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Internationaler Fußball

Vielleicht wird sich Rehhagel in einem Jahr wünschen, doch Bundestrainer in Deutschland geworden zu sein

Oliver Fritsch | Montag, 6. September 2004 Kommentare deaktiviert für Vielleicht wird sich Rehhagel in einem Jahr wünschen, doch Bundestrainer in Deutschland geworden zu sein

Albanien-Griechenland 2:1

Peter Heß (FAZ 6.9.) wundert sich nicht: “62 Tagenach dem märchenhaften Triumph von Lissabon ist der griechische Fußball wieder in der Wirklichkeit angekommen. Das 1:2 gegen den Nachbarn Albanien mag den Fans von Trainer Otto Rehhagel und dessen Spielern wie ein Schock vorkommen – eine Sensation stellt die Niederlage bei objektiver Betrachtung nicht dar. Durch den Titel Europameister gewinnt eine Mannschaft genausowenig spielerische Extraklasse wie durch den zweiten Platz bei einer Weltmeisterschaft. Teamchef Rudi Völler hatte damals nur zu recht, als er nach dem WM-Finale 2002 beteuerte, der Erfolg bedeute nicht, daß Deutschland nun die zweitbeste Fußballnation der Welt sei. Genausowenig ist Griechenland im Jahr 2004 das beste Team Europas. (…) Vielleicht wird sich Rehhagel schon in einem Jahr wünschen, doch Bundestrainer in Deutschland geworden zu sein. Denn selbst wenn Griechenland die Kurve nach Deutschland noch kriegen sollte: Den Höhepunkt seiner Macht hat König Otto von Griechenland schon überschritten.“

Wie haben sich Briegel und Rehhagel vertragen, Tobias Schächter (FR 6.9.)? „Es hatte mitunter komische Züge, mit welchen Volten der kalte Krieger Rehhagel es vermied, seinem Intimfeind Briegel zu begegnen. Als Letzter kam der 65-Jährige aus der Halbzeitpause zurück auf den Platz, den Kopf streng auf den Boden gerichtet. Im letzten Moment, bevor er an der albanischen Bank und somit an Briegel hätte vorbeigehen müssen, machte der listige Rehhagel einen Schwenk und lief schnellen Schrittes hinter der Bank vorbei. Eine wahre Meisterleistung bei der „Briegelunbedingtnichtindieaugenschauenwollen-Weltmeisterschaft“. Die hat Rehhagel souverän gewonnen.

Frankreich-Israel 0:0

Die Titel sind eine große Bürde und hängen wie Blei an der neuformierten Mannschaft

Sven Gartung (FAZ 6.9.) schildert den schwierigen Anfang des neuen französischen Teams: „So schnell hat sich das Stade de France in Saint Denis wohl nur selten geleert: Bereits wenige Minuten nach dem Abpfiff waren die Zuschauer von dannen gezogen. Zu feiern gab es für die knapp 43 000 Anhänger der Equipe tricolore nichts, die bestenfalls mittelmäßige Partie endete in einem torlosen Unentschieden. In den Metrozügen lebte in dieser enttäuschenden Fußballnacht die Erinnerung an die Stunde des größten Triumphes vor sechs Jahren auf. (…) Vorbei. Geschichte. Spieler vom Schlage eines Zidane, Desailly, Thuram oder Lizarazu sind nicht mehr dabei. Ihre Nachfolger heißen Mendy, Evra oder Givet und haben als größten internationalen Erfolg bislang die Teilnahme am Champions-League-Finale mit Monaco vorzuweisen. Es sind Spieler, denen in der Nationalmannschaft eine Leaderfigur fehlt. Es sind Spieler, die ob der Dominanz der Weltmeister bislang in der Nationalmannschaft kaum zum Einsatz kamen. Die WM- und EM-Titel sind eine große Bürde und hängen wie Blei an der neuformierten Mannschaft und Trainer Raymond Domenech.“

