Bundesliga
Magath kann mehr, aber er hat sich entschieden, den Feldwebel zu geben
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| Mittwoch, 4. August 2004„Felix Magath kann mehr, aber er hat sich entschieden, den Feldwebel zu geben“ (SpOn) – in Kaiserslautern scheint man wieder in Ruhe arbeiten zu können (FAZ) – der SC Freiburg vor einer schweren Saison? (SpOn) u.v.m.
Magath kann mehr, aber er hat sich entschieden, den Feldwebel zu geben
Was lässt Felix Magath seine Spieler üben, Thomas Hüetlin (Spiegel Online)? „Hochsprünge mit Acht-Kilo-Hanteln. Seilhüpfen auf einem Bein. Höhepunkt und später landesweit Symbol der Schinderei: blaue Medizinbälle. Damit der Befehlston zu den Geräten passt, hat Magath einen Mann als Konditionstrainer mitgebracht, der über eine sechsjährige Berufserfahrung bei den Gebirgsjägern verfügt. Sein Name: Werner Leuthard. Als Roque Santa Cruz, jener Stürmer, der nicht nur wie ein Popstar aussieht, sondern auch bei einem Rocksong mitwirkt, die Sache mit den Hochsprüngen und Acht-Kilo-Hanteln etwas ruhiger angeht, steht Leuthard sofort hinter ihm und brüllt: „Zack, zack, dein Arsch bleibt gefälligst unten.“ Und dann an die Zuschauer gewandt: „Zack, zack, das versteht ein jeder.“ Der Himmel darüber leuchtet bayerisch dunkelblau, darunter, am Spielfeldrand, strahlen die Gesichter des Publikums. Sie freuen sich daran, dass die Jung-Millionäre wie bei der Bundeswehr gedrillt werden, und die Leser der Boulevardzeitungen freuen sich mit. Was nur wie eine Schinderei aussieht, wirkt wie eine Marketingaktion. Der FC Bayern München, vor zwei Jahren zum „weißen Ballett“ hochgeschrieben, wird in den Wochen dieser Saisonvorbereitung als Kompanie von Fußballsoldaten verkauft. Dabei freudig bedient durch eine Boulevardpresse, die Magath „Quälix“ taufte und ihn dauernd neue, vermeintliche Foltereien erfinden lässt: Auf den „Berg des Schreckens“ folgt der „Zirkel des Horrors“. Gefallen äußern aber auch die Chefs des über Jahrzehnte bestgeführten Clubs der Liga. Dass da einer „die Mannschaft wieder zum Laufen bringt“, allen voran Franz Beckenbauer: „Das war doch alles ein Krampf in den letzten zwei Jahren.“ Und Karl-Heinz Rummenigge assistiert dichtend: „Die Spieler sind eifrig und willig, deshalb macht uns Felix glücklich.“ Im Verein und bei den Bayern-Fans hat sich in den letzten beiden Jahren ein Groll gegen die verwöhnten Männer aufgestaut, und den soll der neue Trainer abbauen, indem er den Spielern beibringt, dass Muskelkater keine ansteckende Krankheit ist. Magath kann mehr, aber er hat sich entschieden, den Feldwebel zu geben und seine Ballkünstler Fußball arbeiten zu lassen. Bei den Fans macht man sich damit beliebt, so füllt ein Trainer sein Imagekonto, und das kann helfen in schwierigen Zeiten. Und bei den Spielern? Auf dem Gipfel des Wallbergs, bei der zweiten Besteigung, erschöpfte, aber glückliche Gesichter.“
Innerhalb von sieben Wochen hat eine Trend- und Imagewende stattgefunden
