Bundesliga
Der Saisonstart scheint Bestätigungen geliefert zu haben
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| Montag, 9. August 2004Kommentare zum 1. Spieltag – Reiner Calmund erhält von den Bayer-Fans den „Oscar fürs Lebenswerk“ – das Krisen-Management in Bremen u.v.m.
Schon viel passiert am ersten Spieltag – Rainer Seele (FAZ 9.8.): „Die erste Fußball-Klasse, um die es erst einmal Nacht wurde, präsentierte sich im grellen Sonnenlicht wie eine Wundertüte – sie enthielt eine Reihe Überraschungen, die natürlich nicht jedem gefielen, sondern auch manchem auf den Magen schlugen. Den Pfälzern oder den Dortmundern beispielsweise, die – trotz neuer sportlicher Führung – im alten Trott weitermachten, gemessen jedenfalls am Resultat. Noch aber scheinen sich Aufregung und Ärger über Unzulänglichkeiten in Grenzen zu halten, weil frühe Patzer sich als reparable Pannen darstellen. Die wirklichen Qualitätsfragen werden erst noch gestellt werden – wenn die Hitze ein bißchen nachgelassen hat und frischere Luft die Atmosphäre in den Stadien prägt. Immerhin scheint der Saisonstart doch gewisse Bestätigungen geliefert zu haben. Etwa jene, daß die beiden vermeintlich besten Mannschaften der Liga, Meister Werder Bremen und Rekordmeister Bayern München, über die notwendige Stabilität und die Qualität verfügen, um ein strapaziöses Jahr auf hohem Niveau meistern zu können.“
Die Bayern haben eine vielseitigere, lebendigere, stärkere Mannschaft als im Vorjahr
Ist der FC Bayern schon auf Meisterkurs, Philipp Selldorf (SZ 9.8.)? „Für die Behauptung, dass die Bayern-Profis am 21. Mai 2005 den Inhalt absurd großer Weißbierflaschen über ihren Trainer kippen und anschließend im Konfetti baden werden, finden sich genügend Argumente, obwohl die Partie beim HSV keine Offenbarung von Genie und Schönheit war. Doch sie bot die Anhaltspunkte, um zu sagen: Die Bayern haben dank Lucio, Görlitz, Frings und Hashemian eine vielseitigere, lebendigere, stärkere Mannschaft als im Vorjahr und ihr gutes Einkaufsgeld nicht verschwendet (…) Schwieriger als zu erklären, warum Bayern vermutlich Meister wird, ist es, Argumente zu sammeln, warum sie’s nicht werden sollten. Und noch schwieriger scheint es, sie bei der Konkurrenz zu finden. Da ist zuerst Werder Bremen, nach Auffassung von Trainer Schaaf besser besetzt als im Meisterjahr. Stimmt das? Vielleicht, aber die Bremer erwartet diesmal die Mühsal der Champions League, und es besteht Anlass zur Sorge, dass einige Spieler, Micoud etwa, Probleme bekommen könnten, wieder die Klasse der vergangenen Spielzeit zu erreichen. Schalke, Leverkusen, Stuttgart? Besitzen Qualität, aber zu viele Schwachpunkte. Dortmund? Nicht der Rede wert, um es höflich zu formulieren. Es sieht also nicht gut aus für die, die den FC Bayern nicht leiden können. Ihnen bleibt aber die Hoffnung, dass die Champions League ein wenig Schadenfreude bietet.“
Oscar-Verleihung fürs Lebenswerk
Eine letzte große Leverkusener Bühne für Reiner Calmund – Jörg Stratmann (FAZ 9.8.): „In Leverkusen müssen sie ihre neuen Bedingungen erst noch ordnen, unter denen der Klub die Zukunft angehen will. Insgesamt werden sie sich als Team noch finden müssen, dessen Star Lucio, der in zähen Spielen die Kollegen stets mitzureißen versuchte, nun für München verteidigt. Auch die Klubführung versucht nun, ohne volkstümlichen Kopf zu arbeiten. Dabei merkte Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser im Stadion, daß er am Erbe seines früheren Kollegen noch schwer tragen wird. Als er Reiner Calmund vor dem Spiel verabschiedete, inszenierte das dankbare Publikum eine Oscar-Verleihung fürs Lebenswerk und pfiff gleichzeitig auf Holzhäuser. Auch daran wird nur sportlicher Erfolg etwas ändern können.“
