Interview
Mayer-Vorfelder im Interview
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| Samstag, 11. September 2004Zwei Interviews (SZ und Tagesspiegel) mit Gerhard Mayer-Vorfelder: „ich komme schnell zu Entscheidungen, dieser Stil gefällt nicht jedem“ / „mein Fehler war es, dass ich in der Trainerfrage nicht alle rechtzeitig eingebunden habe“
Ich komme schnell zu Entscheidungen, dieser Stil gefällt nicht jedem
Jörg Hanau & Wolfgang Hettfleisch (FR 11.9.) sprechen mit Gerhard Mayer-Vorfelder über seinen Arbeitsstil, den Rücktritt Rudi Völlers und das Wesen Jürgen Klinsmanns
FR: Es sind ganze Heerscharen von Kollegen an der Aufgabe gescheitert, den Hergang jener berühmten Nacht von Portugal zu rekonstruieren, als es darum ging, ob Rudi Völler aufhört oder weitermacht.
GMV: Also zunächst mal war ich immer ein Politiker, der genau wusste, was er wollte, und das dann auch so gesagt hat. Und auch was diese Nacht angeht, besteht kein Problem, die Wahrheit zu sagen: Rudi Völler hatte Horst R. Schmidt gesagt, er hätte gern ein Gespräch mit ihm und mir geführt. Es ist also frei erfunden, dass Rudi Völler Herrn Hackmann bei dem Gespräch gerne dabeigehabt hätte. Ich hab‘ übrigens nichts Böses geahnt, mich nur gewundert, dass er so schnell mit uns reden wollte. Jedenfalls hat er dann klipp und klar gesagt, dass er aufhört. Natürlich habe ich mich nicht weinend vor ihn auf den Boden geworfen, aber ich habe wirklich alles probiert und ihm gesagt, das ist jetzt eine Bauchentscheidung aus der Enttäuschung heraus, und ich möchte, dass er sich das noch mal in Ruhe überlegt. Er hat dann gesagt, er habe sich das schon im Vorfeld der EM ruhig überlegt und auch mit seiner Frau besprochen. Und dass er genauso aufgehört hätte, wenn er im Viertel- oder Halbfinale gestanden hätte. Dann kam er sofort auf die Auflösung seines Vertrags zu sprechen. Natürlich ist das Gespräch in Anstand und Würde verlaufen.
FR: Man hört aber immer wieder, Sie hätten Völler nur sagen müssen: „Bitte, Rudi, bleib doch da!“
GMV: Es gibt Dinge, die ich mir nicht erklären kann. Gut, wenn man sagt: Dem Mayer-Vorfelder, dem trauen wir nicht übern Weg. Der wittert jetzt die Chance, dass er den Daum holen kann, oder was sich die Leute da alles zusammengebastelt haben. Aber Horst Schmidt, dem man ja derartige Unterstellungen nie gemacht hat, war ja dabei und sagt das Gleiche. Und Rudi Völler hat auch gesagt, als er befragt wurde: Die haben alles getan, um mich zu halten.
FR: Das kann auch eine Sprachregelung sein.
GMV: Das ist eine rein theoretische Überlegung. Wenn von allen Seiten das Gleiche gesagt wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich so war, doch sehr groß. Was dann hinterher alles vermutet und spekuliert worden ist, hat mich sehr verwundert. Das war auch in der Sache mit Hitzfeld nicht anders.
FR: Waren Sie überrascht, was da über Sie hereinbrach?
GMV: Ja. Hätte Hitzfeld zugesagt, wäre Ruhe im Karton gewesen. Hat es überhaupt jemanden gegeben, der dagegen war?
FR: Gegen die Verpflichtung von Hitzfeld war niemand. (…) Hatten Sie das Gefühl, dass manch einer darauf gewartet hat, Ihnen an den Karren fahren zu können?
GMV: Es ist nun mal so, dass mein Führungsstil nicht jedem passt. Ich bin geprägt von den Spitzenfunktionen, die ich in meiner politischen Karriere bekleidet habe. Ich habe nichts gegen Diskussionen, und mich interessiert eine Meinung insbesondere, wenn sie nicht meine ist. Aber wenn die Sache erst mal beschlossen ist, gilt: Roma locuta, causa finita (Rom/die Kurie hat gesprochen, die Angelegenheit ist erledigt.). Ich komme relativ schnell zu Entscheidungen in bestimmten Fragen. Und dieser Stil gefällt nicht jedem.
FR: Sie würden also wieder genauso handeln?
GMV: Ich würde es wieder so machen. Ich habe ja danach selber die Bildung einer Arbeitsgruppe mit vier Leuten vorgeschlagen. Das Ergebnis war: Sie konnten alles eins zu eins in der Zeitung lesen. Damit ist alles in Erfüllung gegangen, was ich in der Pressekonferenz nach dem Rücktritt Rudi Völlers schon gesagt hatte: Die Medien spekulieren über mögliche Trainerkandidaten und rufen die auch gleich an. Wenn dann diese Kandidaten reihenweise absagen, da sie ja auch keinen Kontakt mit dem DFB hatten, heißt es: Der DFB ist nicht in der Lage, einen Trainer zu finden. Schließlich folgt Phase drei. In der heisst es: Beim DFB ist das Chaos ausgebrochen. Beim DFB hat in dieser Frage nie Chaos geherrscht. Natürlich gibt es Probleme, einen föderalen Verband in solchen Fragen informiert zu halten. Das ist vergleichbar mit den Problemen, die der Bundeskanzler hin und wieder mit den Ländern hat. (…)
FR: Wir hören, dass Klinsmanns ausgeprägtes Selbstbewusstsein dort nicht unbedingt für ungeteilte Zustimmung sorgt.