Wird der 1. FC Kaiserslautern seriös, Roland Zorn (FAZ 5.8.)? „Ruhe, bitte! Beim 1. FC Kaiserslautern haben sie genug von all den Aufregungen, Affären und Turbulenzen, die diesen Traditionsverein in den vergangenen zwei Jahren ins Schleudern und bis an den Rand des sportlichen Abgrunds gebracht haben. René C. Jäggi, der erste Sanierer und Vorstandsvorsitzende des viermaligen deutschen Meisters, will sein Leben in der Pfalz endlich auch genießen dürfen und sieht dafür so gute Voraussetzungen wie nie, seit der schweizerische Geschäftsmann im Herbst 2002 den wirtschaftlich ramponierten und sportlich angeschlagenen Klub wieder auf die Beine zu stellen begann. Ein Balanceakt, der in der vergangenen Saison fast zum Abstieg geführt hätte und damit erst noch zum Stand kommen muß. Immerhin hat Jäggi in den letzten Wochen erfreut registriert, daß ihn so mancher FCK-Fan am kleinsten Bundesliga-Standort schon fragte, „ob sich der Verein aufgelöst hat“. Zur Beruhigung aller an das Dauergetöse vom Betzenberg gewöhnten Fußballfreunde in der Westpfalz: Der 1. FC Kaiserslautern lebt und hofft sogar in aller neuen Bescheidenheit auf eine kleine Blüte in der kommenden Saison. „Innerhalb von sieben Wochen“, sagt Jäggi, „hat hier eine fast nicht nachvollziehbare Trend- und Imagewende stattgefunden.“ Zuerst war da die Rettung vor dem Abstieg am letzten Spieltag, danach die Totalrenovierung einer Mannschaft, die mit neun zügig verpflichteten neuen Kräften frisch ans Werk geht, und schließlich atmeten rund um den Klub alle tief durch, daß die Zeit der Intrigen, Verdächtigungen und manchmal schon recht üblen Nachreden vorläufig vorbei scheint. Somit hat Jäggi ein Zwischenziel seines Wiederaufbauprojekts erreicht: Der Verein präsentiert sich jetzt so selbstbewußt, wie sich das der wuchtige und zunehmend entspannt auftretende Baseler schon lange gewünscht hat.“
Immer öfter stumpfer Chauvinismus
Den SC Freiburg sagen viele Experten eine schwere Saison voraus – Christoph Ruf (Spiegel Online): „Während das Mittelfeld überdurchschnittlich stark besetzt ist und sich nicht nur der für seine 21 Jahre schon sehr starke Sascha Riether weiter steigern dürfte, bereitet der Sturm Sorgen. Zu Alexander Iashvili, der oft die Übersicht vermissen lässt und für die Defensive kaum etwas beizutragen vermag, wird es wohl auch in dieser Saison keine Alternative geben. Die katastrophale Auswärtsbilanz der vorigen Spielzeit – 5 Punkte bei 10:43 Toren, nur Absteiger Köln war schlechter – lässt sich allerdings nicht primär an der Leistung einzelner Mannschaftsteile festmachen. Es gab an schlechten Tagen zu viele im Freiburger Team, die jedes Risiko scheuten und sich hinter ihrer vermeintlich mannschaftstaktischen Aufgabe versteckten. Ob es nicht doch an selbstbewussten Individualisten mangele, fragt sich daher so mancher im Verein. Da der Club schuldenfrei ist und Jahr für Jahr bescheidene Überschüsse erwirtschaftet, wundern sich viele Fans zudem, warum nicht einmal punktuelle Verstärkungen finanzierbar sein sollen. „Wir bräuchten dafür eben nicht ein bis zwei, sondern sechs bis acht Millionen Euro“, rechnet Finke vor. Schließlich müssten die Gehälter aller Leistungsträger angehoben werden, wenn man einen Topmann hole. Karlsruhe und Mönchengladbach sind Finke warnende Beispiele. Diese Clubs mit ihren solitären Millionären Thomas Häßler und Stefan Effenberg hätten, so Finke, gezeigt, „dass man alles kaputtmacht, wenn man einen heraushebt“. Zwar zahlt der neue Hauptsponsor des SC Freiburg insgesamt drei Millionen Euro pro Jahr und damit etwa 50 Prozent mehr als der Vorgänger, doch bei einer Auslastung des 25.000 Zuschauer fassenden Dreisamstadions von 94 Prozent seien nennenswerte Wachstumsraten bei den Einnahmen eben nicht zu erzielen. Und einen Neubau hält man beim SC unisono für utopisch. Immerhin hat die