Internationaler Fußball
Rooney nach Manchester, Völler nach Rom
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| Mittwoch, 1. September 2004Rudi Völler, „ein glaubwürdiger deutscher Botschafter“ (FAZ) wird Trainer in Rom / eine Aufgabe mit „einer Menge Risiken“ (FR) – Wayne Rooney wechselt nach Manchester, „es ist der spektakulärste, von langer Hand geplante Transfer dieses Sommers“ (Tsp) – Ersun Yanal, neuer Trainer der Türkei, „ein Vertreter einer neuen, gebildeten Trainergeneration“ (taz)
Eine Menge Risiken
Thomas Kilchenstein (FR 1.9.) kommentiert das Engagement Rudi Völlers in Rom: „Völler hat es relativ schnell geschafft, auf den gleichen Sockel gestellt zu werden, auf dem schon Franz Beckenbauer steht – und dort oben tut es Glaubwürdigkeit und Beliebtheit keinen Abbruch mehr, was einer sagt oder tut. Roma, mit 113 Millionen Euro in der Kreide, ist eine Herausforderung, eine Aufgabe, die reizvoll ist, aber auch eine Menge Risiken birgt: Rudi Völler hat nie täglich mit einer Mannschaft gearbeitet, er hat auch dieses Team im Umbruch nicht zusammengestellt. Und er hat keinen Michael Skibbe an seiner Seite, dem er blind vertraut und der ihm bei der täglichen Kärrnerarbeit zur Hand gehen könnte. Nur sein freundliches Augenblinzeln wird bleiben – bei Niederlagen wird ihm das aber auch nicht helfen.“
Glaubwürdiger deutscher Botschafter
Roland Zorn (FAZ 1.9.) fügt hinzu: „Völler ist neben Franz Beckenbauer der einzige deutsche Lebenszeitprofi, für den sich die Türen im Fußballgeschäft wie von selbst öffnen. Seinem Charme, seinem Charisma wären sie auch bei Bayer Leverkusen liebend gern ein zweites Mal erlegen. (…) Der liebenswerte Fußballflaneur, der einst von Hanau aus seine kleine, große Welt zu erobern begann, muß den Römern bei seinem Comeback beweisen, daß er mehr kann als das, was ihm im Blut lag: Tore schießen. Erfahrungen im Fußballehrerberuf hat er unter Extrembedingungen genug gesammelt: Sie waren ebenso positiv (zweiter Platz bei der WM 2002) wie negativ (Vorrundenaus bei der EM). Bei allem Auf und Ab in seiner noch kurzen Trainerkarriere aber blieb Völler selbst seltsam unberührt von den Erfrischungen oder Zumutungen des Alltags. Diese Seite seines kraftraubenden Berufs lernt er jetzt erst richtig kennen. Da er zu den Glückskindern seines Sports zählt, ist ihm zuzutrauen, daß er die sportlichen Sehnsüchte der Tifosi erfüllt und dazu die Menschen becirct. Vor allem bleibt Rudi Völler ein ganz und gar glaubwürdiger deutscher Botschafter auf einem der attraktivsten Außenposten, die der diplomatische Dienst am europäischen Fußball zu vergeben hat.“
Wie steht’s um den AS Rom, Paul Kreiner (Tsp 1.9.)? „Roma hat mehr als 110 Millionen Euro Schulden durch teure Spielergehälter und ausstehende Steuer-Nachzahlungen an den Staat angehäuft. Ein Großteil der Leistungsträger musste den Klub deswegen vor dieser Saison verlassen. Wenn die Regierung des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi nicht ein großzügiges Rabattsystem für reuige Steuersünder aufgelegt hätte, dann hätte der AS Rom schon längst zumachen müssen. Im Frühjahr wollte Franco Sensi, der 78-jährige Ölmagnat und Präsident des AS Rom, seinen teuren Zuschussbetrieb an Roman Abramowitsch, den Besitzer des FC Chelsea London, abstoßen. Aber nach eingehender Kassen- und Kontenprüfung verzichtete der russische Milliardär dankend. Sensi musste ans Familiensilber, um den AS Rom zu retten: Ein Riesenhotel in Rom hat er verkauft und eine Tageszeitung in Ancona, seine Beteiligungen an der römischen Flughafengesellschaft sind weg, genauso wie ein Großteil seiner Aktien an der Holding Italpetroli. Aber die Kollekte für den Rest der notwendigen Schuldentilgung blieb bis