Deutsche Elf
Klima von Initiative und Zuversicht
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| Mittwoch, 13. Oktober 2004„Was haben Klinsmann und seine Mitstreiter Joachim Löw und Oliver Bierhoff verkehrt gemacht, dass die Diskussionen so ein negatives Echo haben?“ (SZ) / Uli Hoeneß’ Sorgenfalten wegen Andreas Köpke, „es geht um den Einfluss des Vereins in der Nationalmannschaft“ (SZ) – Jens Lehmann trägt Nike und verstößt gegen die Kleiderordnung – Toni Schumacher (BLZ): „Sepp hat den Job ernst genommen, der hat ja eigene Geräte und Übungen erfunden“ u.v.m.
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Klima von Initiative und Zuversicht
Philipp Selldorf (SZ 13.10.) würde den Nörglern und Stammtischbrüdern, die Klinsmanns Methoden anzweifeln, am liebsten den Mund verbieten: „Während er in Kalifornien sein Dasein genießt, debattieren in Deutschland die Fußball-Instanzen und solche, die sich fälschlicherweise dafür halten, über seine Arbeit: Diesmal über die Abberufung von Sepp Maier und das Engagement von Andreas Köpke als Nachfolger, über Klinsmanns Führungsstil, Interessen und Entscheidungen. Erfrischend ist für ihn, dass ihm in Amerika die grassierende Aufregung der Medien und die Kommentare von Matthäus-Breitner-Lattek erspart bleiben. Schlecht ist, dass er in der öffentlichen Meinung ein Vakuum hinterlässt, das sich mit Missverständnissen und Unsinn füllt und Platz bietet für enttäuschte Verbandsfunktionäre, die sich um Einfluss gebracht sehen. (…) Spätestens jetzt muss man fragen: Was haben Klinsmann und seine Mitstreiter Joachim Löw und Oliver Bierhoff denn verkehrt gemacht, dass die Diskussionen so ein negatives Echo haben? Da fällt einem bei seriösem Nachdenken wenig ein. Denn zum Glück ist es doch so, dass in Deutschlands wichtigster Mannschaft ein vor zwei Monaten niemals für möglich gehaltenes Klima von Initiative und Zuversicht eingekehrt ist, dass der Fußball der Nationalelf wieder eine methodische Grundlage und eine glaubwürdige Perspektive erhalten hat, dass es Phantasie und frische Ideen gibt, und dass Spieler in den Vordergrund getreten sind. Zeichnet sich die Klinsmann-Combo nicht gerade durch das aus, was zuletzt so vermisst wurde? Mut zum Risiko, zur Kontroverse, zur Entscheidung, auch zu schmerzhaften Beschlüssen.“
Ich habe bisher nichts von dem, was er für seine Arbeit fordert, als unvernünftig angesehen
Gerhard Mayer-Vorfelder im Interview mit Roland Zorn (FAZ 13.10.)
FAZ: Sie kennen Klinsmanns Beharrlichkeit, seine Ungeduld, sein manchmal schwieriges Naturell. Waren Sie deshalb noch überrascht, wie zäh Klinsmann darum kämpft, daß die Nationalmannschaft vor und während der WM in zwei Jahren nicht, wie vom DFB mit dem Bayer-Konzern vereinbart, das Trainingsquartier in Leverkusen aufschlägt?
MV: Mein Ausgangspunkt ist von meiner Erfahrung im Profibereich bestimmt. Wenn ein neuer Trainer kommt, mußt du ihm den Freiraum geben, das, was er an neuen Ideen mitbringt, auch umsetzen zu können. Das bezieht sich auf den Trainerstab und auf andere Fragen. Das war vielleicht etwas ungewöhnlich für den DFB, aber nicht für mich. Ich brauchte da keine Hürden zu überwinden. Ich habe bisher noch nichts von dem, was er für seine Arbeit fordert, als unvernünftig angesehen.
FAZ: Trifft das auch auf die umstrittene Frage des Trainingsquartiers 2006 zu, zu der Sie sich anders als Ihr künftiger Co-Präsident Theo Zwanziger noch nicht dezidiert geäußert haben?