Italien-Norwegen 2:1

Überzeugter Sozialist unter Fußballmillionären

Dirk Schümer (FAZ 6.9.) spürt frischen Wind: „Mit ungewohnter Freude am Risiko legte die verjüngte italienische Mannschaft mit zuweilen sieben Spielern den Vorwärtsgang ein. (…) Marcello Lippi, der als Spieler bei Sampdoria Genua eine unauffällige Karriere im defensiven Mittelfeld absolvierte, gilt als harter Arbeiter, der seine Erfolge bei Juventus Turin dem ständigen Wechsel der Startformation verdankt. Rücksicht auf die Eitelkeiten seiner Stars offenbarte der überzeugte Sozialist unter Fußballmillionären nur selten. Bei der ebenso leicht vergötterten wie verdammten Nationalmannschaft kann ihm die Revolution vielleicht abermals gelingen.“

Viel zu schön, um Fußball zu spielen

Birgit Schönau (SZ 6.9.) ist Italiens Spieglein an der Wand: „Es war einmal die Squadra Azzurra der Del Piero, der Totti und Vieri, die Nationalmannschaft der Diven. Sie stritten sich schon im Trainingslager, wer wohl der Schönste und Beste von ihnen sei, und ihr Trainer betrachtete sie mit nachsichtiger Verzweiflung. Denn er fühlte sich ein bisschen wie ihr Papa. Auf dem Platz machten sie dann mit schöner Regelmäßigkeit eine grottenschlechte Figur, obwohl es gar nicht gegen Drachen und Menschenfresser ging, sondern bloß gegen Koreaner oder Dänen. Der Trainer versprengte Weihwasser, um den Teufel vom verhexten Rasen zu vertreiben. Das half aber auch nicht mehr, und die Mannschaft der Reichen und Schönen fuhr immer ganz schnell nach Hause. Jetzt soll damit Schluss sein. Jetzt ist Marcello Lippi Trainer. Einer, über den einst seine Übungsleiter sagten: „Viel zu schön, um Fußball zu spielen.“ Einer, der schon vor 30 Jahren auf dem Strand von Viareggio von den Mädchen belagert wurde, und auf ihren Rücken Autogramme schrieb. Heute ist Lippi 56, immer sonnengebräunt vom Meereswind, das Silberhaar so perfekt geschnitten wie die Maßanzüge, der Gang elastisch und bestimmt. Marcello Lippi ist der Paul Newman des calcio – viel zu schön, um Fußballer zu trainieren.“

Österreich-England 2:2

Die NZZ (6.9.) fasst zusammen: „Das sehr positive Ergebnis für Österreich offenbarte bei genauerer Betrachtung einige Widersprüche. Wille und Kampfkraft auf der einen Seite stand über weite Strecken allzu statisches und durchsichtiges Spiel der Gastgeber nach vorne gegenüber. Weite Bälle wurden hoch nach vorne geschlagen, die Glieder und Haas als Spitzen kaum kontrolliert annehmen oder abspielen konnten, die Unterstützung aus dem Mittelfeld fehlte weitgehend. Einer soliden Defensivleistung mit hervorragendem Kopfballspiel standen zahlreiche Unsicherheiten, frühe Ballverluste und kaum zwingende Möglichkeiten aus geordnetem Spielaufbau gegenüber.“

Irland-Zypern 3:0

Perfekter irischer Fussballnachmittag

Benjamin Steffen (NZZaS 5.9.): „Schon nach einer Stunde war alles eingetreten, was für einen perfekten irischen Fussballnachmittag erforderlich gewesen war: ein relativ frühes Tor wider den (Stürmer-)Frust, ein sehenswertes Goal durch den neuen Liebling Andy Reid und ein Treffer, der den Iren Anlass dazu gibt, was sie am liebsten tun: feiern. Die Gäste verdarben das Fest nicht. Ihre Mittel waren zu limitiert, um die entschlossenen, von fast 36 000 Zuschauern nach vorne gepeitschten Gastgeber am Sieg zu hindern. Die Iren, 2004 in neun Spielen erst einmal bezwungen (von Nigeria), treten ihren Gegnern mit stolz geschwellter Brust entgegen. Die Performance seiner Mannschaft sei „sehr gut“ gewesen, sagte Kerr nach der Partie. Er lächelte dabei und liess erkennen: Seine Spieler hatten ihm deutlich mehr Lust als Frust bereitet.“

Eine Zusammenfassung des Spieltags in der taz

Eine Übersicht im Tagesspiegel

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