Champions League
Boykottieren die Spieler Magath?
Kommentare deaktiviert für Boykottieren die Spieler Magath?
| Dienstag, 14. September 2004Bayer Leverkusens Comeback, „die Zeit der Leere ist vorbei“ (FAZ) – Zweifel an der Stärke und der Strategie Real Madrids: „Briten haben im spanischen Fußball bisher wenig bewegt“ (FAZ) / „der neue Trainer Camacho will, dass Real hungriger, schneller, praktischer, dynamischer, geschlossener spielt“ (BLZ) – „Boykottieren die Spieler Magath dafür, dass der Trainer sie öffentlich lächerlich machte mit seinem Vorwurf übertriebener Haarkosmetik?“ (FTD) / Hashemian bleibt auf dem Sofa – „Maccabi Tel Aviv ist mit 15 Meistertiteln seit der Staatsgründung 1948 die erfolgreichste israelische Fußballmannschaft“ (FAZ) u.v.m.
……………
Die Zeit der Leere ist vorbei
Welche Bedeutung misst man in Leverkusen der Rückkehr in die Champions League zu, Gregor Derichs (FAZ 15.9.)? „Die Zeit der Leere ist vorbei. Mit dem Anstoß fühlen sich Spieler und Verantwortliche bei Bayer Leverkusen wie Rückkehrer in der Heimat. „Es war bitter, zuschauen zu müssen. Wer einmal dabei war, weiß, was das für ein tolles Gefühl ist“, sagte Carsten Ramelow (…) Für Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser ist das Comeback in der Topliga ein Schritt zur Konsolidierung des Vereins. 150 Millionen Euro pro Saison nahm der Klub in besten Zeiten ein. Der Absturz in der Bundesliga führte zu einer Halbierung der Einnahmen, was sich auf den Kader auswirkte. Lucio, Michael Ballack, Boris Zivkovic, Zoltan Sebescen, Oliver Neuville, Yildiray Bastürk und Thomas Brdaric haben den Verein verlassen, der sich auch auf der administrativen Ebene verschlankt hat. Reiner Calmund, Ilja Kaenzig, Jürgen Kohler kehrten dem Klub den Rücken, Rudi Völler entschied sich für den AS Rom.“
Briten haben im spanischen Fußball bisher wenig bewegt
Paul Ingendaay (FAZ 15.9.) bezweifelt die Stärke Real Madrids: „Real steht mit zwei knappen Siegen auf dem dritten Tabellenplatz, verrät aber alarmierende Schwächen, die an den desolaten Zustand des letzten Frühjahrs erinnern: wenig Laufarbeit, fehlende Dynamik, keine Verbindung zwischen Verteidigung und Angriff. Die hochmotivierte Künstlertruppe von damals, so scheint es, ist vor allem ein Jahr älter geworden. Mit solchen Schwächen ist das Team auf die Klasse seiner Stars angewiesen, doch diese prägen das Spiel – außer dem Veteranen Luis Figo – weniger als früher. (…) Angesichts dieser Probleme darf man die Einkaufspolitik von Florentino Pérez zumindest ungewöhnlich nennen. Zum erstenmal in seiner Amtszeit gab der Präsident hohe Summen für Verteidiger aus. Der aus Rom dazugestoßene Argentinier Walter Samuel, genannt „die Mauer“, dürfte sein Debüt in einem Pflichtspiel geben. Etwas länger werden die Madrilenen noch auf den Einsatz des verletzten Briten Jonathan Woodgate warten müssen, ehemals Newcastle United. Aber irgendetwas stimmt hier nicht. Jahrelang glaubte Real mit einer langsamen und oft amateurhaft agierenden Abwehr leben zu können, weil die Künstler in der Angriffsabteilung für die Tore sorgten. Dann bekam es der Präsident mit der Angst zu tun und verpflichtete zwei der renommiertesten Innenverteidiger Europas auf einen Schlag. Die Feuerprobe für dieses Konzept steht noch aus. Dasselbe gilt für die Idee, mit Beckham, Woodgate und Michael Owen drei Engländer in die Mannschaft zu stecken. Briten haben im spanischen Fußball bisher wenig bewegt, anders als Holländer, Deutsche oder Argentinier.“
