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Bundesliga

Gerd Niebaum sollte in Demut zurücktreten

Oliver Fritsch | Freitag, 15. Oktober 2004 Kommentare deaktiviert für Gerd Niebaum sollte in Demut zurücktreten

„Gerd Niebaum sollte in Demut zurücktreten“ (FR) / „Niebaum ist gescheitert und muß zurücktreten“ (Welt) / Niebaum und Meier, „die verfolgte Unschuld“ (FR) u.v.m.

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Jan Christian Müller (FR 15.10.) fordert den Rücktritt Gerd Niebaums: “Der gute Ruf einer Firma ist auch eine Art Kapital, sagen Wirtschaftsethiker. Durch Lügen werde moralisches Kapital verbraucht. Die logische Folge: Echtes Kapital wird abgezogen, die Kreditwürdigkeit der Firma sinkt. Gerd Niebaum hat sich gestern mittels Pressemitteilung in einer Mischung aus dreister Spitzfindigkeit und bodenloser Frechheit darum herumgewunden, zuzugeben, dass er die Öffentlichkeit zuvor tagelang belogen hatte. (…) Er hat jeglichen Kredit verspielt. Finanziell wie moralisch. Gerd Niebaum sollte in Demut zurücktreten.“

Stolz bis zur Schamlosigkeit

Klaus Hoeltzenbein (SZ 15.10.) auch: „Ein Zufall ist es nicht, dass in dieser Woche fast zeitgleich zwei Meldungen veröffentlicht wurden, die auch die Verantwortlichen für die Borussia Dortmund GmbH & CO Kommanditgesellschaft auf Aktien sehr genau studieren werden. Die eine erschien im Sportteil: „DFL will die Kriterien zur Zulassung am Profi-Spielbetrieb verschärfen“. Die andere im Wirtschaftsteil: „Strengere Regeln für Manager – Vorstände und Aufsichtsräte sollen mit bis zu vier Gehältern für falsche Informationen haften“. Beide Vorhaben verfolgen ähnliche Ziele: Es soll versucht werden, die Neue-Markt-Depression zu vertreiben, Seriosität aufs Fußball- und Börsenspielfeld zurückzubringen (…) Mehr Transparenz soll auch an der Börse eingefordert werden, mit einem Buchstaben-Bandwurm namens Kapitalmarktinformationshaftungs-Gesetz. Sobald der Entwurf zum Gesetz wird, wäre es wohl spätestens juristisch angreifbar, wenn, wie geschehen, eine AG (Dortmund) mit ihrem Hauptaktionär (Florian Homm) ein Strategiepapier fertigt, dies den übrigen Aktionären aber verschweigt, die Existenz auf Nachfrage sogar leugnet (Niebaum). So ist das im Fußball: Ein Trainer fliegt nach zwei, drei Niederlagen, der hoch bezahlte Präsident aber trägt unendlich an seiner Verantwortung, mit Stolz bis zur Schamlosigkeit.“

Niebaum ist gescheitert und muß zurücktreten

Thorsten Jungholt (Welt 15.10.) ebenso: „Der Kampf um die Macht bei Borussia Dortmund nimmt unwürdige Formen an. Bei allen Beteiligten. Gerd Niebaum klammert sich verzweifelt an seine Ämter als Geschäftsführer der börsennotierten Kommanditgesellschaft auf Aktien und Präsident des eingetragenen Vereins. Erst versuchte er, mit winkeladvokatischen Klimmzügen zu verschleiern, daß er die Unwahrheit gesagt hat. Als die Fakten nicht mehr zu leugnen waren, entschuldigte er sich. Das desaströse Zahlenwerk der Bilanz stellte Niebaums Fähigkeiten als Kaufmann in Frage, durch sein Verhalten im Zuge der Kapitalaufstockung unter Beteiligung des Spekulanten Florian Homm verliert der einst renommierte Wirtschaftsjurist seine Glaubwürdigkeit. Es geht ihm nur noch um Besitzstandswahrung. Gerd Niebaum, so groß seine Verdienste der Vergangenheit sein mögen, ist gescheitert und muß zurücktreten. Doch auch das Vorgehen der Gegner Niebaums ist fragwürdig. Kein Mitglied der Vereinsgremien hatte den Mut, öffentlich Kritik an Niebaum zu üben. Kein Aufsichtsrat, kein Schatzmeister, kein Beirat hatte die Traute, offensiv für einen anderen Kurs zu werben. Statt dessen wurde hinter verschlossenen Türen intrigiert, es wurden Papiere lanciert und Gerüchte gestreut.“

