Bundesliga
Beheizte Sitzplätze für Frauen mit Gucci-Handtäschchen und wetterempfindlichen Frisuren
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| Dienstag, 14. September 2004Alexandros Stefanidis (Zeit 9.9.) befasst sich mit dem Zuschauerboom: „Jahr für Jahr verabschieden sich die besten Bundesliga-Clubs frühzeitig aus der Champions League oder dem UEFA-Cup. Die Bundesliga, das ist nichts Neues, gehört nicht mehr zur europäischen Spitze. Aber ein Phänomen überrascht trotzdem: Die Zuschauer strömen wie nie zuvor in die Stadien. Während der vergangenen Saison lösten 10724586 Menschen eine Eintrittskarte: Bundesliga-Rekord. Im dritten Jahr in Folge steigen nun die Besucherzahlen. Nicht einmal das schlechte Abschneiden der Nationalmannschaft in Portugal scheint diesen Boom aufzuhalten. Die Vereine der Ersten Bundesliga haben vor Saisonbeginn gleich einen neuen Rekord aufgestellt: Sie verkauften mit 337800 Dauerkarten knapp 6000 mehr als vor der vergangenen Spielzeit. Für diese Saison erwartet die DFL erstmals mehr als 11 Millionen zahlende Zuschauer. Woran liegt das? Woher diese Leidenschaft, ein Spiel anzuschauen, bei dem, wie Alice Schwarzer es gerne beschreibt, „22 junge Männer wie die Bekloppten einem Ball nachrennen“? Klar ist seit langem: Es werden nicht mehr nur Stehplätze an blökende Männer mit Bier und Bratwurst in der Hand verkauft, sondern auch beheizte Sitzplätze in VIP-Lounges an Frauen mit Gucci-Handtäschchen und wetterempfindlichen Frisuren. Die Stadien, die für die WM 2006 gebaut worden sind, sind attraktiver als die alten Betonschüsseln mit ihren bröckelnden Außenfassaden. Und seit Gründung der DFL im Jahr 2000 wird das Produkt Bundesliga besser vermarktet. In der Saison 2002/03 betrug der Umsatz der Vereine 1,1 Milliarden Euro. Damit gehört die Liga zu den drei finanzstärksten in Europa. Ihre Stars gehören zur Elite der Prominenten, Ballack einmal live zu sehen, ihm körperlich nahe zu sein macht einen Samstagnachmittag trotz eines hohen Eintrittspreises (durchschnittlich 15 Euro) zum Erlebnis. „Menschen haben das Bedürfnis, an den Erfolgen anderer teilzuhaben“, sagt Professor Bernd Strauß vom Institut für Sportpsychologie der Universität Münster. Fachleute nennen dieses Phänomen basking in reflected glory, sich im Ruhme anderer sonnen, kurz: BIRG.“
Klare Aufgaben in einem überschaubaren Konzept
In welcher Tradition steht Jürgen Klopp, Martin Hägele (NZZ 14.9.)? „Der FSV Mainz 05 ist nach einem Monat endgültig angekommen in der Bundesliga, und Trainer Klopp ist ein Lichtblick in einer Branche, die tief in der Krise steckt. Auch überwiegend in Deutschland geborene und aufgewachsene Professionals können auf gehobenem Niveau Fussball spielen, wenn man ihnen klare Aufgaben in einem überschaubaren Konzept vorgibt. Das ist ja das wahre Geheimnis dieses Spiels; leider gibt es nur ganz wenige Trainer, die diese Lehre so einfach vermitteln können. Volker Finke ist dies mit seiner Freiburger Multikulti-Truppe gelungen, danach Felix Magath mit den „jungen Wilden“ vom VfB Stuttgart und nun also dem 37-jährigen Selfmade-Trainer Klopp.“