Champions League
Beauty-Salon hier, frisch aus der Kneipe da
Kommentare deaktiviert für Beauty-Salon hier, frisch aus der Kneipe da
| Donnerstag, 30. September 2004Roy Makaay und Wayne Rooney, zwei unterschiedliche Stars – „ein typischer Bayer-Abend in Kiew“ (FAZ) – das angeschlagene Real Madrid besiegt den angeschlagenen AS Rom u.v.m.
………….
Bayern München-Ajax Amsterdam 4:0
Ein überdurchschnittlich begabter Langweiler
Roy Makaay, ein Star ohne Glamour – Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 30.9.): „Kann dieser so fest auf dem Erdengrund verwachsene Roy Makaay jemals abheben? Das geht schon deshalb nicht, „weil ich dazu gar keine Zeit habe“, sagte er am Tag danach. Und gab Auskunft über seinem dichten Terminkalender: „Bis um 24 Uhr saß ich in der Kabine, bis um ein Uhr im V.I.P.-Raum.“ Nein, er habe sich kein Bier gegönnt, „weil ich noch nach Hause fahren musste“. Dort sei er um zwei Uhr angekommen, „und um sieben habe ich die Kinder in den Kindergarten gebracht“. Aber auch aus anderem Grund dürfte Makaay auf dem Teppich bleiben, solange er gegen den Ball tritt. Weil er seine beinahe gespenstische Ausbeute beim Torerfolg eben dieser Verwurzelung im Alltag verdankt. Was mögen die Gartennachbarn der Familie Makaay über diesen Mann denken, wenn er abends im Fernseher Glitzertore schießt, um am nächsten Morgen an den Fleißigen Lieschen im Balkonkasten zu zupfen und die Mülltüte rauszutragen, um winkend „Guten Morgen!“ herüberzurufen und die Semmeln einzukaufen? Roy Makaay, der in seinem Geld schwimmen könnte, ist derart stinknormal, dass er schon im Ruf steht, ein überdurchschnittlich begabter Langweiler zu sein.“
„Roy Makaay zeigt sich als Meister der einfachen Lösungen“, staunt Klaus Hoeltzenbein (SZ 30.9.): „Lange gesucht hatten die Münchner nach einem Stürmer wie Makaay, eigentlich seit 1979, jenem Jahr, in dem Gerd Müller sich in die USA absetzte. Dutzende haben seither im Trikot der Bayern vorgespielt, Karl-Heinz Rummenigge begeisterte mit seinen Dribblings, Dieter Hoeneß überzeugte durch Strafraum-Präsenz, Giovane Elber brachte die Samba in die Stadt. Es gab aber auch jene Tage, in den sich das Duo Mic&Mac, Mihajlovic und McInally, im Wege stand, der Kolumbianer Adolfo Valencia wegen seiner gefürchteten Hochweitschüsse als „Der Entlauber“ auftrat, oder Roland Wohlfarth – mit 162 Toren vor Rummenigge (119) immerhin Bayerns bislang zweitbester Bundesliga-Angreifer – von seinem Kollegen Klaus Augenthaler mit Gewalt zum Elfmeterpunkt geschoben werden musste. Nur so hatte es für ihn zum Torschützenkönig gelangt. Roy Makaay muss niemand drängen, auch nicht an diesem Dienstag, der für ihn so wichtig war, ohne dass er später näher darauf eingegangen wäre. Natürlich sollte es eine Demonstration sein, gegenüber Ajax, wo er nie gespielt hat, gegenüber Hollands altem Nationaltrainer Dick Advocaat, der ihn bei der EM in Portugal nie von Beginn an aufstellte, und gegenüber Marco van Basten, dem neuen, der ihn gleich zu seiner Premiere wieder auf der Bank sitzen ließ.“
Ich bin ein bißchen mehr als zufrieden
Roland Zorn (FAZ 30.9.) ist von den Bayern begeistert: „Fußball fürs Herz, Fußball mit Herz: Genau das hatten die Vereinsoberen und Felix Magath vor der Dienstagsshow von ihrer Mannschaft während einer langen Sitzung eingefordert. „Wenn zur Klasse unserer Spieler die Leidenschaft kommt“, bilanzierte Hoeneß die Sternstunde, „kommt so was dabei heraus.“ Selbst Roy Makaay, längst einer der beliebtesten Holländer, die je in Deutschland viel Geld verdienten, gönnte sich eine Äußerung, die, gemessen an seinen nach Spielfluß schnell eingeebneten Emotionen, schon nach Hochgefühl klang: „Ich bin ein bißchen mehr als zufrieden.“ Die Elogen auf den Star, der seine Kunst als die einfachste Sache der Welt versteht, hielten andere, die dazu berufen waren. Gerd Müller zum Beispiel, die Ikone unter allen Bayern-Torjägern, war überwältigt ob der wieder einmal atemraubenden Präzision seines Epigonen: „Einfach absolute Weltklasse, irre, super“, sprach der „Bomber“ wie ein Fan. „Er braucht den Ball nur in Richtung Tor zu schießen, und schon ist er drin“, urteilte Makaays staunender Kollege Michael Ballack.“