jetzt unter allen Erwartungen; Spieler und Investoren wollen nicht, wie sie sollen. Immerhin hat Sensi Roma in letzter Minute die Lizenz für die kommende Saison gesichert, in der der Meisterschaftszweite sogar in der Champions League spielt. Doch gleichzeitig suchte ihn anderes Ungemach heim: Der Brasilianer Emerson wechselte zu Juventus Turin, genauso wie der Erfolgstrainer Fabio Capello – „klammheimlich und über Nacht“, wie die Fans noch heute beklagen. Und Francesco Totti, der Publikumsliebling in Rom, er spuckte. Selten ist ein Spieler in der Gunst der Tifosi so schnell und tief gesunken. Die gute Seite an dieser Affäre war, dass Sensi nicht mehr befürchten musste, auch Totti würde von einem anderen Verein weggekauft.“
Es ist der spektakulärste, von langer Hand geplante Transfer dieses Sommers
Wayne Rooney wechselt nach Manchester; Raphael Honigstein (Tsp 1.9.) erhellt den Hintergrund: „Es ist der spektakulärste, von langer Hand geplante Transfer dieses Sommers – und die Hintergründe sind faszinierend. Angefangen hatte alles bei Patrick Vieira. Real Madrid wollte Arsenal Londons Kapitän im Juli verpflichten, doch der Franzose hatte zu hohe Gehaltsvorstellungen. Der spanische Rekordmeister holte deswegen für 21 Millionen Euro den englischen Nationalverteidiger Jonathan Woodgate von Newcastle United. Das verdiente Geld wollte Newcastle sofort reinvestieren und bot Everton 30 Millionen für Rooney. Doch der bevorzugte ganz offensichtlich Manchester. Obwohl Alex Ferguson sein Transferbudget für diese Saison eigentlich schon ausgeschöpft hatte, konnte er sich diese Einladung nicht entgehen lassen. Newcastle und Manchester überboten sich fast täglich. Everton konnte sich der Dynamik nicht entziehen. Trainer David Moyes, der Rooney bis zuletzt halten wollte, hat die Mechanismen durchschaut: „Bis vor ein paar Wochen dachte ich, dass Wayne bei Everton bleibt. Aber dann ging Woodgate zu Real Madrid. Die Situation wäre sonst gar nicht entstanden.“ Bis auf den Trainer sind jetzt fast alle Beteiligten glücklich.“
Vertreter einer neuen, gebildeten Trainergeneration
Der WM-Dritte Türkei hat einen neuen Trainer. Wie macht er sich, Tobias Schächter (taz 1.9.)? „Der Fußball nahm im letzten Jahrzehnt gerade durch gezielte Aufbauarbeit eine rasante Entwicklung. Aber ausgerechnet in dem Jahr, in dem die EU über Beitrittsverhandlungen mit dem reformwilligen Land entscheiden will, fehlte des Türken liebstes Kind auf der großen europäischen Bühne bei der EM in Portugal. Gescheitert an Fußballzwerg Lettland waren die noch vor zwei Jahren als WM-Dritte ekstatisch gefeierten Helden. Den großspurig auftretenden Trainer Senol Günes kostete dies den Job. Nachfolger Ersun Yanal blieb bisher den Beweis schuldig, dass das EM-Aus nur ein Ausrutscher der vermeintlich neuen Fußballgroßmacht war. Zwei Niederlagen musste der 42-Jährige erklären, vor zwei Wochen eine 1:2-Heimschlappe gegen Weißrussland. Danach ließ der Verfechter opulenten Offensivfußballs die gepiesackten Teetrinker vom Bosporus bis zum Schwarzen Meer wissen: „Panik Yok!“ – „Keine Panik!“. (…) Außerhalb der Türkei nur Fachleuten ein Begriff, machte Yanal sich einen Namen durch die Erfolge mit dem Klub Gençlerbirligi aus Ankara. Fast die Phalanx der Abonnementmeister aus Istanbul durchbrechend, reüssierten die Emporkömmlinge vor zwei Jahren auch im Uefa-Cup. Der eloquente Yanal, ein diplomierter Sportlehrer ohne nennenswerte Spielerkarriere, besitzt ein englisches und ein türkisches Trainerdiplom und setzt als Vertreter einer neuen, gebildeten Trainergeneration auf Kommunikation nach innen und nach außen. Die erhoffte Aufbruchstimmung indes konnte die Auswahl des neuen Hoffnungsträgers noch nicht entfachen.“