Bundesliga
Schäbig, häßlich, blind
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| Montag, 4. Oktober 2004Michael Horeni (FAZ 4.10.) ärgert sich über die Zwei-Klassen-Gesellschaft Bundesliga: „Oliver Kahn kam vollkommen ungestraft davon, als er mal wieder seine Sonderrolle des Rohlings jenseits der Fußballgesetze wie in seinen schlimmsten Zeiten auslebte. Nach einem harmlosen Sprungduell außerhalb der Torwartschutzzone attackierte er den kreuzbraven Klose mit rüpelhaften Nasenstübern, als ob er auf dem Schulhof einer Gang von Halbstarken imponieren wollte. Sportlich schäbig, zumal Klose ihm mit offenen Armen gegenübertrat (wie Kahn umgekehrt wohl reagiert hätte?) – und sportlich strafbar, weil er bei seiner Drohgeste den Ball auch noch doppelt so lange in Händen hielt wie erlaubt. Gelbe Karte gegen Kahn und Freistoß für Bremen – das wäre das mindeste an Reaktion von Schiedsrichter Fandel auf die Aggression gewesen. Aber die Rabiaten und Prominenten, vor allem jedoch rabiate Prominente, machen offenbar die Schutzmacht auf dem Platz blind; oder schüchtern sie erfolgreich ein. Es ginge jedoch auch umgekehrt: mit einem pädagogisch wertvollen Platzverweis. Ballack brach seinem Nationalmannschaftskollegen Fahrenhorst das Nasenbein. Selbsttätig und willenlos erreicht ein Ellenbogen den Kopf eines 1,90 Meter großen Gegners nicht. Aber über einen solch alltäglichen Befreiungsschlag regt sich die Branche, bei der Provokationen und Schauspieleinlagen zum häßlichen Standardrepertoire gehören, längst nicht mehr auf.“
Mancher Pfeifenmann steht im Spalier
Thomas Kistner (SZ 4.10.) ergänzt: „Es war erstaunlich still geworden um den Olli. All die neuen Stil- und Sturmfragen im Klub waren seine Sache nicht, es muss krachen bei King Kahn, das gehörte zum alten Erfolgsritual. Insofern ist die jüngste Entgleisung durchaus als internes Aufbruchssignal zu verstehen. Auch wenn der Ausraster von Bremen nicht gerade zu den Top Five der Kahnschen Highlights zählt (Klose trug ja nicht mal Biss- oder Würgespuren davon), war doch die Wahl der Münchner Mittel insgesamt auffallend: Ballacks körperlicher Übereifer in gleich zwei Schlüsselszenen wurde von Schiedsrichter Fandel mit ähnlich tief empfundenem Respekt gebilligt wie Kahns kleine öffentliche Schule der Selbstjustiz. Was das heißt? Die Bayern sind wieder wer, im Zweifelsfalle diejenigen, die sie früher waren. Sie haben den alten Biss wieder gefunden, sind präsent und loten die Regelgrenzen aus (die für sie erfahrungsgemäß gern etwas weiter gesteckt werden). Diesen Prozess aber hat neben Felix Magath die Liga selbst zu verantworten, der es mehr denn je an einem Klub mit Führungsanspruch ermangelt. Die Branche rollt den Bayern den roten Teppich aus, da steht mancher Pfeifenmann eben mit im Spalier.“