Martin Hägele (NZZ 30.9.) befasst sich mit der Enttäuschung der Verlierer: „Ronald Koeman nahm kein Blatt vor den Mund. Die Art und Weise, wie der Ajax-Coach nach dem Debakel vor den Medienvertretern mit seiner Mannschaft abrechnete, erweckte schon den Verdacht, dass der ehemalige Weltklasse-Libero auf einen solchen Schlag nur gewartet hatte. Es brauche mehr als nur eine gute Technik, um mit den Besten mithalten zu können, aber diese Arroganz sei in Holland und gerade in Amsterdam weit verbreitet. „Die glauben alle, Ajax spiele auf hohem Niveau. Das stimmt zwar in der heimischen Ehrendivision. International aber ist Ajax nicht gross genug. Nicht in der Abwehr, nicht im Mittelfeld, nicht im Angriff.“ Dabei war selbst ein grosser Teil der holländischen Sportjournalisten der Meinung gewesen, dass die Problemzone der sehr jungen Equipe allein im vorderen Bereich liege; mit der spielerischen Klasse der übrigen Mannschaftsteile könne man dieses Handicap kompensieren.“
Dynamo Kiew-Bayer Leverkusen 4:2
Typischer Bayer-Abend
In der FAZ (30.9.) liest man: „100 Jahre ist Bayer 04 Leverkusen im Juli alt geworden. Im Gesicht von Klaus Augenthaler scheint sich momentan die gesamte Zeitspanne widerzuspiegeln. Nach der Rückkehr war das faltenreiche Antlitz des 47 Jahre alten Fußball-Lehrers noch etwas sorgenvoller als zuvor. Mit dem 2:4 hatte Bayer der Alltag in der „Königsklasse“ auf beinahe brutale Weise wieder eingeholt. Zwei Wochen nach dem 3:0 gegen Real Madrid sorgten die Rheinländer in Kiew für einen typischen Bayer-Abend. Sechs Tore, vier Latten- und Pfostenschüsse, ein Platzverweis für den ukrainischen Bayer-Stürmer Andrej Woronin und Tempo-Fußball über 90 Minuten: Die Begegnung vor 83 000 Zuschauern hatte einen ebenso hohen Unterhaltungswert wie die gegen Real. Nur schaffte es Leverkusen trotz einer Steigerung gegenüber den zuletzt schwachen Bundesliga-Leistungen nicht, wieder in die Erfolgsspur zurückzukehren.“
Manchester United-Fenerbahce Istanbul 6:2
Der Messias ist nach Manchester gekommen
Raphael Honigstein (Tsp 30.9.) zitiert die Lobreden auf Wayne Rooney: „Sogar die zynischsten Sportreporter fielen vor Demut auf die Knie. „Der Messias ist nach Manchester gekommen“, frohlockte die Dail Mail, und der seriöse Daily Telegraph glaubte, im „Theater der Träume“ dem „Wunder von Wayne“, beigewohnt zu haben. Für die Times kam der ehemalige Everton-Stürmer zwar nicht als himmlischer Retter, aber doch als Laune der Natur über Old Trafford; unter der Zeile „Hurrikan Rooney legt los“, konnte man von „Liebe auf den ersten Blick“ lesen: „Die Fans waren verzaubert, berauscht und überwältigt. . . wer das Glück hatte, diese Nacht zu erleben, wird sie nie vergessen.“ Einzig die Schlawiner von der Sun ließen es sich nicht nehmen, noch einmal auf Rooneys sommerliche Bordell- und Keipentour hinzuweisen: „Einen Dreifachen bitte!“, titelte das Boulevardblatt. Selbst Zuschauer ohne Hang zur Übertreibung fühlten sich angesichts Waynes Flair und Arroganz am Ball an die United-Legenden Eric Cantona und George Best erinnert. Rooney ist das Anti-Phantom. Wenn er den Ball nicht gerade am Fuß hat, hetzt er ohne Rücksicht auf Grasnarbe und Gegner-Schienbein über den Platz, „fliegt wie eine Abrissbirne durch die Abwehr“ (Telegraph) und versucht vor Übermut, schon mal an der Mittellinie den Kopf eines Verteidigers abzuschießen.“