Friedhard Teuffel (Tsp 15.10.) ergänzt: „Die Ära Niebaum endet nun spätestens 2006, doch ob der 55 Jahre alte Dortmunder Rechtsanwalt bis dahin durchhält, ist unklar. Am 14. November findet die Jahreshauptversammlung statt. Niebaum könnte schon vorher zurückgetreten sein. „Ich kann das tun, aber ich habe eine Verantwortung gegenüber dem Verein und werde mit Michael Meier weiterkämpfen“, sagte Niebaum. Die Spekulationen haben jedoch schon begonnen, ob sein Vorgänger nicht auch sein Nachfolger werden könnte: Reinhard Rauball hatte Niebaum 1984 ins Präsidium geholt, zwei Jahre später übernahm dann Niebaum die Führung des Vereins. Rauball ist ebenfalls Rechtsanwalt und war kurze Zeit Justizminister in Nordrhein-Westfalen.“

Die verfolgte Unschuld

Wolfgang Hettfleisch (FR Seite 3 – 15.10.) beklagt mangelnde Glaubwürdigkeit an der BVB-Spitze: „Irgendwann muss Gerd Niebaum und seinem Vasall Michael Meier die kaufmännische Redlichkeit abhanden gekommen sein. Schwer zu sagen, wann und warum das geschah. Wer anderen zum Nutzen des großen Ganzen gelegentlich etwas vorflunkert, ist ja noch kein Schurke. Also hat die Doppelspitze von Borussia Dortmund die finanzielle Not lange verbrämt, hat stur geleugnet, was immer offenkundiger wurde – und noch vor Jahresfrist einen Gewinn ausgewiesen, der in Wahrheit nur der eigenen bilanztechnischen Kreativität entsprang. Als die Dinge außer Kontrolle gerieten, weil in der Jahresbilanz 2003/2004 ein Riesenloch klaffte und sich die Verbindlichkeiten türmten, richteten sich Meier und Niebaum endgültig in ihrer Rolle ein: als verfolgte Unschuld. (…) Die BVB-Spitze hat sich in dieser prekären Situation, die nicht zuletzt durch ihr Handeln heraufbeschworen wurde, als Sanierer angeboten. Wer den schwarz-gelben Karren aus dem Dreck ziehen will, braucht neben ökonomischem Sachverstand und eisernem Sparwillen vor allem eines: Vertrauen. Es bleibt das Geheimnis des Duos, wie es diese Rückendeckung noch für sich reklamieren will. Dreist hatte Niebaum nach den Berichten über die Absprachen mit Homm von „glatter Fälschung“ gesprochen. Das Eingeständnis, dass er – wie auch Meier – die Unwahrheit sagte, kam nun per Fax und gipfelte in dem Satz: „Die Aussage, dass wir nichts unterschrieben haben, bezog sich ausschließlich auf das Schreiben vom 7. Oktober, das wir nicht erhalten haben.“ So sieht sie aus, die bizarre Welt des Gerd Niebaum im Herbst 2004. Man wolle ihn fertig machen, beharrt er. Nicht nötig. Das hat er ganz allein geschafft.“

Wer hier was ist, will Protz hinterlassen

Christoph Schurian (taz 15.10.) wundert sich nicht: “Was das mit Fußball zu tun hat? Nichts, aber viel mit dem Ruhrgebiet. Wer hier was ist, will Protz hinterlassen wie barocke Schrankwände, kirchturmhohe Fördertürme, industrielle Gesamtkunstwerke, Wohnfabriken. Schon damals wurde der Gigantismus mit einem Dienst an der Allgemeinheit verbrämt: Menschen lebten und arbeiteten dann in einem pornographischen Größenwahn der besonders Geschäftstüchtigen. Gegen Zeche Zollern, Zollverein, prospersche Haldengebirge und Krupp-Gürtel nehmen sich die beiden tolldreisten Fußballimperien im Revier ja fast bescheiden aus. Nur bestaunt werden sie wie damals, das erklärt vieles.“

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