Bundesliga
Genügsam, langsam, handzahm
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| Montag, 13. September 2004Die Spiele des 4. Bundesliga-Spieltags, Stimmen, Stimmungen, Reaktionen: FSV Mainz, „der Frischefaktor der Liga“ (FAZ) – „VfL Bochum gegen Borussia Dortmund liefert längst mehr Emotion und setzt mehr Energie frei als der Ruhrgebietsklassiker Schalke gegen Dortmund“ (FAZ) – „genügsam, langsam, handzahm“ (SZ) erobert der VfB Stuttgart die Tabelle – Niederlagen und schlechte Leistungen in Serie, „Neuland für Meister Werder Bremen“ (SZ) – „Wen es der Ästhetik wegen zum FC Bayern München zieht, der besucht zur falschen Zeit den falschen Ort“ (SZ) / „mit dem Menschen Magath müssen sich die Bayern erst noch anfreunden“ (FAZ) – „es steht nicht gut um den FC Schalke 04“ (SZ) u.v.m.
FSV Mainz-Bayer Leverkusen 2:0
Der Frischefaktor der Liga
Jürgen Klopp, ein Botschafter des deutschen Fußballs – Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 13.9.): „Das Goethe-Institut hat einen Glücksgriff getan. Da stand sie nun, die bunte Gruppe von Sportjournalisten aus Brasilien, Venezuela, Mali, den Vereinigten Staaten, Indien, aus Benin und China – mit Jürgen Klopp im Mittelpunkt. Er erzählte, was es mit diesem kleinen, aber feinen Verein auf sich hat. Das Erfolgserlebnis war noch frisch. Klopps Wangen glühten, seine Augen strahlten, und er suchte bisweilen nach den passenden englischen Begriffen für das Phänomen Mainz, das schon in der Muttersprache schwer zu beschreiben ist – man muß es erleben. Vielleicht hat das Goethe-Institut die Herrschaften aus aller Welt neben anderen Schauplätzen wie Fernsehstudios und Zeitungsredaktionen genau deshalb hierher gelotst, um zu zeigen, was es mit der Fußballbegeisterung im Lande des Gastgebers der WM 2006 auf sich hat. „Es macht unheimlich Spaß“, sagt Klopp, und jeder nimmt ihm ab, was bei anderen wie eine Floskel klingt. Mainz, das ist der Frischefaktor der Liga, eine Fußball-Spaßgesellschaft (…) Konstant unkonstant, so präsentiert sich Leverkusen in diesen Wochen. Grandios, wenn es gegen die Liga-Prominenz wie Bayern München geht, unter Wert wie bei den Auftritten daheim gegen Hannover 96, bei Banik Ostrau und in Mainz.“
Er steht vor dir und du schreist ihn an, aber er versteht kein Wort
Ulrich Hartmann (SZ 13.9.): „Der eloquente Klopp wirkt in der Riege der oft abgebrüht und gelangweilt Auskunft gebenden Bundesligatrainer wie ein alter Schulfreund, und wenn er vom präsaisonalen Überlebenstraining der gesamten Mannschaft in der schwedischen Wildnis erzählt, könnte man meinen, bei dieser Profimannschaft handele es sich um ein integratives Sozialprojekt. Klopp freut sich über ganz andere Dinge, über emotionale Randerscheinungen wie die Stimmung im Stadion. „Du willst einem Spieler etwas zurufen“, erzählte er begeistert, „er steht vor dir und du schreist ihn an, aber er versteht kein Wort, weil es zu laut ist – das ist ein Genuss.““
Das ist so wie mit kleinen Kindern
Klaus Augenthaler hofft auf die pädagogische Wirkung der Niederlage – Thomas Kilchenstein (FR 13.9.) berichtet: „Normalerweise hätte er doch richtig doll lospoltern müssen. Klaus Augenthaler blieb ruhig, er verlor nicht die Beherrschung, das war bemerkenswert, und wie es innen drin aussieht, geht ja niemanden was an. Doch man konnte ahnen, dass es in ihm brodelte, man merkte das an so kleinen Spitzen: „Das ist so wie mit kleinen Kindern.“ Früher habe er seiner Tochter auch immer sagen müssen, dass sie die Blüten nicht abreißen soll, und als sie es weiterhin getan habe, „gab es was auf die Finger“. Aber was soll man mit Fußballern tun, noch dazu hochbezahlten? Auf die Finger, besser: auf die Füße hauen? „Diese Niederlage heute war wie auf die Finger hauen“, sagte Augenthaler.“