30 Millionen Pfund? Ist das alles?
Martin Pütter (NZZ 30.9.) ergänzt: „Den scheinbar vergehenden Ruf der Briten, zu Untertreibungen zu neigen, rief gestern ausgerechnet der Daily Express in Erinnerung. „Nicht schlecht für den Anfang“, schrieb die Zeitung, die sonst wie alle anderen englischen Boulevardblätter eher zu masslosen Übertreibungen neigt, zum ersten Spiel von Wayne Rooney im Trikot von Manchester United und zu seinen drei Toren auf dem Weg zum 6:2 in der Champions League gegen Fenerbahce Istanbul. Das beste Début im Old Trafford seit Charlie Sagar 1905, wie mehrere Zeitungen recherchiert hatten, kommentierte der Daily Mirror dagegen mit Blick auf die Ablösesumme, die Manchester United mit seinem bisherigen Klub Everton ausgehandelt hat, scheinbar fassungslos: „30 Millionen Pfund? Ist das alles?““
Wiedergeburt Winston Churchills in Fußballergestalt
„Rooney hat die Champions League nicht wie ein Lehrling betreten, sondern wie ein geborener Weltstar“, jubiliert Christian Eichler (FAZ 30.9.): „Der Bursche darf nicht abheben, sagt der Instinkt des erfahrenen Trainers Alex Ferguson, der schon mit den Sozialgewohnheiten des Liverpooler Arbeiterkindes viel zu tun haben wird – Bier, Junkfood, schlechter Umgang, all das paßt nicht zu den professionellen Anforderungen beim Musterklub der Fußballwelt. Doch Ferguson weiß gewiß auch, was er an diesem rauhen Burschen hat, der mit seiner bulldoggenhaften Erscheinung und dieser furchtlosen Entschlossenheit wirkt wie eine Wiedergeburt Winston Churchills in Fußballergestalt. Mit Rooney gewinnt er etwas Unschätzbares zurück, das in der Endzeit des immer verwöhnteren, vom Fußball abgelenkten David Beckham verlorengegangen war: eine fußballerische Naturgewalt, ein Denken, das sich durch nichts, auch nicht durch das Bewußtsein, ein Star zu sein, vom Wesentlichen des Fußballs ablenken läßt. Die Diva ging, der Dynamiker ist da. Der Unterschied könnte nicht größer sein: Beckham sah immer aus, als käme er gerade aus einem Beauty-Salon; Rooney sieht aus, als käme er gerade aus der nächsten Kneipe. Sein Debüt verheißt die Wiedergeburt der Fußballtugenden Marke Manchester. Das wäre auch bitter nötig. Seit dem Gewinn der Champions League 1999 hat Ferguson dank der globalen Markenwirkung von ManU für die gewaltige Summe von rund 280 Millionen Euro 27 neue Spieler einkaufen können. Doch in Europa gewann man nichts mehr. Und in England droht man nicht nur von Arsenals Wunderteam abgehängt zu werden, auch vom neureichen FC Chelsea.“
Real Madrid-AS Rom 4:2
Wunderbarer Fußballabend
Ralf Itzel (FTD 30.9.) hat weniger erwartet: “Statt unter dem Sternenbanner der Champions League hätten sich die beiden Teams diesmal auch im Rahmen einer Selbsthilfegruppe krisengeschüttelter Hauptstadtklubs treffen können. Beider Schicksale verliefen zuletzt im Unglück parallel. Seit dem Weggang passender Trainer (del Bosque bei Real, Capello bei den Römern) ging es stetig bergab. Frühere Helden des Rasens (Camacho/Völler) versuchten sich zuletzt als Nachfolger, um nach wenigen Wochen ohne Besserung hinzuschmeißen und dabei als Grund die Unzähmbarkeit der Fußballer anzugeben, was denen wiederum den Ruf einbrachte, verhätschelte Abzocker zu sein. Beide Teams waren mit einem 0:3 in Europas erste Liga gestartet. So trafen im Estadio Bernabeu also Not und Elend aufeinander, und heraus kam: ein wunderbarer Fußballabend. Für die neutralen Beobachter und die Fans Real Madrids zumindest. Die des AS Rom, nächster Gegner von Bayer Leverkusen, werden allenfalls Trost in der ersten halben Stunde finden, als die vom starken Kapitän Totti geleitete Elf die weiterhin desolate Hintermannschaft Reals mit chirurgischer Präzision aufschlitzte.“