Die Berühmtheiten schoben sich die Kugel nach dem alten Motto zu: Irgendeinem wird schon etwas einfallen
Was Ralf Itzel (BLZ 15.9.) über Real schreibt, klingt wie ein Bericht über Bayern München: “José Camacho gilt als starker Mann und nicht nur wegen seines Aussehens als Dickschädel. Der stets grimmig dreinblickende 49-Jährige war bereits vor einigen Jahren Übungsleiter bei Real, doch nach nur 22 Tagen stellte er wegen eines Streits mit Florentino Perez‘ Vorgänger Lorenzo Sanz sein Amt zur Verfügung. Ob er mit Perez ein krisenfestes Gleichgewicht findet, muss sich erweisen. Auf Jorge Valdano als Puffer können die beiden nicht mehr bauen. Der Argentinier, feinzüngiger Vermittler zwischen allen Parteien, hat seinen Dienst als Sportdirektor quittiert. Der zum Nachfolger beförderte Emilio Butragueno verfügt bei weitem nicht über sein Format. Der neue Trainer soll Zug in den Kader bringen. Camacho will, dass Real hungriger, schneller, praktischer, dynamischer, geschlossener spielt. Beim 1:0 gegen Numancia war vom neuen Stil allerdings nichts zu sehen. Die Berühmtheiten schoben sich die Kugel nach dem alten Motto zu: Irgendeinem von uns wird schon etwas einfallen. Am Ende dominierte sogar der bescheidene Gegner, und die Zuschauer verabschiedeten die Madrilenen mit Pfiffen.“
Boykottieren die Spieler Magath?
Auch die Bayern steigen heute in Champions League ein – nicht gerade mit dem, was man Euphorie nennt, Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 15.9.): „Nur 65 Fans, so wenig wie noch nie, haben das Team begleitet. Kein Wunder: Das Auswärtige Amt rät Privatpersonen von einer Reise nach Israel derzeit ab. Die kleine Gruppe hat viel Sicherheitspersonal: Neben fünf Ordnern vom Verein begleiten zwei Polizeibeamte sowie drei Beamte vom Bundeskriminalamt die Fußballtouristen, die möglichst keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen sollen. Als ob das nicht reichen würde an Beschwernissen, befindet sich die Mannschaft in keiner guten Verfassung. Mit einer fast desolaten Leistung zog sie sich gegen Arminia Bielefeld den Unmut der Zuschauer zu, von denen viele noch eine Viertelstunde nach Abpfiff regelrecht aufgebracht die Mannschaft auspfiffen. Die unwillige, träge Spielweise des FC Bayern weckt geradezu den Verdacht, in den Hinterköpfen könnte sich der Vorsatz eingenistet haben, sich auf einen frühen Machtkampf mit Felix Magath eingelassen zu haben. Boykottieren die Spieler Magath dafür, dass der Trainer sie öffentlich lächerlich machte mit seinem Vorwurf übertriebener Haarkosmetik? Diese Reaktion wäre so untypisch nicht fürs Personal des FC Bayern.“
FC Langeweile
In Israel liest man auch deutsche Zeitungen (vermutlich den freistoss) – Raphael Honigstein (FTD 15.9.): „Am Sonntag war sie endlich da, die glitzernde Fußballwelt. Im leicht schäbigen Trainingszentrum im Süden der Stadt, wo kleine Werkstätten und veraltete Industriebetriebe den Blick auf den Strand verstellen, bekamen die Maccabi-Spieler ihre offiziellen Champions League-Anzüge verpasst, und das Tamtam war groß: Die feine Sakko-Hose-Kombination, das muss man wissen, ist in dem heißen Land mit den lockeren Umgangsformen ungefähr so verbreitet wie der Schottenrock in Oberbayern. Kaum einer konnte sich die Krawatte selber binden, aber Erez Mesika gefiel sich in dem dunklen Zwirn so gut, dass er verkündete, am 