MV: Wenn es so ein Spannungsfeld gibt, hat es für mich wenig Sinn, das in der Öffentlichkeit zu diskutieren, weil es die Leute noch mehr in die Konfrontation treibt. Ich sehe es so: Jürgen Klinsmann ist Trainer geworden, als die organisatorischen WM-Dispositionen von seinem Vorgänger Rudi Völler weitestgehend getroffen waren. Davon hat der Jürgen 95 Prozent akzeptiert. Die WM-Unterbringung in der Nähe von Leverkusen ist sicher auch aus der Nähe von Völler zu Leverkusen zu erklären. Ich werde nicht vergessen, daß Leverkusen für die Kampagne der WM-Bewerbung vier Millionen D-Mark zur Verfügung gestellt und sich damit große Verdienste erworben hat. Dennoch: Daß Jürgen Klinsmann andere Vorstellungen hat, empfinde ich zumindest als verständlich. (…)
FAZ: Sie selbst werden, seitdem Klinsmann im Amt ist, in einer Hörfunksatire von SWR 3 im Serienformat beim täglichen Telefonat mit dem Bundestrainer als „alter Säufer“ verballhornt. Geht Ihnen so etwas nahe?
MV: Ich empfinde das als große Unverschämtheit und überlege mir, ob ich juristisch dagegen vorgehe.
Man könnte irre werden an diesem Verein!
Die Bayern hecken doch was aus – Edo Reents (FAZ/Feuilleton 13.10.): „Bayern mit Sinn für Dezenz wollen wissen, Sepp Maier sei wegen übergroßer Grüabigkeit entlassen worden, wobei man das Wort grüabig, das auch irgendwo bei Lion Feuchtwanger vorkommt, vielleicht so erklären könnte: Grüabig ist, wer sich gewissermaßen touristisch zu sich selbst verhält, es also übertreibt mit seinem Bayerischsein. Gut möglich, daß das einem Schwaben auf die Nerven geht. (…) Einen Tag nur konnte Jens Lehmann, der Maiers Rat, sich aufzuhängen, Gott sei Dank nicht nachgekommen ist, durchschnaufen, da tauchte der Parteiische im Fernsehen auf und verkündete, er als Torwarttrainer des FC Bayern München werde den Kahn nun so triezen, daß Lehmann „wirklich keine Chance mehr hat, 2006 zu spielen“. Man könnte irre werden an diesem Verein! Wer wissen will, wie Maier seine Terminatorphantasien auszuleben gedenkt, der braucht nur mal an der Säbener Straße vorbeizuschauen, die außerhalb des Geltungsbereichs des Klinsmannschen Sittenkatalogs liegt, weshalb man sich hinter der vergitterten Absperrung halten sollte. Die Frage, ob Kahn nicht von sich aus schon scharf genug sei, ist dabei kein Argument: Sein offenbar hochansteckender Ehrgeiz kennt keine Grenzen. A bißl was geht immer, pflegte der hinterlistige, aber völlig harmlose Monaco Franze zu sagen. Und Kahn wird dann schon was einfallen. Es muß ja nicht gleich ein Nasenbeinbruch sein, passiert zufällig zwei Wochen vor Turnierbeginn im WM-Trainingslager.“
Einige freuen sich diebisch, dem FC Bayern mal wieder eins reinzuwürgen
Markus Schäflein (SZ 13.10.) notiert die Bedenken Uli Hoeneß’, man könne Oliver Kahn sein Grundrecht auf einen Stammplatz abstreiten: „Beim FC Bayern wurde die Torwart-Diskussion fortgesetzt, und sie hatte längst eine neue Dimension erhalten: Es ging nicht mehr nur um Maier oder Köpke, Kahn oder Lehmann, sondern um den Einfluss des Vereins in der Nationalmannschaft. Uli Hoeneß warnte, man müsse aufpassen, dass aus dem „Fall Sepp Maier“ keine Diskussion entstehe, die sich gegen Kahn oder gegen den ganzen Klub richte. „Jenseits des Weißwurst-Äquators freuen sich einige diebisch, dem FC Bayern dadurch mal wieder eins reinzuwürgen“, vermutete Hoeneß. Der Manager hatte am Montag erklärt: „Bei Köpke habe ich Bedenken.“ Der neue Torwart-Trainer der Nationalelf sei „kein Freund von Kahn“ und habe sich in der Vergangenheit „bei jeder Kleinigkeit von Oliver“ in „unqualifizierter“ Form zu Wort gemeldet. Er befürchte „Vetternwirtschaft“ angesichts der Freundschaft zwischen Köpke und Lehmann. „Wir vom FC Bayern werden genau aufpassen, was in der Nationalmannschaft passiert. Wir werden unseren Mann schützen.“
