am Strand
ein Bedürfnis, ungalant
in der schatt’gen Pinienflucht
finde ich, was ich gesucht.
Rosa liegt Papier im Klo
Doch nicht flauschig oder so
Eine Zeitung ist’s anstatt
Also les ich Blatt um Blatt.
Zwanzig Seiten Fussball pur
Transfer, Trainer, Tore nur
Wer mit wem und wann und wo
Der sagt Si, der andre No
Täglich Lärm um Ball und Star
Morgen ist dann nichts mehr wahr
Fussballwahnsinn in vier Wort’:
La Gazzetta dello Sport.
Wolfgang Bortlik (NZZaS 18.7.)