12. April darin heiraten zu wollen. (…) Die Stimmung bei den Außenseitern ist nicht nur wegen der schicken neuen Kleidung außerordentlich gut. Kreativspieler Bruno Reis, wie es sein brasilianischer Pass verlangt der Spaßvogel des Teams, hat nach eingehender Video-Studie ganz ernsthaft verkündet, dass man die Bayern wohl „zum richtigen Zeitpunkt“ treffen würde. Die Boulevardpresse hat die ganze Woche über genüsslich von den Problemen der „Haargel-Mannschaft“ des „FC Langeweile“ berichtet. Maccabi gilt als der größte und mächtigste Verein im Land. Rivalen klagen, dass Herzikovic und Co. hinter den Kulissen den Verband beherrschten.“
Im Jahr 5764
Die NZZ (15.9.) erinnert an den Streit um den Termin: „Obwohl die Maccabi-Verantwortlichen eindringlichst um Verlegung gebeten hatten und der FC Bayern einverstanden gewesen wäre, beharrten die Herren Funktionäre in Nyon auf dem ursprünglich angesetzten Termin. So gibt der nationale Meisterschaftszweite sein Début zu einem für israelische Spieler und Fans unmöglichen Zeitpunkt: am Erev Rosh Hashana, dem Abend des jüdischen Neujahrsfests. Orthodoxen Juden ist es an diesem Tag verboten, zu arbeiten, Auto zu fahren oder Licht anzumachen. Wenn am letzten Tag des jüdischen Jahres 5764 das Flutlicht angeht, wird damit ein Politikum mit gleich mehreren ins Absurde neigenden Vorgeschichten fortgesetzt. Auf die Bitte der Israeli, den Match auf Dienstag vorzuverlegen, reagierte die Uefa mit dem Vorschlag, den Anpfiff von 20.45 auf 16.45 Uhr zu verschieben. Das war keine gute Idee, denn zu dieser Zeit befinden sich viele, auch Fussballer, in der Synagoge. Maccabis Verantwortliche mussten das wenig durchdachte Angebot ausschlagen. Dann lieber doch zum vorgesehenen Zeitpunkt, lieber wenige Zuschauer auf den Tribünen als gar keine. Sogar das Oberste Gericht Israels musste sich mit dem Fall beschäftigen. Zwei Gruppen hatten das Verbot des Spiels gefordert, weil es religiöse Werte unterminiere. Am Montag erklärte das Gericht, es habe keine juristische Handhabe. (…) Kurioserweise stellt Maccabi Tel Aviv zurzeit keinen Nationalspieler.“
Michael Borgstede (FAZ 15.9.) fügt hinzu: „Das Gezerre um den Spieltermin war gerade ausgestanden, als sich ein neuer Konflikt anbahnte. Der Bayern-Stürmer Vahid Hashemian wäre seit der islamischen Revolution von 1979 der erste nach Israel reisende iranische Sportler gewesen. Ein Gespräch mit Trainer Magath mündete zunächst in Hashemians Bereitschaft, die Reise nach Tel Aviv anzutreten. Nachdem ein Sprecher der staatlichen iranischen Sportorganisation allerdings darauf hingewiesen hatte, daß Reisen nach Israel für iranische Sportler illegal seien und vor möglichen Konsequenzen warnte, hieß es bei Bayern München, Hashemian werde wegen einer unterschätzten Rückenverletzung zu Hause bleiben. Das könnte die Bayern in Bedrängnis bringen. (…) Maccabi Tel Aviv ist mit 15 Meistertiteln seit der Staatsgründung 1948 und 21 Pokalsiegen die erfolgreichste israelische Fußballmannschaft. Seit 2002 wird das Team von Nir Klinger, einem 83maligen ehemaligen Nationalspieler trainiert, dem es gelang, Maccabi aus einer mehrjährigen Krise herauszuführen. „Der Deutsche“, wie Klinger von den Fans respektvoll genannt wird, gilt als willensstark und konsequent. Seine Trainingsmethoden sind effektiv, er besteht auf Pünktlichkeit und Disziplin. So hat er ein Team geformt, dessen Stärke in seiner Homogenität liegt.“