Totalitäre Marken-Macht
Jens Lehmann hat sich nicht an die Kleiderordnung gehalten, Frank Hellmann (FR 13.10.) berichtet: „Dem geschulten Auge ist das Detail nicht entgangen. Auch Oliver Markhoff, Kommunikationsmanager der Firma Nike, hat vor dem Fernseher bei den vielen Wiederholungen mit dem faustenden und fangenden Lehmann gestutzt. „Er hatte unsere Handschuhe an“, entdeckte Markhoff flugs mit einem „Marken-Blick“. (…) Mittendrin in einem Konflikt, der von Spielerberatern stets thematisiert, indes bis heute nicht gelöst ist, steckt pikanterweise Oliver Bierhoff, auch weiterhin Nike-Repräsentant. Er war einer der Ersten, der auf diesem Gebiet die Gängelei des Verbandes anprangerte. Nun hatte er seinen Intimus Lehmann für etwas in die Schranken zu weisen, was anderswo Usus ist: Lucio spielt für Brasilien (Ausrüster Nike) in Adidas-Schuhen, Wayne Rooney für England (Umbro) in Nike, Ronaldo trägt bei Real (Adidas) ebenfalls den Schuh mit dem „swoosh“. In Frankreich fiel das dreistreifige Monopol an den Füßen, als die Weltmeister-Kicker 1998 mit Streik drohten. „International werden die Individualverträge respektiert“, klagt Markhoff, „nur in Deutschland nicht.“ Nike spricht beim Bündnis zwischen DFB und Adidas gar von „totalitärer Marken-Macht“. Der DFB, traditionell mit dem Lebenswerk des Horst Dassler verbandelt, hat sich im Dezember 2002 gleich bis 2010 an den Hersteller aus Herzogenaurach gebunden. Bis heute beklagen Branchenkenner, der zu Silvester 2002 verkündete Deal sei übereilt und mitnichten zu marktüblichen Konditionen abgeschlossen worden. (…) Gerhard Mayer-Vorfelder gilt als Mann, der die bedingungslose Treue zu den drei Streifen im Stile seiner Vorgänger fortführen wollte.“
Sepp hat den Job ernst genommen, der hat ja eigene Geräte und Übungen erfunden
Toni Schumacher im Interview mit Christof Kneer (BLZ 13.10.)
BLZ: Ein Klischee sagt, dass in Deutschland traditionell die weltbesten Torhüter wachsen. Warum ist das so?
TS: Zum einen liegt das tatsächlich an der Tradition. Ein guter Torwart gilt hier zu Lande etwas, deshalb wollen die Jungs beim Kicken nicht nur Ballack sein, sondern auch Kahn, Lehmann oder Hildebrand. Und weil Sie mich sicher gleich nach Sepp Maier fragen: Ein Grund sind auch die Torwarttrainer.
BLZ: Tatsächlich?
TS: Das ist eine der unterschätztesten Positionen überhaupt. Früher hat man zu den Torleuten gesagt: Jetzt rennt mal ein bisschen mit den anderen mit, und wenn ihr nicht mehr könnt, hört ihr halt auf. Wir kommen nachher mal vorbei und ballern euch ein paar Bälle aufs Tor. Aber Torhüter sind Spezialisten. Deshalb ist es wichtig, sie täglich zu schulen. Schauen Sie sich mal die Bundesligisten an, da hat fast jeder einen Torwarttrainer. Das ist der Grund, warum unsere Torleute so gut ausgebildet sind.
BLZ: Sind sie das anderswo nicht?
TS: Nehmen wir als Beispiel England: Da haben sie erst vor fünf Jahren mit professionellem Torwarttraining angefangen. Bis dahin gab es fahrende Händler: Das waren selbstständige Torwarttrainer, die sind wie der Eierverkäufer von Ort zu Ort gefahren. Am Dienstag in Liverpool, am Mittwoch in Manchester und so fort. Ich glaube, das ist der Grund, warum die Engländer seit 20 Jahren ein Torwartproblem haben. Erst vor fünf Jahren haben die Klubs angefangen, Torwarttrainer zu beschäftigen.
BLZ: Zu diesem Zeitpunkt war Sepp Maier schon über ein Jahrzehnt Bundestorwarttrainer.
TS: Ja, das ist eine wichtige Position, über die wir reden. Deshalb ärgern mich auch die spöttischen Kommentare, die ich über den Sepp jetzt lese. Die Leute machen sich lustig, sie sollten lieber Respekt haben. Der Sepp hat den Job extrem ernst genommen, der hat ja eigene Geräte und Übungen erfunden.