Erik Eggers (Tsp 9.8.) wirft ein: „Seltsam nur, dass der Bayer-Sportbeauftragte Meinolf Sprink die Ehrung von der Tribüne aus verfolgte. Und dass das Stadionheft erst im hinteren Teil auf Calmund einging. Calmund selbst hatte zuvor in einem Fernsehtalk gesagt, dass gezielte Indiskretionen aus dem Klub sein Image beschädigen sollten. Damit spielte er auf eine kürzlich veröffentlichte Geschichte an, in der Calmund unterstellt wurde, er habe sich bei Transfers bereichert. Ein Beweis dafür fehlt.“
Jörg Marwedel (SZ 9.8.) kommentiert das Krisen-Management im Weserstadion: „Irgendwann haben sie den roten Teppich, auf dem eigentlich Werner Hackmann, der Präsident der DFL ein paar feierliche Worte zur Eröffnung der Saison 2004/2005 sprechen sollte, diskret fortgeschafft. Den kleinen Jungen und Mädchen, die in den Trikots der 18 Klubs mit auf den Rasen laufen sollten, hatte man beigebracht, dass es nichts würde mit ihrem schönen Auftritt, weshalb bei einigen die Tränen flossen. Und als gegen Mitternacht, die Saisonpremiere war gerade eine halbe Stunde vorüber, Wilfried Straub vor die Vertreter der Medien trat, fühlte man sich unwillkürlich an Red Adair erinnert, den legendären amerikanischen Brandbekämpfer. Jedenfalls wirkte der erste Geschäftsführer der DFL nicht nur abgekämpft, sondern auch ziemlich zufrieden mit sich und dem Krisenstab – als habe man soeben eine der größten Katastrophen in der Geschichte des deutschen Fußballs abgewendet. „Wir haben“, sagte Straub mit Schweißperlen auf der Stirn, „einen guten Job gemacht da oben in der Regiezentrale.“ Dann fügte er an: „Wir waren in jeder Phase Herr unserer Entscheidungen.“ Letzteres schien dann doch ein bisschen übertrieben, denn es fehlten, wie Straub selbst kurz darauf einräumte, wegen eines Stromausfalls genau zwei Minuten, dann hätten er oder die Polizei das erste Spiel der Saison abgesagt und 42 109 Menschen nach Hause geschickt, bevor es endgültig dunkel wurde. Gerade noch rechtzeitig schien dann zumindest das Flutlicht mit dem Notstromaggregat gewährleistet zu sein. „Die Sicherheit der Zuschauer“, sagte Straub, „hatte Primat. Wir hätten das Stadion nicht bei Nacht und Nebel ohne Licht entleeren können.“ Was war passiert, dass kurz vor dem geplanten Anpfiff das Weserstadion zu einem Ort des Notstands wurde und Millionen Fernsehzuschauer verwundert vor den Bildschirmen saßen und in der ARD Filmkonserven vorgesetzt bekamen? Die exakte Antwort gab es erst am Samstag. Eine der vielen zehntausend Muffen im 6000 Kilometer langen Stromnetz der Hansestadt hatte, so eine Sprecherin des Energieversorgers swb Norvia, „den Geist aufgegeben“ und einen Kurzschluss ausgelöst. So kam es, dass die in ihren Statuten auf fast alle Wechselfälle des Fußballlebens vorbereiteten Funktionäre plötzlich vor einem ganz neuen Fall standen, der sie prompt in Konflikte trieb. Zwar wies Straub vehement die Vermutung zurück, man habe auf Intervention der zahlungskräftigen Partner ARD und Premiere den Anpfiff immer wieder hinausgeschoben, doch genau dieser Eindruck drängte sich während hektischer Beratungen mit den TV-Vertretern auf.“