Interview
Attraktive, offensive Grundausrichtung
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| Sonntag, 15. August 2004Michael Ashelm (FAS 15.8.) spricht mit Joachim Löw über seine neue Aufgabe
FAS: Die Erwartungen sind groß nach der von Klinsmann verbreiteten Aufbruchstimmung. Was erwarten Sie vom Nationalteam?
JL: In den ersten Tagen muß man sich vor allem kennenlernen in persönlichen Gesprächen. Die Spieler erwarten aber von uns als neuem Trainerteam eine gewisse Vorgabe. Sie wollen wissen, wie die Zielsetzung kurzfristig sowie in Richtung Weltmeisterschaft 2006 aussieht.
FAS: Von den 19 für das Länderspiel nominierten Spielern waren 17 bereits im Europameisterschaftskader. Befürchten Sie nicht, daß diejenigen das schlechte EM-Abschneiden noch belastet?
JL: Mit dem ein oder anderen muß man sicher mental arbeiten und ihm klarmachen, daß eine neue Ära beginnt. Seit der EM ist aber eine lange Zeit vergangen, alle sind motiviert in die neue Saison reingegangen. Ganz aus den Köpfen gelöscht wird dieses Turnier nicht sein, aber es ist nicht unsere Aufgabe, es zu analysieren. Aber es gibt sicher Spieler mit fehlendem Selbstbewußtsein, die wir in der Nationalmannschaft in die richtige Spur bringen müssen, damit sie wieder an sich glauben.
FAS: Sie haben einen kleinen Kader von 16 Feldspielern für das Länderspiel gegen Österreich nominiert, aber alle drei EM-Torhüter. Wollen Sie mit der angekündigten Rotation im Tor den Konkurrenzdruck erhöhen, gar Reibungen erzeugen?
JL: Wir haben in Oliver Kahn und Jens Lehmann zwei Weltklassetorhüter und mit Timo Hildebrand einen Mann mit Perspektive. Es ist die Pflicht eines neuen Bundestrainers, jedem eine Chance zu geben in der Zeit ohne Qualifikationsdruck; auch um zu sehen, wie reagiert ein Spieler unter Streß. Das Torhüterthema wird einfach zu hoch gehängt. Diese Dynamik ist gar nicht nötig.
FAS: Aber die Dynamik zwischen Kahn und Lehmann war oft explosiv.
JL: Was in der Vergangenheit passiert ist, gilt nicht für Klinsmann und mich. Jetzt beginnt eine neue Phase.
FAS: Sie haben gleich eine attraktive, offensive Grundausrichtung versprochen. Machen Ihnen die Eindrücke von der EM in Portugal Hoffnung?
JL: Jürgen Klinsmanns und meine Philosophie ist es, daß wir risikofreudig und nach vorne spielen wollen. Dabei muß der Trainer Lösungen finden, die die Mannschaft umsetzen kann. Man darf jetzt nicht eine völlig neue taktische Ausrichtung erwarten, sondern wir wollen die Mannschaft schrittweise dorthin führen, wohin wir sie haben wollen.
FAS: Welche Schritte werden die ersten sein?
JL: Die werden vor dem Spiel gegen Österreich erst mal der Mannschaft vermittelt und die Karten nicht über die Presse auf den Tisch gelegt. Es ist klar, daß wir nicht gleich zu viele Dinge versuchen zu ändern, das ist zu komplex und gar nicht machbar.