VfL Bochum-Borussia Dortmund 2:2
“Das Derby Bochum gegen Dortmund liefert längst mehr Emotion und setzt mehr Energie frei als der Ruhrgebietsklassiker Schalke gegen Dortmund“, stellt Richard Leipold (FAZ 13.9.) fest: „Auf dem Fußballplatz hatte eine dramatische Szene kurz vor Schluß den Stoff geliefert, aus dem die Albträume harmoniebedürftiger Menschen sind. Der Dortmunder Stürmer David Odonkor grätschte mit vollem Risiko nach dem Ball und traf dabei zwangsläufig Peter Madsen; dem Bochumer Dänen riß nach ersten Vermutungen das Syndesmoseband. Erzürnt über Odonkors rücksichtslose Attacke unweit der Bochumer Trainerbank, fuchtelte Peter Neururer wild mit den Armen, und sein Assistent Frank Heinemann versetzte dem Täter einen Schubs. Schiedsrichter Herbert Fandel ordnete das rüde Foul, gerade noch vertretbar, in die Kategorie „Gelb“ ein. In den Augen des Bochumer Trainers die falsche Farbe; er hätte sich die Rote Karte gewünscht. Van Marwijk widersprach abermals. „Es war ein Zweikampf, wie man ihn öfter sieht. Ich habe mich über die Reaktion von der Bank ein bißchen gewundert.“ Neururer geriet in Zorn und wurde schärfer im Ton. „Wenn das ein normaler Zweikampf ist, den wir öfter sehen, dann können wir aufhören, Fußball zu spielen. Wir können uns als moralischer Sieger fühlen.“ (…) Wie sein früherer Trainer sah sich Sunday Oliseh, der auf dem Rasen Ruhe bewahrte, als Sieger. „Sie haben es nicht geschafft, mich fertigzumachen“, sagte er. Für ihn ein Grund zum Feiern: Oliseh lief zu den Bochumer Fans, die ihn bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen hatten, und klatschte Beifall. Später besaß er sogar die Verve zu behaupten, er habe sich „für die gute Zeit“ mit ihnen bedanken wollen.“
Wird man sich wieder vertragen, Christoph Biermann (SZ 13.9.)? „Das rasende Gefasel umrahmte ein Fußballspiel, über dessen Bewertung sich beide Trainer dann doch einig waren. „Brisant, toll, temporeich, ein schönes Derby“, fand es Neururer. „Ich mag diese richtige Fußballatmosphäre“, sagte van Marwijk, hatte vor der Halbzeitpause aber Nachwirkungen der Oliseh-Debatte gesehen. „Wir waren davon beeindruckt und haben nicht gefußballt“, sagte er in schönstem Holländisch-Deutsch. Bei Standard Lüttich tritt der VfL Bochum zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder im Uefa-Cup an. Zu verdanken ist das auch dem Gegner vom Samstag, der am letzten Spieltag der vergangenen Saison diesen Platz noch verspielt hatte. „Und was macht ihr am Donnerstag?“, riefen die Bochumer Fans denen in Schwarz-Gelb zu. Womit bewiesen war, dass nachbarschaftliche Animositäten auch mit ein wenig Humor ausgetragen werden können.“
Wieder schlechte Nachrichten für Dortmund – Marcus Bark (FTD 13.9.): „Die Zeiten, in denen der BVB selbst auf der Bank noch überdurchschnittliches Personal hatte, sind vorbei. Fast täglich neue Schreckensmeldungen über die Finanzlage des einzigen börsennotierten deutschen Klubs zeigen, dass der BVB künftig zwingend auf die Odonkors, Gambinos und Senesies angewiesen ist. Am Samstag schrieben die „Ruhr Nachrichten“, dass die Borussia in diesem Jahr noch 4 Mio. Euro an die Assunta GmbH zahlen muss, um die Namensrechte am Westfalenstadion wieder zurückzubekommen. Außerdem erwartet die Stadt Dortmund noch 5 Mio. Euro Gewerbesteuer. Im Oktober werden die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres bekannt gegeben. Die Verluste werden auf 50 bis 60 Mio. Euro geschätzt. Mittlerweile wünscht sich so mancher BVB-Fan in den Internetforen, dass die Geschäftsführung des Vereins ausgewechselt wird.“
