Interview
Wir hatten das falsche Vorbild
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| Mittwoch, 11. August 2004Markus Hesselmann & Markus Huber (TspaS 8.8.) plaudern mit Hans Krankl
TspaS: Länderspiele gewinnt Österreich zurzeit nicht viele. Sie stecken in der Krise wie der deutsche Fußball.
HK: Das liegt daran, dass wir uns in den letzten 25 Jahren nur an Deutschland, an unserem großen Bruder, orientiert haben. In der Fußballausbildung, in der Trainerausbildung, im Training. Das war falsch, weil auch Deutschland falsch lag. Es ging nur noch um Kraft, um Kondition. Dabei haben wir die Technik und die Schnelligkeit ganz vergessen. Genau das, exzellente Technik bei größter Schnelligkeit, zeichnet aber die großen Spieler aus – einen Zidane, van Nistelrooy oder Thierry Henry. Das haben sie in Deutschland verschlafen, und wir haben es mitverschlafen. Weil wir das falsche Vorbild hatten.
TspaS: Österreich hatte mal eine Fußballschule, die gerade für ihre Technik bekannt war.
HK: Wir haben uns einfach wirklich immer nur an den Deutschen gemessen. Schon als Spieler haben mir meine Trainer immer gesagt: Wir Österreicher sind die besseren Kicker, und wenn wir auch so rennen und kämpfen könnten wie die Piefkes, dann würden wir sie immer schlagen. Aber das ist ein handfester Blödsinn. Erstens können wir Österreicher kämpfen, und zweitens hatten auch die Deutschen großartige Fußballer.
TspaS: Rudi Völler zum Beispiel?
HK: Zum Beispiel Rudi Völler.
TspaS: Genau wie Sie wurde er als Nationalheld auch Teamchef. Haben es Weltklassefußballer als Trainer eigentlich leichter?
HK: Leute wie wir werden vor allem aus einem Grund geholt, weil man sich Impulse erhofft und uns einen notwendigen Umbau einer Mannschaft leichter zutraut. Wir haben in der Öffentlichkeit mehr Rechte oder können zumindest länger arbeiten, bevor wir kritisiert werden.
TspaS: Aber gerade als Nationalheiliger können Sie umso tiefer fallen. Warum tun Sie sich das an?
HK: Für einen österreichischen Spieler habe ich alles erreicht. Aber als Trainer? Da habe ich gar nix erreicht, und genau deswegen habe ich da auch noch einen hohen Ehrgeiz. Ich bin jetzt 15 Jahre Trainer und habe mit vier großen Vereinen gearbeitet – Tirol, Salzburg, Rapid Wien und Admira Mödling – Meister war ich nie. Genau das halten mir auch meine Kritiker vor: Dass ich als ehemaliger Weltklassefußballer kein Weltklassetrainer bin. Aber was ist das schon, ein Weltklassetrainer? Wenn ich jetzt bei Barca, Arsenal oder Chelsea wäre – okay, sie würden mich nicht nehmen… Aber mit diesen Mannschaften könnte ich auch Erfolg haben. Binnen sechs Monaten würde ich als einer der besten Trainer Europas gelten. Außer ich bin ein ganzer Trottel, der ich aber nicht bin. Einem Thierry Henry bei Arsenal werde ich nicht das Fußballspielen beibringen, das muss ich auch nicht, aber ich halte ihn bei Laune. Und dann spielt der wie von selbst.
TspaS: Ist es denn die Hauptaufgabe eines Trainers, die Spieler bei Laune zu halten?
HK: Natürlich muss ich denen die taktischen Aufgaben mitgeben. Was passiert, wenn wir den Ball verlieren? Natürlich muss man den Spielern ein Konzept mitgeben. Aber bei so einem großen Kader einer Supermannschaft ist es wichtig, die Spieler zu motivieren.
TspaS: Der Schmäh also, wieder mal. Man muss den Schmäh laufen lassen, dann läuft es auch auf dem Platz?
HK: Ich nenne Ihnen ein Beispiel, damit das verständlich wird. Als ich bei Fortuna Köln zum ersten Training gekommen bin, sind alle Spieler beim Corner zusammengestanden und haben sich nicht gerührt. Keiner hat einen Ball angegriffen. Ich habe gedacht: Gut, okay, wenn ein neuer Trainer kommt, ist das vielleicht so. Aber sie standen einfach da und haben kein Wort geredet. Erst als ich gepfiffen habe, sind sie hergekommen. Das ist kein Spaß. Das ist Ernst. Ich habe dann gesagt: „Hallo meine Herren, ist etwas passiert? Ist wer gestorben?“ Sie haben mich nicht verstanden, weil ich sofort in den Wiener Dialekt verfallen bin. Ich also nochmal: „Ist ir-gend-wer ge-stor-ben? Weil Ihr alle so traurig seid’s.“ Verstehen Sie mich? Fußball ist so ernst. Beim Fußball wird man so geprügelt. Fußball ist so ein Geschäft geworden. Es stehen alle so unter Stress. Selbst wenn ich heute mit der österreichischen Nationalmannschaft nicht gewinne, bin ich ein Arsch. Und wenn wir gewinnen, bin ich ein Hero. Trotzdem sind alle Beteiligten Menschen. Sie müssen Spaß haben. Dann können sie Leistung bringen.