Internationaler Fußball
Spektakuläres Revival
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| Mittwoch, 13. Oktober 2004Mit Irland ist wieder zu rechnen (taz) – taz-Interview mit Viktor Pasulko, dem Trainer Moldawiens: „in Moldawien ist alles anders, hier gibt es keine Regeln, jeder macht, was er will, die Präsidenten wollen sich nur die Taschen voll stopfen, die Zukunft des Fußballs und der Spieler ist ihnen egal“ – Guido Buchwald bringt die Urawa Red Diamonds wieder auf Kurs (NZZ)
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Mit Irland ist spätestens nach dem 0:0 in Frankreich zu rechnen – Ralf Sotscheck (taz 13.10.): “Dass Roy Keane überhaupt auf dem Rasen stand, ist dem diplomatischen Geschick von Trainer Brian Kerr zu verdanken. Vor zwei Jahren war Keane nach einem Streit mit Kerrs Vorgänger Mick McCarthy noch vor Beginn der WM aus Japan abgereist. Kerr konnte den launischen Star zur Rückkehr bewegen. Offenbar hört Keane auf ihn, was viele nicht für möglich gehalten hatten. Ein Trainer wie Kerr, der selbst nur ein mittelmäßiger Spieler war, werde es schwer haben, prophezeiten die Medien. Der 51-jährige Kerr spielte für Vereine, die außerhalb Irlands niemand kennt: Rialto, Crumlin, Shelbourne. Vor sieben Jahren machte ihn der irische Verband zum Jugendtrainer. 1998 gewann seine U-16-Mannschaft die EM gegen Italien, im selben Jahr siegte seine U-18 im Finale gegen Deutschland. Aus diesen beiden Nachwuchsteams haben elf Spieler den Sprung in die A-Mannschaft geschafft. Und die hat in Paris ihre bisher beste Leistung unter Kerr gebracht. „Das Gerede über den Kampfgeist der Iren gehört der Vergangenheit an“, sagte Kerr zufrieden.“
Die Präsidenten der acht Erstligisten wollen sich nur die Taschen voll stopfen
Viktor Pasulko, Trainer Moldawiens, ehemaliger Spieler in der Zweiten Liga und EM-Finalist 1988 mit der UdSSR unter Waleri Lobanowski, im Interview mit Tobias Schächter (taz 13.10.)
taz: Herr Pasulko, wie wird man Trainer der Mannschaft der Republik Moldawien?
VP: Der Präsident des Verbandes ist ein Freund und hat mich gefragt, ob ich das Amt übernehmen wolle. Die Möglichkeit, hier etwas aufzubauen, war sehr reizvoll. Bei den Qualifikationsspielen zur EM in Portugal hatten wir tolle Ergebnisse, den historischen Sieg gegen Österreich zum Beispiel. Nach diesen Erfolgen war ich der Meinung, hier ist was zu machen, aber jetzt bin ich deutlich pessimistischer.
taz: Warum?
VP: Die Bedingungen im Umfeld kann man nicht mit denen in Europa vergleichen.
taz: Was ist anders?
VP: In Moldawien ist alles anders, hier gibt es keine Regeln, jeder macht, was er will. Die Präsidenten der acht Erstligisten wollen sich nur die Taschen voll stopfen, die Zukunft des Fußballs und der Spieler ist ihnen egal.
taz: Ein Beispiel?
VP: Juventus wollte einen wirklich sehr begabten Jungen verpflichten. Erst verlangte sein Verein zu viel Geld von Turin und am Ende haben sie den Spieler einfach weggejagt. Jetzt liegt er schwer krank im Krankenhaus. Er ist alkoholkrank – mit 21, das ist unglaublich. Solche Geschichten gibt es einige.
taz: Der Verband schaut zu?
VP: Der hat keine Macht. Aber das größte Problem ist die Politik. Noch nie habe ich den Ministerpräsidenten bei uns gesehen. Zuletzt mussten wir uns ein Flugzeug aus Litauen leihen, weil die Regierung uns kein Charterflugzeug zu einem Auswärtsspiel zu Verfügung stellte. Ich verstehe das nicht. Fußball ist doch ein Volkssport, von dem auch die Politik profitieren kann. Gegen Schottland spielen wir in einem Stadion in Chisinau, in dem seit 1949 nichts mehr verändert wurde. Dort einzulaufen ist beschämend. Dabei haben wir ein Stadion europäischen Standards in einer anderen Stadt, aber die Regierung will nicht, dass wir dort spielen. So ist das.
taz: Sie sind wohl eher Sozialarbeiter denn Trainer?
Auch. Aber das ist ein Vermächtnis von Waleri Lobanowski.
taz: Was hat ihn ausgezeichnet?
VP: Er war ein großer Mann, eine Institution. Die Presse hat ihn immer als einen Diktator bezeichnet, aber in Wahrheit war er eine Seele von Mensch. Er hat mit uns getrunken und gefeiert und war ein begnadeter Witzeerzähler.
Vor dem spektakulären Revival
Die Urawa Red Diamonds sind mit Guido Buchwald wieder auf Kurs, erfahren wir von Martin Hägele (NZZ 13.10.): „Das Idol der Red Diamonds ist zu Beginn des Jahres an seinem ehemaligen Arbeitsplatz mit einiger Skepsis begrüsst worden. Der hochverehrte Guido-san verfüge ja nur über ein paar Wochen Trainer-Erfahrung, und sein Diplom habe er wie seine Kollegen aus dem Weltmeisterteam, Klinsmann, Augenthalter und Co., nach einem Kurzlehrgang erhalten. Mittlerweile fragen dieselben Leute, wie es Guido Buchwald geschafft habe, aus einem Team, das in den vergangenen elf Jahren nur in einer einzigen Saison (unter Trainer Holger Osieck und mit dem Mittelfeld-Motor Buchwald) Titelambitionen zeigte, einmal sogar abstieg, eine Spitzenmannschaft zu formen. Der deutsche Trainer hat eine einfache Erklärung für diesen Wandel: Er habe den Stil seines Vorgängers Hans Ooft total umgestellt. Der Holländer hatte die Mannschaft auf Konterfussball ausgerichtet; alle Mann, bis auf den brasilianischen Torjäger Emerson, mussten erst einmal verteidigen. Buchwald aber versucht, jeden Spieler auf jener Position einzusetzen, auf der dessen Fähigkeiten am besten zum Tragen kommen. „Sie sollen ihre Freiheiten und Stärken nach vorne ausspielen“, fordert Buchwald. Ein solcher Systemwandel funktioniert nicht von heute auf morgen. (…) Jenes Team, das als Werksmannschaft von Mitsubishi in den siebziger und achtziger Jahren mit vier Meistertiteln das Aushängeschild des Fussballs im Land der aufgehenden Sonne war, steht 22 Jahre nach dem letzten nationalen Triumph vor einem spektakulären Revival, und die Vorfreude darauf lässt sich an den Kassenhäuschen in der Tokioter Vorstadt ablesen.“