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Der Fußballgott gibt’s, der Fußballgott nimmt’s

Oliver Fritsch | Samstag, 2. Oktober 2004 Kommentare deaktiviert für Der Fußballgott gibt’s, der Fußballgott nimmt’s

VfL Bochum-Standard Lüttich 1:1

Christoph Biermann (SZ 2.10.), VfL-Fan, leidet: „Der Fußballgott ist doppelgesichtig und schwankend in seiner Gunst. Der Fußballgott kann seine finstere Fratze offenbaren und mit glühenden Augen harmlose Fernschüsse abfälschen und ins eigene Tor kullern lassen. Mit blutiger Pranke raubt er dann in letzter Minute Siege und bringt ungeahnte Leiden auf den Weg. Wer’s nicht glaubt, sollte in Bochum nachfragen, dort nämlich ist die Existenz des Fußballgottes gerade deutlich wie selten spürbar geworden. In der vergangenen Spielzeit feierte der Klub sein erfolgreichstes Jahr, weil der gütige Fußballgott seine schützende Hand über den Klub hielt. Spiele wurden gewonnen, die man nicht gewinnen musste, und am letzten Tag der Saison nahm die höhere Macht dem großen Nachbarn aus Dortmund noch den Platz im Uefa-Cup weg und gab ihn dem VfL Bochum. Erstmals seit sieben Jahren war der Klub wieder international dabei, doch nun ist Schluss mit lustig: In der zweiten Minute der Nachspielzeit ließ der böse Fußballgott den jungen Brasilianer Edu ein heftiges Luftloch treten und den VfL auf grausamste Art und Weise aus dem Wettbewerb ausscheiden. Der Fußballgott gibt’s, der Fußballgott nimmt’s.“

Immer eine Prise zuviel Soziologenjargon

Welche Wirkung hat das Aus auf Peter Neururer und den VfL Bochum, Jörg Stratmann (FAZ 2.10.)? „Sosehr der strebsame Ruhrgebietsklub und alle seine Freunde nach sieben Jahren Abstinenz den internationalen Auftritten entgegengefiebert hatten – nun steht er vorerst da, wo er jahrelang einsortiert worden ist. An diesem Abend, nach dem Aus in der dritten Minute der Nachspielzeit, zeigte das klare Blau des Vereinslogos wieder graue Schatten. Was auch daran lag, daß gerade Neururer, weiter auf der Suche nach dem ganz persönlichen großen Wurf, stets von der „außergewöhnlichen Perspektive“ erzählt hatte, die sich mit einem Vordringen in die lukrativen Gruppenspiele ergäben. Da hatte der ehrgeizige Trainer, dessen Analysen immer eine Prise zuviel Soziologenjargon enthalten, seinen Klub schon fast allein auf einer Stufe mit Bayern München gesehen. Zwar nur, was die Aussicht anging, schuldenfrei zu sein. Aber diese Quelle neuen Bochumer Stolzes ist nun versiegt. Und womöglich nicht zu Unrecht fürchtet Neururer, daß sich das Erlebnis nach ohnehin mäßigem Saisonstart zusätzlich lähmend auf die weitere Arbeit legt. Damit zugleich auf die Ziele, die den Trainer wirklich bewegen.“

Psychologische Wirkung eines Abstiegs

Noch mal Christoph Biermann (SZ 2.10.): „Die Bedeutung des Ausscheidens auf den VfL Bochum ist kaum zu überschätzen. Der „Todesschlag“ entspricht in seiner psychologischen Wirkung dem Abstieg aus der Bundesliga. Als „wichtigstes Spiel der Vereinsgeschichte“ hatte Neururer die Partie annonciert. Nun bleibt der Eindruck zurück, dass der VfL Bochum wieder einmal die richtige Abzweigung verpasst hat und auf das Mittelmaß zusteuert, dem er für einen Moment entflohen schien. Zum ersten Mal in der Ära Neururer ist die positive Entwicklung gestoppt, der Trainer warnte aber: „Wir dürfen jetzt nicht zu Opfern unseres Erfolges werden.“ Er bestand darauf, dass seine Mannschaft „ausgeschieden, aber nicht gescheitert“ sei. Das mag richtig sein, trifft die Stimmung aber nicht, die auf dem Tiefpunkt ist. Ganz nüchtern betrachtet, spielte die Bochumer Mannschaft, so engagiert und beherzt sie auch zu Werke ging, viel brüchiger als in der vergangenen Saison. Dass sein Team den Belgiern über weite Strecken beider Spieler deutlich überlegen gewesen wäre, wie Neururer behauptete, stimmte so nicht. Der Zeitpunkt des Ausgleichstreffers war tragisch, das Remis insgesamt jedoch ein gerechtes Ergebnis. Als Neururer fürs Spiel bei Schalke 04 den Beginn „einer Aufholjagd Richtung Europa“ ankündigte, wirkte das hohl.“

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