Internationaler Fußball
Muss man vom Himmel fallen, um in Porto ein Training zu leiten?!
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| Montag, 9. August 2004Luigi Del Neri beim Champions-League-Sieger FC Porto schon wieder entlassen – Asien-Cup, Japan und China giften sich an
Ja, muss man denn vom Himmel fallen, um in Porto ein Training zu leiten?!
Luigi Del Neri ist kaum in Porto – und schon entlassen. Birgit Schönau (SZ 9.8.) wundert sich: „So schnell, so knapp vor Saisonbeginn hat wohl noch nie ein Traditionsverein einen neuen Coach gefeuert. „In der Nacht zu Samstag bin ich um ein Uhr in Porto gelandet. Im Flughafen rief mich der Präsident an: Ich solle sofort in die Geschäftstelle kommen. Merkwürdige Uhrzeit für ein Zusammentreffen, habe ich noch gedacht. Um drei Uhr hatte ich verstanden warum, im Morgengrauen war ich arbeitslos.“ Wegen Unpünktlichkeit, was den disziplinversessenen Del Neri („Scheißvorwand“) besonders wurmt. Unpünktlich er, der eiserne Nussknacker aus dem Friaul! „Mein Flugzeug hatte Verspätung, es gab technische Probleme. Ja, muss man denn vom Himmel fallen, um in Porto ein Training zu leiten?!“ Nach Portos Tournee durch Nordamerika hatte der Cheftrainer zwei Tage freigenommen, um in Italien den Umzug nach Portugal vorzubereiten. Für Del Neri, der durch den Triumphzug des winzigen Vorortklubs einer Provinzstadt, Chievo Verona, von der Serie B zum wochenlangen Spitzenreiter der Serie A und einer Uefa-Cup-Qualifikation auch international bekannt geworden war, ist die Abfuhr ein Desaster. Jetzt bringt ihn Portos Präsident Pinto da Costa um die Krönung der Karriere. „Wenn ich mich abgeregt habe, erfahrt ihr meine Version. Von wegen unpünktlich.“ Die alte Spieler-Garde von Vorgänger Mourinho habe gegen den Italiener intrigiert, mutmaßten am Sonntag die italienischen Zeitungen. Del Neris Spielsystem habe die Portugiesen nicht überzeugt, die wohl, so höhnte die Gazzetta, einen Hohepriester des Catenaccio erwartet hätten, „so einer ist ja im Grunde genommen auch Mourinho. Aber in Porto mussten sie entdecken, dass es italienische Trainer gibt, die linkeren Fußball spielen als die Holländer in den 70er Jahren.““
Georg Bucher (NZZ 9.8.) fügt hinzu: „Auch wenn einige Medien die Trennung als einvernehmlich bezeichnen, stimmte die Chemie offenbar schon länger nicht mehr. Nach der Zeitung A Bola wirkte del Neri nach der Entlassung verbittert und versprach, in Kürze „einige Dinge zu erzählen“. Laut italienischen Gazetten hatte er mehrmals unentschuldigt im Training gefehlt, die Zäsur somit selber provoziert. Dass die Dimension eines europäischen Spitzenklubs, der die Stadt Porto, die metropolitane Region und weite Teile der nördlichen Provinzen in Bewegung hält, den erdverbundenen Norditaliener überfordert hat, ist der einleuchtendste Grund für die Trennung; allfällige disziplinarische Probleme wären dann eine Folge von Missbehagen gewesen. Und anders als in den Lissabonner Traditionsklubs ist Disziplin in Porto ein Wert an sich. Nur wer sich einordnet und den rigiden Verhaltenskodex befolgt, findet vor dem fast omnipotenten Präsidenten Pinto da Costa und seinen Adlaten Gnade. Freilich hatte del Neri als Nachfolger des Motivationskünstlers José Mourinho a priori einen schweren Stand. Die Aura des jetzigen Chelsea- Trainers wird auch über dem nächsten Mann wie ein Damoklesschwert hängen.“
Japan besiegt China im Endspiel der Asien-Meisterschaft. Im Unfeld kam es zu Feindlichkeiten. Zhou Derong (FAZ 9.8.) beleuchtet die Ursachen: „Das Klima war schon mal besser. In den achtziger Jahren zum Beispiel, als sich China zu öffnen begann, war Japan der wichtigste und auch willkommene Investor. Die chinesische Elektroindustrie etwa, die heute für die Welt Fernseher und DVD-Spieler produziert, ist ohne den technischen Transfer aus Japan undenkbar. Zudem ist China bis 2003 das Land gewesen, das die meisten günstigen Kredite von Japan bekommen hat. Erst in den neunziger Jahren begann sich der Wind allmählich zu drehen. Und auf einmal schien es mit der Freundschaft vorbei zu sein, sosehr sich beide Seiten auch dazu bekennen. Für die Veränderung gibt es einen zwingenden Grund: den rasanten Aufstieg Chinas. Ein starker Nachbar an sich ist für Japan kein Problem gewesen – mit Südkorea kommt man prima klar, auch wenn es hin und wieder Verstimmungen gegeben hat. Aber ein starker Nachbar, in dem ein unberechenbares Ein-Partei-System herrscht, bereitet den Japanern großes Unbehagen. Hinzu kommt, daß sie nach der langen Rezession zur Zeit nicht gerade mit Selbstbewußtsein gesegnet sind. Peking andererseits pflegt zwar tagaus, tagein den sogenannten „friedlichen Aufstieg“ zu propagieren. Aber zwischen den Zeilen sagt man dem Volk zu Hause: Wir haben diese und jene „Ungerechtigkeiten“ nur deshalb runtergeschluckt, weil wir noch nicht stark genug sind. Es kommt aber die Zeit, wo alle Rechnungen beglichen werden. Und in diesem Kontext kommt nun die Vergangenheit ins Spiel. Die chinesische Geschichtsschreibung geht von einer Kollektivschuld der Japaner am pazifischen Krieg aus. Die Japaner sind eher der Ansicht, daß sie nur eine Mitschuld an dem pazifischen Krieg trügen. Dies ist für die Chinesen als Opfer untragbar, da ihnen die kommunistische Propaganda jahrzehntelang eingehämmert hat, Schuld trügen allein die japanischen militaristischen Imperialisten. Nun wollten diese undankbaren Japaner sich nicht einmal dafür entschuldigen, nachdem das großzügige chinesische Volk ganz auf die Kriegsreparationen verzichtet hat.“
Ein taz-Bericht vom Endspiel (Japan-China 3:1)
Europas Wochenende: Ergebnisse, Tabellen NZZ