VfB Stuttgart-Hamburger SV 2:0
Derzeit der mit Sicherheit beste Mittelfeldspieler der Bundesliga
„Silvio Meißner will für Klinsmann vorspielen“, erfährt Roland Zorn (FAZ 13.9.): „Was der VfB produzierte, reichte gerade so, um die braven Hamburger nicht auf freche Gedanken zu bringen. Matthias Sammer hat zu Beginn seiner zweiten Laufbahn auf dem Was‘n einen schmackhaften Mix aus besten Stuttgarter Zutaten vorgesetzt bekommen. Als da waren: spektakulärer Fußball wie beim 4:2 gegen Mainz und beim 3:2-Sieg in Kaiserslautern, taktisch kluger Fußball wie beim in Unterzahl erkämpften 1:1 in Nürnberg, defensiv wohlgeordneter Fußball wie beim schmucklosen 2:0 über den HSV und effektiver Fußball wie bei jener eingeübten Freistoßvariante, nach der Meißner sein Kopfballtreffer gelang. (…) Meißners Kumpel Horst Heldt hat den Aufstieg seines Freundes Silvio zu den Großen gefordert. „Er ist“, lautete Heldts Laudatio, „derzeit der mit Sicherheit beste Mittelfeldspieler der Bundesliga, und ich fände es schade, wenn er wegen angeblicher Perspektivlosigkeit (Meißner ist 31 Jahre alt) nicht für die Nationalmannschaft in Frage käme.“ Meißner selbst verlangte gar nichts. Er bat den Stuttgarter Bundestrainer Jürgen Klinsmann und seinen Assistenten Joachim Löw lediglich indirekt darum, auch mal auf ihn zu schauen.“
Genügsam, langsam, handzahm
Jörg Marwedel (SZ 13.9.) ist enttäuscht vom Spitzenreiter: „Ausgerechnet vor ihrem Start in die internationale Saison, und insgesamt sieben Spielen in 23 Tagen, boten die Stuttgarter eine Vorstellung, als hätten sie noch nie von der Debatte um die zu behebenden Tempomängel des deutschen Fußballs gehört. So genügsam, langsam und handzahm schlichen die VfB-Profis über den Rasen, dass sie fast einen idealen Aufbaugegner für den verzweifelt auf den Aufschwung hoffenden HSV abgaben. Dabei hatten die Hamburger in der ersten Hälfte des Spiels vorgeführt, wie mühsam der Prozess ist, aus einer Ansammlung mit insgesamt fünf neuen Kräften so etwas wie eine couragierte Einheit zu formen. Mutlos waren sie da über das Feld gestapft. Beim 1:0 leistete das uneingespielte Ensemble kräftig Beihilfe. Bei einem Freistoß von Aliaksandr Hleb stahl sich Meißner in den Strafraum, ohne dass sich jemand zuständig fühlte und ihn am Kopfball hinderte. „Der Trainer schreibt es jedes mal an, aber irgendwer pennt immer“, giftete Torhüter Martin Pieckenhagen. Überraschend indes, wen HSV-Trainer Klaus Toppmöller für diesen Fall eingeteilt hatte: Mpenza, die einzige Angriffsspitze.“
Borussia Mönchengladbach-Werder Bremen 3:1
Wie es drinnen wirklich aussieht, geht niemanden etwas an
Jörg Stratmann (FAZ 13.9.) bestaunt Thomas Schaafs Gelassenheit: „Nur keine Aufregung. Da muß schon mehr kommen, um den Trainer Werder Bremens aus der Fassung zu bringen. Der Mann bewahrt sich angesichts der zunehmenden Hektik um ihn herum lieber den ironischen Zug in der bärbeißig wirkenden Miene und hat weiterhin die Ruhe weg. „Es ist nicht viel, was die Mannschaft falsch macht“, sagte Schaaf. Nur „der letzte Meter fehlt“, und „alle müssen einen Tick mehr tun“, nicht mehr. Wie es drinnen wirklich aussieht, geht niemanden etwas an. Ein Fels wie Schaaf ist wohl nötig, um in der zunehmend unruhigen See um Werder ein wenig festen Halt zu bieten. Andere im Bremer Boot werden schon unruhig angesichts der veränderten Arbeitsauffassung des aktiven Personals. Kein Biß mehr wie noch im Februar auf dem alten Gladbacher Bökelberg, wo sich Werder an einem stürmisch kalten Wintertag in der Nachspielzeit einen 2:1-Sieg über die Borussia erkämpfte und damit den Ehrgeiz unterstrich, unbedingt Meister werden zu wollen. Nun sind sie Meister und tun so, als sei es Majestätsbeleidigung, ihr feines, aber selbstgefälliges Kombinationsspiel mit Kampfkraft zu unterbinden. So nahm sich Sportdirektor Klaus Allofs die Profis zur Brust. „Wenn wir so weiterspielen, werden wir in dieser Saison nicht viele Spiele gewinnen“.“
