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Champions League

Wir haben etwas gutzumachen

Oliver Fritsch | Mittwoch, 11. August 2004 Kommentare deaktiviert für Wir haben etwas gutzumachen

„Bayer hat in Europa etwas gutzumachen“, schreibt Richard Leipold (FAZ 11.8.): “Nach siebzehn Monaten ohne Europapokal steht die Leverkusener Mannschaft nicht nur der Finanzen wegen in der Pflicht; die Qualifikation ermöglichte der Bayer 04 Fußball Leverkusen GmbH einen zweistelligen Millionenumsatz in Euro, der bei Überstehen der Gruppenspiele dynamisch wachsen würde. Aber es geht auch ums Prestige. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser sieht die Chance, durch ein Weiterkommen gegen Ostrau das Renommee der Fußballmarke Bayer 04 wieder auf das Maß früherer Jahre zu steigern. „Wir haben etwas gutzumachen, bei unserem letzten Auftritt haben wir keinen guten Eindruck hinterlassen.“ Nicht nur Holzhäuser erinnert sich mit Grausen an die rufschädigenden Leistungen der Mannschaft vor zwei Jahren. In der Bundesliga tief gefallen und in höchster Abstiegsgefahr, hatte Bayer in der zu jener Zeit noch ausgetragenen zweiten Gruppenrunde ein jämmerliches Bild abgegeben. Die Leverkusener verloren alle sechs Spiele; spätestens als sie den Einzug ins Viertelfinale rechnerisch verpaßt hatten, schonten sie ihre Kräfte für den Abstiegskampf – und machten nicht gerade Werbung für den wichtigsten kontinentalen Wettbewerb, den sie inzwischen wieder voller Stolz in Angriff nehmen. Vor zwei Jahren, als Bayer in sportliche Turbulenzen geriet, die fast zum Absturz geführt hätten, begann auch der Stern Reiner Calmunds zu sinken, der als Leverkusener Urgestein untrennbar mit Bayer 04 verbunden schien und den Klub nicht nur nach den Maßstäben des nüchternen Pragmatikers Holzhäuser allzu selbstherrlich führte. Als eine Art komödiantisches Vorprogramm zum Ernstfall Champions-League-Qualifikation führen Bayers nunmehr alleiniger Fußballgeschäftsführer und sein früherer Kompagnon Calmund seit ein paar Tagen ein Zweipersonenstück auf. Holzhäuser bekundete in mehreren Interviews, wie froh er sei, daß sein Kollege zurückgetreten sei. „Reiner Calmund jetzt hier zu haben wäre kontraproduktiv“. Holzhäuser gefällt es nicht, daß der einstige Manager noch gelegentlich auf der Geschäftsstelle vorbeischaut und dort offenbar in seiner bekannten Art Mitarbeiter, zuweilen auch Journalisten unterhält.““

Calmund wäre nicht der erste einflussreiche Mann, der die Angst vor einem Bedeutungsverlust spürt

Christoph Biermann (SZ 11.8.) befasst sich mit dem Konflikt zwischen Holzhäuser und Calmund: „Anstatt über die sportlichen Aussichten im Hinspiel zu debattieren, wird der Klub derzeit sein Gespenst Calmund nicht los. Daher will Holzhäuser die Diskussion durch Schweigen trocken legen. „Wir haben genug dazu gesagt, das ist jetzt ein Cut“, sagt er, „seit Samstag um 17.17 Uhr hat die Neuzeit begonnen.“ Am Samstag um 17.17 Uhr war in der BayArena das erste Spiel der neuen Saison abgepfiffen worden, das mit einer würdevollen Verabschiedung des ehemaligen Managers begonnen hatte. Als Holzhäuser dabei Calmund ein Luxushandy überreichte, war er ausgepfiffen worden. Nicht gellend zwar, aber unüberhörbar. Da dürfte ihm klar geworden sein, dass um Calmund eine Art Dolchstoßlegende entstanden ist. Zwar hat Calmund „hundertmal gesagt, dass der Holzi mit meinem Rücktritt nichts zu tun hat“, andererseits ließ er Gelegenheiten zu kleinen Sticheleien nicht aus. In einer Talk-Sendung des DSF etwa verriet er, dass es in Leverkusen „einen 1A- und einen 1B-Geschäftsführer“ gegeben habe. Was beim Publikum das Gefühl zurückließ, dass 1A-Calmund von 1B-Holzhäuser aus dem Amt gedrängt worden ist. Holzhäuser hielt sich ebenfalls nicht nur vornehm zurück. Im Kölner Stadt-Anzeiger sagte er: „Ich bin froh, dass Calmund nicht da ist.“ Wer das im Zusammenhang genauer las, konnte zwar erkennen, dass er seinen ehemaligen Kollegen nicht einfach abgewatscht hat. Selbst Calmund findet, dass „er mir nicht unter die Hose schießen wollte“. Doch das Publikum bekam offenbar einen anderen Eindruck. Zumal am Wochenende auch noch die Debatte entstand, wie häufig der ehemalige Manager denn nun an seinem alten Arbeitsplatz auftauchen dürfe. Bild schlug sich gestern pathetisch auf seine Seite: „Holzhäuser mag Calmund aus der BayArena verdrängen – jedoch nicht aus der Vereinsgeschichte und der Seele der Fans“ (…) Sein Leben kreiste 27 Jahre lang nur um Bayer Leverkusen, und er liebte es, „die Pickelhaube aufzusetzen“ und im Pulverdampf „die asoziale Nummer auszupacken“. Calmund wäre nicht der erste einflussreiche Mann, der die Angst vor einem Bedeutungsverlust spürt. Weil Calmund auch noch in Aussicht stellt, irgendwo wieder eine Aufgabe in der Bundesliga zu übernehmen („Wenn auch nicht auf Kommandostelle eins“), wird er sich demnächst mit allerlei Gerüchten die Zeit vertreiben dürfen. Am Montag dementierte als erster Klub der VfL Wolfsburg, dass Calmund dort eine Rolle einnehmen werde.“

Champions-League-Qualifikation gestern und heute NZZ

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