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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Über dem Hals war ich stärker als drunter

Oliver Fritsch | Donnerstag, 5. August 2004 Kommentare deaktiviert für Über dem Hals war ich stärker als drunter

Christoph Biermann (SZ 5.8.) spricht mit Jürgen Klopp

SZ: Die Lust auf Fußball, die Lust aufs Laufen und Kämpfen, verkünden Sie mit so unablässiger Begeisterung, dass man meinen könnte, sie hätten eine Mission.
JK: Um Himmels Willen, nein! Es geht dabei nur um uns. Wir wollen auf dem Rasen alles einsetzen, was uns zur Verfügung steht. Wenn man so will, arbeiten wir die Stammtischparolen ab.
SZ: Wie bitte?
JK: Die einzige Daseinsberechtigung für Fußball ist doch das Interesse der Leute, und dem sollte man gerecht werden. Wenn einer bei uns aus dem Stadion geht und sagt: „Aber kämpfen hätten sie schon können“, haben wir alles falsch gemacht.
SZ: Daher folgt Jürgen Klopp den Forderungen des Stammtisches und tritt den Scheiß-Millionären richtig in den Arsch?
JK: Nein, bei uns gibt es sowieso keine Millionäre. Außerdem glaube ich an das Gute im Menschen und dass die meisten Spieler leistungsbereit sind, egal wie viel sie verdient haben. Ich bin halt Optimist, mein Glas ist immer halb voll.
SZ: Der Stammtisch geht außerdem davon aus, dass sich in der Bundesliga nur gierige und faule Abzocker tummeln. Ist Mainz die heile Welt?
JK: Nein, wir glauben nur, dass es in unserem speziellen Fall einen Zusammenhang zwischen Spielweise und Erfolg gibt. Leidenschaft und Engagement sind unsere Basis, alles andere ist Beiwerk. Wir wollen ständig präsent sein, nie abschalten und sofort die Chance im Angriff suchen. Unser Spiel basiert auf einem extrem ballorientierten Verteidigen, wenn wir am Ball sind hingegen auf äußerster Flexibilität. Deshalb spielen wir mit drei Spitzen, nur einem defensiven Mittelfeldspieler und wollen beim Abschluss sechs Mann dabei haben.
SZ: Mainz wird also unter großem Applaus mit fliegenden Fahnen untergehen.
JK: Nein, wir gehen nur in jedes Spiel, um es zu gewinnen, so werden wir schon beim ersten Spiel in Stuttgart antreten. Uns soll man anmerken, dass Fußball ein geniales Spiel ist. Mir macht es jedenfalls unheimlich Spaß, obwohl ich das Wort zu umgehen versuche.
SZ: Warum?
JK: Weil darin ein Missverständnis liegt. Wir spielen nicht aus Spaß, sondern um Erfolg zu haben. Wir werden in dieser Liga keinen bezahlten Urlaub machen.
SZ: Gibt es ein Team, das Ihr Ideal von Fußball verkörpert?
JK: Nein, aber es ist kein Geheimnis, dass ich dem englischen Fußball wohlgesonnen bin. Das Tempo hat mir immer gefallen und die Ehrlichkeit, dass man auf dem Rasen nur liegen bleibt, wenn man operiert werden muss. Ich hatte schon als Spieler das Gefühl, dass ich da besser hingepasst hätte.
SZ: Was würde der Trainer Klopp dem Spieler Klopp heute beibringen?
JK: Nichts, denn Fußball habe ich schon recht früh verstanden, ich konnte es nur nicht umsetzen. Über dem Hals war ich stärker als drunter.

Ich habe jetzt das beste Verhältnis zu meinem Vater, was ich je hatte
Heike Faller (Zeit 5.8.) holt im Gespräch mal was anderes aus Felix Magath raus