Spielstätte seit dieser Saison einen neuen Namen. Ein lokales Energieunternehmen engagiert sich. Doch viele Fans sind sauer. Zu den rationaleren Argumenten gehört dabei der Einwand, man habe das Dreisamstadion für ein Linsengericht verkauft. Die Schätzungen über das, was der Namenssponsor pro Jahr beisteuert, liegen zwischen 500.000 und einer Million Euro. Dass sich Kommerzkritik in Freiburg, wo die Grölvorlage „Badnerlied“ vor jedem Spiel durch die Boxen wabert, immer öfter mit stumpfem Chauvinismus paart, erschreckt die Verantwortlichen allerdings nicht das erste Mal. Die Umbenennung des Stadions wird auffallend oft in einem Atemzug mit der angeblich zu hohen Anzahl ausländischer Spieler verdammt.“
Die Saison beginnt, und Mathias Klappenbach (Tsp 5.8.) reibt sich die Hände: „Wenn das beherrschende Thema die Frage ist, wie denn der Torschützenkönig Ailton bei Schalke zurechtkommen wird, müsste man Angst um die Liga bekommen. Aber das System funktioniert, trotz oder gerade wegen der schwachen Leistungen der Nationalelf und des katastrophalen Abschneidens der Vereine in den internationalen Wettbewerben der vergangenen Saison. Nie haben die Klubs so viel durch die Werbung auf ihren Trikots eingenommen (99 Millionen Euro), nie wurden so viele Dauerkarten (337 800) verkauft wie vor dieser Spielzeit. Die Bundesliga hat mehr Zuschauer als die Ligen in England, Spanien und Italien. Trotz dieser Mehreinnahmen und der erstmals seit der Kirch-Krise wieder leicht ansteigenden Fernsehgelder sind die insgesamt mit 670 Millionen Euro verschuldeten Vereine immer noch dabei, ihre vor der Insolvenz von Kirch entstandenen Kostenstrukturen zurückzufahren. Nur bei einem Viertel der 120 Spielerwechsel wurde eine Ablöseseumme gezahlt. Die neuen Stars sind die fertig gestellten Arenen wie in Mönchengladbach oder Berlin, sie machen einen Teil des sportlich nicht so leicht zu erklärenden Booms aus. Und ins Dortmunder Westfalenstadion gehen sowieso immer 80 000 Menschen.“
Grund zum Optimismus
Egal, was passieren wird, Christian Zaschke (SZ 5.8.) wird Berichtenswertes finden: „So viel Zuschauer wie nie strömen in all die renovierten und neu gebauten Stadien, und sie werden eine erstaunliche Saison erleben, in der fünf Mannschaften Deutscher Meister werden, zehn Mannschaften sich für europäische Wettbewerbe qualifizieren und keiner absteigt. So viel Optimismus wie vor dieser Saison herrschte nie. Noch ahnt niemand, dass sich der Neu-Schalker Ailton am dritten Spieltag fürchterlich mit Trainer Heynckes verkracht. Die Wettbüros haben schon wieder Recht: HSV-Trainer Klaus Toppmöller fliegt als erster raus. Wie so oft steigen zwei der drei Aufsteiger einfach wieder ab, sechs bis sieben Mannschaften spielen gegen den Abstieg, darunter einige, von denen das niemand vermutet hätte. Der FC Bayern wird nach frühem Höhenflug („Das goldene Ballett“) unsanft landen („Gold allein macht nicht glücklich“), und Borussia Dortmund geht pleite und meldet sich vom Spielbetrieb ab. Was sie wirklich bringt, diese 42. Bundesliga-Saison, wissen natürlich nur der sog. Fußball-Gott und Max Merkel, der seit etwa 600 Jahren voraussagt, wie die Saison verläuft. Im vergangenen Jahr prophezeite er, dass der FC Bayern Deutscher Meister wird. In diesem Jahr prophezeit er, dass der FC Bayern Meister wird, für alle anderen sieht er ziemlich schwarz. Es besteht also wirklich Grund zum Optimismus.“