GMV: Es gibt immer Leute, die sich verletzt fühlen. Und es tut mir in der Seele weh, dass Klinsmann nicht mit Bernd Pfaff weiterarbeitet. Pfaff hat eine exzellente administrative Organisation gemacht, die war „comme il faut“. Die haben halt nicht miteinander gekonnt.
FR: Und Sie sagen, diese Personalentscheidung fällt in die Zuständigkeit des Bundestrainers.
GMV: Wenn du einen neuen Trainer verpflichtest, musst du ihm die Möglichkeit geben, sein Umfeld zu ordnen.
FR: Auch administrativ? Ab welchem Punkt sagt der Gerhard Mayer-Vorfelder dem Jürgen Klinsmann: „Da ist die Grenze, das ist meins“?
GMV: Darüber kann man streiten. Ich habe Pfaff gesagt, ich lasse es an dieser Frage nicht scheitern. Ich kenne die Sturheit von Klinsmann. Das sind persönliche Opfer, die du jemandem zumutest.
Mein Fehler war es, dass ich in der Trainerfrage nicht alle rechtzeitig eingebunden habe
Auch Armin Lehmann & Michael Rosentritt (Tsp 11.9.) interviewen Mayer-Vorfelder
Tsp: Sie haben gesagt, mit dem Stil, den Sie als Minister hatten, haben Sie auch als DFB-Präsident agiert. Ihre Kritiker nennen den Stil selbstherrlich und wollten Sie deshalb loswerden.
GMV: Das stimmt. Mein Führungsstil als DFB-Präsident ist mit dieser Kritik angegriffen worden. Ich aber empfinde meinen Stil nicht als selbstherrlich. Ich habe diesen Stil, um in einem föderalen und deshalb komplizierten Verband zu raschen und notwendigen Entscheidungen zu kommen. Sicherlich muss das Präsidium informiert werden, aber ich habe die Verantwortung für die Entscheidung.
Tsp: Vielleicht ist Ihre Wahrnehmung falsch.
GMV: Mag sein. Ich bin bereit, hier zu lernen. Mein Fehler war es, dass ich in der Trainerfrage nicht alle, die an diesem Entscheidungsprozess zu beteiligen gewesen wären, rechtzeitig eingebunden habe.
Tsp: Weil Sie allein den neuen Trainer präsentieren wollten?
GMV: Nein, das ist doch Unsinn. Sie können doch nicht mit fünf Leuten versuchen, einen Trainer wie Ottmar Hitzfeld zu überzeugen. Der fühlt sich nur bedrängt. Aber unabhängig von dieser Geschichte: In einem föderalen Verband ist es grundsätzlich sehr schwierig, Einigkeit zu erzielen. Du hast 21 Landesverbände und fünf Regionalverbände. Der Vergleich ist jetzt hochgezogen, aber auch der Bundeskanzler hat große Probleme, den Bundesrat auf seine Seite zu bekommen. Diese Grundproblematik findet man in jedem föderalen Verband. Ich habe immer gesagt: Ich bin Präsident des Verbandes und nicht der Obertelefonist. (…)
Tsp: Über die Abkürzung TFK hat ganz Deutschland gelacht.
GMV: Diesen Namen hat die Presse erfunden, lassen wir das. Für mich war viel unangenehmer, dass ich alles, was wir besprochen haben, in der Zeitung lesen musste.
Tsp: Das hat Sie gewundert? Immerhin ist Franz Beckenbauer, der wichtigste Mann dieser TFK, vertraglich an eine große Boulevardzeitung gebunden. Eine seltsame Verquickung, in der Politik hätte es gleich Rücktrittsforderungen gegeben.
GMV: Das ist eben so, du kannst innerhalb des Fußballs nicht einen ausschließen, der die größte Erfahrung als Spieler und als Teamchef hat und international höchst angesehen ist.
Tsp: Aber muss man von Franz Beckenbauer nicht Neutralität einfordern?
GMV: Auf diese Frage bekommen Sie von mir keine Antwort. Es gibt eben diese Fakten.
Tsp: Ärgern Sie sich eigentlich, dass nicht Sie auf Klinsmann gekommen sind?
GMV: Nein. Ich freue mich für den Jürgen. Ich weiß, dass es nicht immer einfach sein wird, mit ihm klarzukommen. Er kann ein ganz schöner Sturkopf sein.
Tsp: Dann ist er Ihnen ja ähnlich.
GMV: Ein bisschen vielleicht. Er hat mir imponiert in seinem Willen, sich weiterzubilden, sich die Welt Stück für Stück zu eigen zu machen. Aber weil er diese Eigenschaften hat und er mir mal erklärt hatte, dass er nicht mehr nach Deutschland zurückkommt, weil es in Kalifornien so schön ist, wäre ich nicht auf ihn gekommen.
Tsp: Klinsmann hat auch sinngemäß gesagt, man müsse jeden Stein im DFB umdrehen.
GMV: Ja, ja, jeden Stein wollte er umdrehen. Damals hat er noch gar nicht gewusst, wo die Steine überhaupt liegen. Und wenn er dann die Steine aufhebt, dann soll er sie aufheben und die, die vorher schon richtig gepasst haben, wieder dort hinlegen. Er wird die Erfahrung machen, dass man sich, wenn man viel bewegen will, ein blutigen Kopf holen kann. Aber diese Erfahrung ist wertvoll.