Zeit: Herr Magath, ich wollte eigentlich mit Leuten in Ihrer Heimatstadt Aschaffenburg reden. In der Hoffnung, etwas zu erfahren, das über das hinausgeht, was sowieso schon alle über Sie wissen.
FM: Da gibt’s nix. Reden Sie am besten mit mir. Dann erfahren Sie am meisten.
Zeit: Na gut.
FM: Ich sehe keinen Grund, mich zu verstellen. Ich bin normal. Meine Ambitionen sind ehrenvoll, denke ich. Ich habe Glück gehabt, viel Glück gehabt in meinem Leben.
Zeit: In Zeitungsartikeln über Sie taucht immer dieser Nebensatz auf: „…der Sohn eines amerikanischen Besatzungssoldaten.“
FM: Dass mein Vater und meine Mutter aus unterschiedlichen Kulturen kommen und nie zusammengelebt haben, das hat sicher einen Einfluss gehabt auf meine Persönlichkeit.
Zeit: Ihr Vater ging nach Puerto Rico zurück, als Sie ein Kleinkind waren, 1954 war das.
FM: Ich kann mich nicht erinnern, dass mich das in meiner Kindheit so stark beschäftigt hätte. Wichtiger war der Tod meiner Großmutter, als ich sechs war und nach der Schule in den Knabenhort musste. Aber das alles habe ich, wahrscheinlich wegen meines karibischen Vaters, gelassen verarbeitet. Es ist auch nicht so, dass ich eine schwere Kindheit gehabt hätte. Im Gegenteil: Ich habe eine wunderbare Kindheit gehabt. Und heute bin ich glücklich darüber, wie sich die Dinge entwickelt haben.
Zeit: Sie haben ihren Vater später kennen gelernt?
FM: Ich habe ihn wiedergesehen, da war ich so 15 oder 16, da kam er nach Aschaffenburg, um uns zu besuchen. Man hat sich gefreut, ihn mal kennen zu lernen. Aber da war natürlich die Hürde, dass er wenig Deutsch gesprochen hat und ich wenig Englisch, sodass ich kaum mit ihm reden konnte.
Zeit: Hat er Sie da auch Fußball spielen gesehen? Zu der Zeit waren Sie ja schon ein Wunderkind beim TV Aschaffenburg, ein hoch begabter Mittelfeldspieler.
FM: Ja, bestimmt hat er mich spielen sehen. Denn ich habe ja damals immer Fußball gespielt.
Zeit: Hat er sich dann dazu geäußert, dass aus seinem Sohn ein so vielversprechender Fußballer geworden war?
FM: Später dann. Er hat natürlich meinen Werdegang verfolgt, und irgendwann hat er auch mitgekriegt, dass ich Nationalspieler geworden bin. Ich habe jetzt das beste Verhältnis zu meinem Vater, was ich je hatte. Als Kind hatte ich gar kein Verhältnis, als Jugendlicher war’s so là, là, und in den letzten Jahren habe ich ihn in jeder Sommerpause für drei, vier Wochen besucht. Und während der Saison verfolgt er alles übers Internet. Er ist jetzt 76, und wahrscheinlich sitzt er da mit dem Wörterbuch vor seinem Computer und liest deutsche Sportzeitungen. Aber ich weiß nicht, ob er das richtig einschätzen kann. Für ihn gibt es vor allem die Sportarten Baseball, Football, Basketball.
Zeit: Wenn Sie also, mal küchenpsychologisch betrachtet, Ihren Vater mit Fußball auf sich aufmerksam hätten machen wollen, dann wäre es die falsche Sportart gewesen?
FM: Ja. Mit Fußball hatte er eigentlich nichts am Hut.
(…)
Zeit: Stuttgart lag Ihnen zu Füßen, Ihre Frau und drei Ihrer Kinder leben dort. Sie hätten dort auch ohne Titel jahrelang in Ruhe weiterarbeiten können.
FM: In dem Moment, als Rummenigge mich angerufen hat, war für mich klar, dass ich gehe. Es gab keine Überlegung. Der FC Bayern ist so, wie ich mir einen Verein vorstelle. Die Ansprüche sind die, die ich auch habe. Der FC Bayern München sagt: Wir wollen jedes Jahr drei Titel. Mehr nicht.
Zeit: Wieso sind drei Titel eigentlich erstrebenswerter als ein angenehmes Arbeiten in Stuttgart, mit einer jungen kreativen Mannschaft, mit der Sie nicht jedes Spiel gewinnen müssen?
FM: Weil ich Sportler bin. Ich bin ja kein Freizeitsportler, der das macht, um gesund zu bleiben. Ein Profi will immer gewinnen.
Zeit: Schon mal überlegt, was passiert, wenn alle Wünsche in Erfüllung gehen?
FM: Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis ich satt bin. Sollte ich mal nicht mehr gierig sein nach Titeln, dann müsste ich Bayern verlassen, vielleicht zu einem ausländischen Spitzenclub.
Zeit: Und wenn Sie scheitern, haben Sie auch darüber nachgedacht?
FM: Ich bin immer noch überzeugt, dass ich den Weg kenne, mit dem man Europapokalsieger werden kann.

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