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Internationaler Fußball

Holländer raus, Brasilianer rein

Oliver Fritsch | Montag, 30. August 2004 Kommentare deaktiviert für Holländer raus, Brasilianer rein

Argentinien ist Olympia-Sieger: „Fußball unter äußerster Disziplin, mit allerhöchstem Tempo und ungewöhnlicher Finesse“ (taz) / „Noch nie hat ein Fussballteam das Olympiaturnier in gleichem Masse dominiert“ (NZZaS) – Der FC Barcelona vor der neuen Saison, „Holländer raus, Brasilianer rein“ (FAS)

Fußball unter äußerster Disziplin, mit allerhöchstem Tempo und ungewöhnlicher Finesse

Finale – Argentinien schlägt Paraguay 1:0. Was bedeutet ein Olympia-Sieg für die Zukunft, Martin Hägele (taz 30.8.)? „In Atlanta und Sydney hatten voreilige Analysten schon die ganz große Stunde Afrikas schlagen hören; bei den anschließenden Weltmeisterschaften ist jedoch keine der arrivierten Fußballnationen von Nigerias „Super-Adlern“ zerrupft oder von den „unbezähmbaren Löwen“ aus Kamerun aufgevespert worden. Ihren wilden Kampfnamen wurden keine dieser beiden Mannschaften gerecht. Dagegen werden die jungen Gold-Helden der „Albiceleste“ die Zukunft des wichtigsten Sports prägen. Man braucht keinen Konjunktiv, um den weiteren Werdegang von Carlos Tevez und Andres D‘Alessandro zu beschreiben. Auch wenn Trainer Marcelo Bielsa jede Frage bereits im Ansatz abblockt, die mit morgen oder übermorgen und erst recht mit dem WM-Turnier in Deutschland zu tun haben könnte. Selbst ein Laie erkennt, dass die himmelblau-weiße Firma unter äußerster Disziplin, mit allerhöchstem Tempo und ungewöhnlicher Finesse Fußball produziert. (…) Es gibt wohl kaum ein Land, in dem über den Stil seiner Fußball-Auswahl solch philosophische Kriege geführt werden. Luis Cesar Menotti, der Feingeist der 78er „Campeones“, predigt Kreativität und die persönliche Freiheit der Starinterpreten. Carlos Bilardo steht für die andere Richtung. Beim Trainer der Weltmeister von 1986 heißt Fußball Arbeit, Härte, Kontrolle, Verteidigung. Bielsa scheint es nun gelungen zu sein, die Schnittmenge beider Ideologien gefunden zu haben. Jenen Stoff, aus dem Argentiniens dritte Weltmeister-Generation geschaffen sein könnte. Zur Vorsicht also doch noch ein Konjunktiv.“

Auch Claudio Klages (NZZ 30.8.) ist angetan: „Sechs Spiele ohne Fehl und Tadel mit der makellosen Bilanz von 17:0 Toren – Argentinien setzte ohne Schwächen während 18 Tagen die Akzente. Noch nie hat ein Fussballteam das Olympiaturnier in gleichem Masse dominiert. (…) Das Olympiateam verkörperte wieder diese unnachahmliche Kombination aus defensivem Wall und Ideenreichtum, für die der argentinische Fussball seit je steht.“

Was sagt der Trainer, Gerd Schneider (FAS 29.8.)? „Marcelo Bielsa ist kein Mann großer Worte. Er spricht leise und langsam, und wenn es um seine Gefühle geht, verbarrikadiert er sich hinter inhaltsleeren Sätzen. Er könnte eigentlich ein bißchen fröhlicher sein, dieser Marcelo Bielsa, der ein berühmter Mann ist in seiner Heimat. (…) Immerhin ließ sich selbst Marcelo Bielsa von dem Erfolgserlebnis in Athen zu der Aussage hinreißen, daß solche Siege wichtig seien für das Glück des argentinischen Volkes und daß man diesen Titel nicht ignorieren könne. Für seine Verhältnisse war das ein Gefühlsausbruch. Der Fußballehrer hatte heftige Kritik einstecken müssen nach dem WM-Desaster vor zwei Jahren. Doch er hatte immer daran festgehalten, daß sein Team damals an ungünstigen Umständen gescheitert sei. Nach dem Auftritt in Athen fällt die Vorstellung schwer, daß sich so ein Mißerfolg bei der nächsten WM wiederholen könnte. Bielsa hat, selbst in seinem Olympiateam, ein solche Auswahl an Weltklassespielern, daß einem ganz schwindelig wird.“

„Die neue Elf hat kaum noch etwas mit der Mannschaft der abgelaufenen Saison zu tun“, beschreibt Paul Ingendaay (FAS 29.8.) die Transferaktivität des FC Barcelona: „Sollte das Team wieder nichts holen, würden die Fans des mitgliederstärksten spanischen Vereins nicht nur Trainer Frank Rijkaard, sondern auch den jungen, telegenen, seit einem Jahr amtierenden Präsidenten Joan Laporta zum Teufel jagen. Irgendetwas Großes, Unkontrollierbares würde geschehen. „Dieses Jahr haben wir keine Entschuldigung mehr.“ Das sagt der Mann, der innerhalb weniger Monate zum wichtigsten Spieler des Vereins wurde und eine schöne Gehaltserhöhung bekam, ohne darum bitten zu müssen: Ronaldinho. Er ist bei den Katalanen alles, Ballgenie, Torjäger, Animateur und Musterknabe in einer Person. (…) Kaum jemand bezweifelt, daß die neue Mannschaft besser ist als die alte. Zumindest hat sie mehr torgefährliche Leute, und sollte sie harmonieren, ist ihr viel zuzutrauen. Johann Cruyff allerdings, die hochrespektierte graue Eminenz des „Barcelonismus“, warnte davor, sechs Brasilianer in die Mannschaft zu stellen. Präsident Laporta, der Cruyffs Rat schätzt, mochte diesmal nicht auf ihn hören. Er hat beschlossen, hoch zu pokern, um ganz schnell frischen Ruhm einzufahren, und jetzt läuft das Spiel, das er sich gewünscht hat. Viel kommt dabei auf Frank Rijkaard an. Der sanfte Niederländer wird, über sein angenehmes Auftreten hinaus, endlich das werden müssen, von dem noch niemand weiß, ob er es sein kann: ein starker, entschlußfreudiger Trainer.“

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen – Torschützen NZZ

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