Neuland für den Meister
Daniel Theweleit (SZ 13.9.) empfiehlt den Bremer Spielern Selbstkritik: „Richtig klar ist den Spielern nicht, was ihnen gerade widerfährt. Ivan Klasnic meinte, „im letzten Jahr hätten wir so ein Spiel mit etwas Glück gewonnen. Das ist vielleicht der Punkt“. Höhere Mächte also. Zu einer genaueren Analyse war er nicht im Stande. „Den Spielern ist vielleicht gar nicht so bewusst, dass sie weniger machen. Das muss in die Köpfe rein“, überlegte Allofs. Man habe schon vor der Saison gewusst, dass das die schwerste Aufgabe werden würde – der Kampf gegen das Gefühl der Sättigung nach Pokalsieg und Meisterschaft. Ausgerechnet vor der Premiere in der Champions League steckt der Meister nach zwei Spielen ohne Punkt in einem Formtief. Im Umgang mit dieser gesteigerten kritischen Wahrnehmung sind sie in Bremen ebenso ungeübt, wie im Verarbeiten von zwei Niederlagen hintereinander. Viel Neuland für den Meister. (…) Das Gladbacher Team hat deutlich an Stabilität gewonnen. Unkonzentriertheiten nach eigenen Toren, die gegen Dortmund beklagt wurden, bekämpfte es mit Leidenschaft, und sieht der Borussia-Park an vielen Ecken noch wie eine Baustelle aus, so funktioniert er als Stimmungsmaschine schon hervorragend. Wenigstens in dieser Hinsicht konnten die Bremer die Partie als gelungene Vorbereitung auf Mailand betrachten.“
Bayern München-Arminia Bielefeld 1:0
Brodelt’s in München, Thomas Becker (FR 13.9.)? „Als Teetrinker kennt sich Felix Magath aus mit heißem Wasser. An einem bestimmten Punkt beginnt es zu kochen, dass der Kessel nur so pfeift. Es ist ein Prozess, der sich ankündigt: mit einem Grummeln, ein paar ersten Schnaufern, bis er richtig losbricht, der Lärm. Ganz ungefährlich ist die Sache nicht: Man kann sich ordentlich die Finger verbrennen. Bislang blieb Magath in seinen ersten Monaten beim FC Bayern von Brandblasen verschont. Doch in der dritten Halbzeit nach dem Jammersieg gegen Arminia Bielefeld war zu besichtigen, was passiert, wenn ein Fußballtrainer kurz davor ist, den Aggregatzustand zu ändern. (…) Seinen 59. Jubeltag verbrachte Franz Beckenbauer neben Söhnchen Joel auf der Ehrentribüne, natürlich nicht ohne die Stimmung anzuheizen: „Wir haben zwei Jahre lang im Schongang gespielt. Da hat sich jeder zurückgelehnt und demjenigen, der unglücklicherweise den Ball haben musste, zugeschaut und viel Glück gewünscht.“ Schönen Gruß an Ottmar Hitzfeld! Magath möchte man solch üble Nachrede nicht wünschen. Mit Abwarten und Teetrinken wird er sich ganz sicher nicht begnügen.“
Wen es der Ästhetik wegen zum FC Bayern zieht, der besucht zur falschen Zeit den falschen Ort
„Eine der ereignisärmsten Partien in der Bayern-Historie beruhigt das Betriebsklima, erregt aber das Publikum“, gähnt Klaus Hoeltzenbein (SZ 13.9.): „Erst nach dem Abpfiff gab es laute Buhs wie selten zuvor im Olympiastadion, denen Magath kühn den Nutzwert entgegen stellte. Wen es derzeit allein der Fußball-Ästhetik wegen zum FC Bayern zieht, der besucht zur falschen Zeit den falschen Ort. Wer indes mehr an Hochpreis-Psychologie interessiert ist, wer die Muße hat, einen der letzten sonnigen Samstage des Jahres für die Beobachtung eines Sozialexperimentes zu verschwenden, der war hier genau richtig. Als „Kulturschock“, hat Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef dieser Therapiegruppe, den Zustand bezeichnet, in dem