indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Bei der Trainersuche haben sich DFB und DFL präsentiert wie ein Karnickelzuchtverein

Oliver Fritsch | Sonntag, 8. August 2004 Kommentare deaktiviert für Bei der Trainersuche haben sich DFB und DFL präsentiert wie ein Karnickelzuchtverein

Rudi Assauer teilt erneut aus in alle Richtungen aus (WamS) – Christian Ziege im FAS-Interview
Thorsten Jungholt (WamS 8.8.) spricht mit Rudi Assauer, der erneut in viele Richtungen austeilt

Wams: Leverkusens Reiner Calmund hat aufgehört, Sie sind 60, auch Münchens Uli Hoeneß denkt laut über seinen Rückzug nach. Dafür rücken junge Führungskräfte nach, für die ein Fußballverein nichts anderes als ein beliebiges Wirtschaftsunternehmen ist. Gehen der Liga die Manager mit Stallgeruch aus?
RA: Absolut. Es kommen zu viele Leute in die Branche, die das Geschäft nicht von der Pike auf gelernt haben. Man muss nicht Fußball gespielt haben. Aber man muss wissen, was auf dem Rasen, in der Kabine, in einer Mannschaft abgeht. Das ist ein anderes Know-how, als es diese jungen Burschen haben, die ein Studium abgeschlossen haben, aber zu wenig vom Kerngeschäft wissen. Natürlich sind wir Wirtschaftsunternehmen – aber nicht nur. Im Fußball hast du es mit Menschen zu tun, die dir den totalen Erfolg oder Misserfolg bringen, die einmal pro Woche, samstags um 15.30 Uhr, funktionieren müssen, vor 50 000 Zuschauern und Millionen vor dem TV, dabei aber von elf anderen gestört werden. Die bekämpfen sich, um die Frage zu klären: Wer ist der Bessere? Diesen Termin kann ich von meiner Sekretärin nicht verlegen lassen.
Wams: Es braucht also mehr Stallgeruch und weniger Nadelstreifen?
RA: Ja, die alte Generation stirbt aus, es bleiben Nadelstreifenträger, die tolle Zertifikate haben, aber nicht wissen, was einen Spieler bewegt. Am Ende wird dabei herauskommen, dass die Trainer allein das Sagen haben im sportlichen Bereich. Die jungen Trainer haben das erkannt und versuchen schon, immer mehr Einfluss in den Vereinsgremien zu gewinnen. Doch das ist gefährlich, das würde ich nie zulassen.
Wams: Warum nicht?
RA: Wenn der Erfolg nicht da ist, geht ein Trainer zum nächsten Klub. Dann kommt der nächste und hat wieder einen völlig neuen Plan, es gibt keine langfristige Strategie mehr. Der Trainer darf nicht allmächtig sein.
Wams: Auch der DFB hat seinen neuen Bundestrainer mit viel Macht ausgestattet. Warum stehen Sie der Lösung mit Klinsmann, Bierhoff und Löw so kritisch gegenüber?
RA: Klinsmann hat bis heute nix trainiert. Bierhoff hat nix trainiert und gemanagt. Und Löw hat sicher Erfahrung, ist aber nur Assistent. Diese drei sollen den deutschen Fußball nach vorne bringen? Da fehlt mir der Glaube.
Wams: Die DFL hält Ihre Kommentare für wenig hilfreich. Ligapräsident Werner Hackmann möchte, dass bei solchen Themen „nicht jeder seinen Senf dazugibt“, sondern die DFL reden lässt. Werden Sie sich daran halten?
RA: Herr Hackman soll sich an die eigene Nase packen. Er mischt sich ja auch bei uns ein, mit Anmerkungen zu unserem Anleihemodell. Nein, ich nehme nichts zurück. Es kann ja passieren, dass ein Rudi Völler zurücktritt. Aber danach hätten sich die Würdenträger von DFB und DFL hinsetzen und sagen müssen: In den nächsten vier bis sechs Wochen werden wir eine Entscheidung über den Nachfolger treffen. Dazwischen gibt es keine Wasserstandsmeldungen. Aber das konnten sie nicht, vor allem der Franz Beckenbauer hat jeden Tag einen neuen Namen ins Spiel gebracht. Und keiner hat sich getraut zu sagen: Jetzt halt doch endlich mal den Mund, du machst alle verrückt.
Wams: Immerhin konnte er seinen Wunschkandidaten Lothar Matthäus nicht durchdrücken.
RA: Der wäre natürlich das Nonplusultra gewesen. Dann hätte Schalke die Lizenzspielermannschaft aus der Bundesliga abgezogen und in Holland angemeldet. Nein, auch wenn vieles unvorhersehbar war: Bei der Trainersuche haben sich DFB und DFL präsentiert wie ein Karnickelzuchtverein.
Wams: Obwohl in Hackmann und Gerhard Mayer-Vorfelder zwei erfahrene Ex-Politiker an der Spitze stehen.
RA: Die kommen aber nur alle zehn Jahre in die Verlegenheit, einen Trainer suchen zu müssen. Es gehören keine Politiker an die Spitze, sondern Profis. Warum keine ehemaligen Bundesligamanager? Vielleicht weil die nicht so gut Strippen ziehen können. Man muss Leute installieren, die mehr von der Materie verstehen, so wie Frankreich mit Platini. Aber anstatt den Wasserkopf abzuschlagen, ist bei uns sogar noch diese unsägliche Doppelspitze installiert worden. Das ist auch so ein fauler Kompromiss.

Michael Ashelm (FAS 8.8.) spricht mit Christian Ziege über den Unterschied zwischen Deutschland und England

FAS: Was können Sie aus Ihrem reichen Erfahrungsfundus in Gladbach einbringen?
CZ: Was meine Auslandserfahrung angeht, unterscheiden sich nicht viele Dinge vom deutschen Fußball. Fußball auf dem Platz ist doch meistens sehr ähnlich. Der große Unterschied zu England ist einfach, daß der Fußball dort schneller und härter ist. Durch die offene Führung des Schiedsrichters auf dem Platz gehen härtere Aktionen öfters durch. Da muß ich mich hier in der Bundesliga noch umstellen.
FAS: Man kann auch sagen: Die englischen Profis sind nicht so wehleidig.
CZ: Wenn man in England nach einem Foul liegenbleibt und ein großes Affentheater macht, obwohl man zwei Minuten später wieder aufstehen und weiterspielen kann, dann hat man das ganze Stadion gegen sich. Das ist eine gewisse Erziehung der Fans gegenüber den Spielern. Wenn du liegenbleibst, dann muß schon das Bein gebrochen sein.
FAS: Fehlt den deutschen Spielern dieser Ehrgeiz?
CZ: Mir hat das sehr gut gefallen in England. Diese Schwalbenkönige, die sich tausendmal drehen und fallen, die gibt es auf der Insel ganz wenig. Ich würde mir von der Schiedsrichterführung eines Spiels wünschen, daß es hier auch so wäre in der Bundesliga.

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

104 queries. 0,550 seconds.