Internationaler Fußball
Tiefster Absturz in der Fifa-Weltrangliste aller Zeiten
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| Mittwoch, 18. August 2004100 Jahre Österreichischer Fußball-Verband, „traditionsreich und sportlich wenig erfolgreich“ (NZZ) / „tiefster Absturz in der Fifa-Weltrangliste aller Zeiten“ (SZ) – Nordirland, Gegner der Schweiz (NZZ)
Traditionsreich und sportlich wenig erfolgreich
Werner Pietsch (NZZ 18.8.) gratuliert Österreichs Fußballverband zum 100. Geburtstag: „1904 wurde der nationale Verband in Wien gegründet, der Fussball hatte aber schon vor der Jahrhundertwende Tradition in Österreich. Englische Gärtner der Familie Rothschild gründeten 1894 den bis heute im Wiener Nobelquartier Döbling ansässigen, traditionsreichen, wenn auch nicht mehr sehr erfolgreichen „First Vienna Football Club“. Was für die „Vienna“ zutrifft, bringt auch den aktuellen Stand im Austria-Fussball trefflich auf den Punkt: traditionsreich und zumindest sportlich wenig erfolgreich. Organisatorisch und wirtschaftlich hingegen steht der Verband dank umsichtigem Management sehr gut da. Knapp 300 000 der acht Millionen Einwohner in Österreich jagen in rund 2300 Klubs organisiert dem Ball nach. Fussball ist neben dem Skifahren die beliebteste Sportart im Land. Dies ist umso erstaunlicher, als es sportlich im internationalen Vergleich bereits mehrere Jahre hindurch wenig Grund zum Feiern gibt. Darum werden dieser Tage nicht selten die glorreichen Tage des Austria-Fussballs heraufbeschworen. Bald ist da vom sogenannten Wunderteam unter Teamchef Hugo Meisl die Rede. In den frühen dreissiger Jahren machte eine Serie legendärer Erfolge unter anderem gegen Schottland, Deutschland und Italien die ÖFB-Auswahl vorübergehend zum führenden Team in Europa.“
Tiefster Absturz in der Fifa-Weltrangliste aller Zeiten
Trainer Hans Krankl unter genauer Beobachtung – Michael Smejkal (SZ 18.8.): „Zwar kann auch der 51-Jährige nichts für viele Krankheiten, an denen der österreichische Fußball derzeit leidet: Eine Flut an zweit- und drittklassigen Legionären, die den heimischen Nachwuchsspielern Platz und Perspektiven verstellen; gepaart mit Klubs, die angesichts von Existenzängsten sich erst gar nicht auf ein Langfristkonzept einlassen. Im Gegenzug weist Österreich aktuell zwar 14 Legionäre auf, doch auch hier haben die wenigsten davon die Klasse, um einen Stammplatz zu erreichen. Es sind jedoch nicht diese äußeren Umstände, die den Lack an der österreichischen Kultfigur Hans Krankl abblättern lassen. Vielmehr ist es sein Hang zum Realitätsverlust. Während Krankl sich selbst und sein Team immer noch in lichten europäischen Fußball-Höhen wähnt, notieren die Chronisten den tiefsten Absturz in der Fifa-Weltrangliste aller Zeiten. Österreich fiel sogar aus den Top 80 – nie war man schlechter. Selbst Mali, Oman oder Libyen rangieren noch vor dem ÖFB-Team. Dieser Rangliste widmet Krankl aber ebenso wenig Bedeutung wie der EM in Portugal. Genau ein Spiel besuchte der Teamchef, was selbst seinen gewöhnlich loyalen Präsidenten Friedrich Stickler sehr verärgerte. Er hätte sehr wohl erwartet, dass Krankl mehrere Partien verfolgt hätte, ließ Stickler ausrichten. (…) Luft kann sich Krankl nur verschaffen, wenn wahr wird, was Martin Stranzl (VfB Stuttgart) vor dem heutigen Test gemeint hat: „Deutschland war noch nie so leicht schlagen wie derzeit.‘ Denn ein Sieg über den Erzrivalen zählt in Österreich immer noch mehr als alles andere – geglückter Teamaufbau hin, WM-Qualifikation her. “
Michaela Seiser (FAZ 18.8.) ergänzt: „Die in Wien verbreitete Zuversicht steht jedoch im krassen Gegensatz zu den in den vergangenen Jahren gebotenen Leistungen. Die Landesauswahl hat sich seit der WM 1998 in Frankreich nicht mehr für ein bedeutendes Turnier qualifiziert. Vor zweieinhalb Jahren wurde der frühere Weltklassestürmer Krankl engagiert, das Nationalteam nach vorne zu bringen. Ehe er es übernahm, stand Österreich in der Weltrangliste mit Rang 17 so gut wie nie da. Inzwischen ist mit Rang 89 ein historischer Tiefstand erreicht. Und im Mai 2002 gab es ein 2:6 gegen Deutschland. Die Schuld an der Baisse sucht Krankl am wenigsten bei sich selbst. Die Deutschen, erklärte er vor einer Woche, hätten die Entwicklung im Fußball verschlafen – und die Österreicher gleich mit, weil sie den Deutschen immer alles nachmachen wollten.“
Was macht eigentlich Nordirland, Martin Pütter (NZZ 18.8.)? „Obwohl in fussballerischen Belangen wie die Schweiz eine kleine Nation, hat Nordirland seinem Gegner vom Mittwoch eines voraus. Unter Billy Bingham als Trainer erreichten die Nordiren an der WM 1982 in Spanien die zweite Runde. Möglich wurde dies damals durch einen unerwarteten 1:0-Erfolg gegen die Gastgeber. Der damalige Torschütze Gerry Armstrong, mittlerweile Sportkommentator für den britischen Kabelsender Sky Sports, besitzt in Nordirland noch immer Heldenstatus, und erst vor wenigen Wochen bezeichneten Anrufer bei einem Radioprogramm von BBC Nordirland diesen Erfolg als ihr Gegenstück zu Englands WM-Titel von 1966. Diese leicht nostalgische Überbewertung hat sicher auch mit dem Negativrekord zu tun, den Nordirland am 18. Februar dieses Jahres aufstellte. Als David Healy beim 1:4 gegen Norwegen den Ehrentreffer erzielte, hatten es die Nordiren nach insgesamt 1298 Spielminuten endlich wieder einmal geschafft, ein Tor zu erzielen. Das ist laut Fifa ein Weltrekord im internationalen Fussball.“