sich die Münchner seit dem Trainerwechsel befinde. Die Mannschaft wurde durch Magaths Trimm-dich-Programm entwurzelt, ihrer Heimatkultur des Mir-san-mir vorläufig beraubt. Alles soll neu sein, nur das Resultat ist noch gut bekannt aus der Dämmerung der Hitzfeld-Ära: Nichts läuft rund, nichts souverän – und irgendwann taucht ein Phantom auf: Irgendwann trifft Roy Makaay. (…) Begrüßt wurde Beckenbauer vom forschen Stadionsprecher als „Der kleine Franz“, der „verzweifelt“ seine „vergangenen Lebensjahre“ sucht. In Tel Aviv wird Beckenbauer fehlen, dennoch hatte er noch einen Ratschlag für alle, die wegen des jüdischen Feiertages Rosch Haschanah am Mittwoch nicht mit dem Auto zum Stadion fahren dürfen: „Für die körperliche Fitness ist es gut, zu laufen!“ In München ist Magaths Credo zwar noch nicht angekommen, es wird aber bereits exportiert.“
Mit dem Menschen Magath müssen sich die Bayern erst noch anfreunden
Warum läuft’s nicht bei den Bayern, Elisabeth Schlammerl (FAZ 13.9.)? „Das Spiel war gerade aus, da flimmerte der Werbespot eines Sponsors über die Videowand oberhalb der Gegentribüne. Er begann mit dem Versprechen, daß der FC Bayern München vor einer „großartigen Saison“ stehe. Der Spot hätte nicht unpassender sein können. (…) Nicht nur die Umstellung vom gemächlichen Sicherheitsfußball auf temporeiche Offensive macht den Bayern zu schaffen, auch mit dem Menschen Magath müssen sich die Bayern erst noch anfreunden. Anders als sein Vorgänger Ottmar Hitzfeld nimmt der neue Trainer seine Spieler nicht in Schutz. Er trägt seine Scharmützel lieber in der Öffentlichkeit aus als hinter verschlossenen Kabinentüren. Wenn man ihn in Ruhe arbeiten läßt, wird der neue Trainer den Kampf gegen das widerspenstige Starensemble aus München vermutlich gewinnen, die Frage ist nur, ob rechtzeitig genug, damit die Saison noch eine großartige werden kann.“
Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 13.9.) fügt hinzu: „Natürlich stellt sich nach vier Spieltagen die Trainerfrage nicht. Aber sie wurde verblüffenderweise von Franz Beckenbauer gegenständlich gemacht, als der Präsident ohne Not sagte: „Der Vorstand und der Aufsichtsrat stehen hinter Felix Magath. Wir wünschen ihm, dass er die Kurve kriegt.“ Denn die Mannschaft leidet immer noch „unter den gleichen Defiziten wie in den letzten Jahren. Man sieht, wie schwer es ihnen fällt, den Schalter umzulegen“, so Beckenbauer. Es wird ein mühseliger Prozess werden, um diese von Bequemlichkeit so hartnäckig heimgesuchte Mannschaft zu revitalisieren.“
Die SZ (13.9.) notiert Franz Beckenbauers Äußerung über seinen Geburtstagswunsch und den Hang der Menschheit, Kriege zu führen: ¸Mein größter Wunsch ist Frieden auf der Welt. Wir sind immer noch am Beginn der Evolution. Wir sind den Tieren immer noch sehr ähnlich. Der einzige Unterschied ist, dass Gott uns die Stimme gab.“
VfL Wolfsburg-Schalke 04 3:0
Es steht nicht gut um den FC Schalke 04
Wie ist die Stimmung in Schalke, Javier Cáceres (SZ 13.9.)? „Es steht nicht gut um den FC Schalke 04. Die „kleinen Mosaiksteinchen“ haben sich vielmehr in den vergangenen Wochen derart „negativ zusammengefügt“ (Jupp Heynckes), dass die Nerven blank liegen. Sehr blank. Vor allem bei Torwart Frank Rost, der die Leistung der eigenen Mannschaft zwar „blamabel“ nannte, bei der Erörterung einer etwaigen Mitverantwortung für das 1:0 aber in gehobener Stimmlage erklärte, er sei des „blöden Gelabers von Journalisten“ überdrüssig: Fußballprofis würden in der Öffentlichkeit nur noch „als überbezahlte Idioten und Volldeppen“ wahrgenommen, die „wie Freiwild zum Abschuss freigegeben“ seien. So gesehen muss über den nach Einschätzung von rund 25 000 Zuschauern zur 69. Minute eingewechselten Mittelfeldspieler Lincoln unbedingt eine schützende Hand gehalten werden. Denn als der Brasilianer frisch geduscht aus der Kabine kam und um eine Meinungsäußerung gebeten wurde, setzte er sich vorsichtshalber von den Kameraden ab: „Ich habe doch gar nicht gespielt!“ Alibis bitte schicken an: Lincoln, c/O FC Schalke 04, Ernst-Kuzorra-Weg 1, D- 45891 Gelsenkirchen. Nicht zuletzt wegen solcher Äußerungen muss die Arbeit, die noch Heynckes liegt, als umfangreich und diffizil angesehen werden.“
Heynckes ist nicht derjenige, der allein schuldig ist
Achim Lierchert (FAZ 13.9.) ergänzt: „Viel Zeit, den negativen Trend umzukehren, bleibt Jupp Heynckes nun nicht mehr. Gegen Liepajas und in der Liga gegen Mönchengladbach muß der seit elf Jahren schlechteste Start korrigiert werden, ansonsten ist auch angesichts der brisanten Finanzlage des Klubs und der deshalb gereizten Nerven für nichts mehr zu garantieren. Die Stimmung im Umfeld ist angespannt: In Wolfsburg forderten die Fans lange vergeblich die Einwechslung ihres Lieblingsspielers Jörg Böhme, ehe sich der Zorn manches Schalkers in „Heynckes-raus“-Rufen Erleichterung verschaffte. Ob sich Rudi Assauer davon beeindrucken läßt, bleibt offen: „Heynckes ist nicht derjenige, der allein schuldig ist.“ Es gab kein klares Bekenntnis des Machers zu seinem sportlichen Leiter. Dicke Luft auf Schalke, Wolfsburg dagegen schwebt auf Wolke sieben. Nach dem erfolgreichsten Start in der Vereinsgeschichte träumt der VfL davon, die vom großen Geldgeber Volkswagen hochgesteckten Ziele in diesem Jahr endlich zu erreichen. In die Erleichterung, den großen Knall in der Führung der Fußball-GmbH nach der Pokalpanne und dem Rücktritt von Manager Peter Pander offenbar gut überstanden zu haben, mischt sich diesmal berechtigte Zuversicht, das graue Image endlich loszuwerden.“
1. FC Nürnberg-Hertha BSC Berlin 0:0
Schafe zählt Volker Kreisl (SZ 13.9.) nicht: „Auf einmal waren überall Luftballons und sie passten wunderbar zu diesem Spiel. Weiße und hellblaue Luftballons, achtlos weggeworfen, hatten sich auf der Laufbahn im Frankenstadion versammelt, und als das Spiel angepfiffen wurde, trieb sie der Wind aufs Feld wie eine Gänseherde. Die Ballons verweilten etwas am Hertha-Strafraum, wagten sich dann vor zum Mittelkreis, machten aber bald kehrt, vielleicht weil manche von Stollen zertreten wurden, oder auch, weil der Wind sie zurückpfiff. Jedenfalls waren die Ballons plötzlich weg, dafür liefen nun Menschen hin und her, und stießen manchmal zusammen und der kleine Hartballon, der Fußball heißt, prallte von Oberkörper zu Rist und wieder zurück und manchmal wehte auch eine Torchance in den Strafraum. Mehr passierte nicht in 90 Minuten, am Ende blieb es bei den Ergebnis, das aussieht wie zwei Luftballons.“
Armin Grasmuck (FAZ 13.9.) wischt sich den Schlaf aus den Augen: „Die Nürnberger Himmelsstürmer von gestern wirkten derart ängstlich und verkrampft, als hätte sie die unglückliche 3:4-Niederlage beim Hamburger SV essentiell zurückgeworfen. Besonders die zu Saisonbeginn hochgelobte Angriffsreihe um Spielgestalter Ivica Banovic und die schnellen Stürmer Robert Vittek und Marek Mintal, die in den ersten drei Partien kombinationsstark und zielstrebig zu Werke gegangen war, ließ gegen die Hertha jegliche Durchschlagskraft vermissen. Die Probleme von Hertha BSC sind anders gelagert: Es hakt im Abschluß. Mit einer konsequenten Chancenauswertung hätten die Berliner frühzeitig die Voraussetzungen für einen Erfolg schaffen können.“
morgen auf indirekter-freistoss: Pressestimmen über die Spiele (Sonntag) in Hannover und Rostock