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Die DFL ist eingeknickt

Oliver Fritsch | Samstag, 16. Oktober 2004 Kommentare deaktiviert für Die DFL ist eingeknickt

Jan Christian Müller (FR 16.10.) kommentiert die Nachsichtigkeit bei der Lizenzvergabe: “Eigentlich hatte die DFL den Daumen gesenkt angesichts der hanebüchenen winkeladvokatischen Klimmzüge, mit denen der BVB, bis weit über alle Flutlichtmasten schier hoffnungslos verschuldet, seine Lizenzierungs-Unterlagen versehen hatte. Fast 119 Millionen Euro an Verbindlichkeiten hatte der Weltpokalsieger da angehäuft, doch die Liquidität für die neue Saison war gesichert, ebenso ein ordnungsgemäßer Spielbetrieb, und deshalb hatte man sich nicht auf einen Entzug der Lizenz durchringen können oder wollen – immerhin räumte die DFL gehörige Bauchschmerzen ein. Die nicht geringer wurden angesichts der Aussicht, andernfalls vom BVB mit Schadensersatzklagen in Millionenhöhe überzogen zu werden. Die DFL ist eingeknickt, sicherlich auch vor dem großen Fisch Borussia Dortmund. Natürlich wird jetzt eine Reform des Lizenzierungsverfahren gefordert, und zwar zurecht. Dass die aktuelle Vermögenssituation, im konkreten Fall wohl besser: Negativ-Vermögenssituation keinen Einfluss bei der Lizenzvergabe habe, ist ein Unding.“

Die Durchschlagskraft der DFL ist begrenzt

Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzenden der Eintracht Frankfurt Fußball AG, im Interview mit Ingo Durstewitz (FR 16.10.) über die Befugnisse der DFL
FR: Es heißt, dass die DFL-Geschäftsführung für die Lizenzverweigerung gewesen sei, die mächtige Liga aber Borussia Dortmund die Stange hielt.
HB: Sie müssen sich das so vorstellen: Herr Straub (Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung) und Herr Müller (DFL-Geschäftsführer) geben eine Empfehlung, aber der Vorstand der Liga entscheidet. Er setzte sich damals aus zwölf Mitgliedern zusammen, sechs aus der ersten und sechs aus der zweiten Liga. Aber Straub und Müller sind nicht irgendwer, sondern haben eine gewichtige Meinung.
FR: Sie waren bis 2003 als Geschäftsführer bei der DFL. Wie fühlt man sich, wenn man sich nicht durchsetzen kann?
HB: Die Durchschlagskraft der DFL ist begrenzt. Das weiß man.
FR: Das Lizenzierungsverfahren bewertet nur, ob ein Verein die Liquidität für das Spieljahr gesichert hat. Ist ein solches Verfahren noch zeitgemäß?
HB: Nein, ich kann mir nur wünschen, dass das Lizenzierungsverfahren den neueren Entwicklungen Rechnung trägt. Die Liquidität bis 30. Juni kann nicht das einzige Kriterium sein. Das haben Müller und Straub längst erkannt.
FR: Woran hapert es dann noch?
HB: Es ist nicht ganz einfach, die Dinge zu erweitern. Weil ein mittelständisches Unternehmen eine unternehmerische Freiheit hat, Investitionen in die Zukunft selbst zu gestalten. Es muss eine Einverständniserklärung der Vereine selbst vorliegen. Denn ich glaube nicht, dass man mittelständische Unternehmen per Gesetz dazu zwingen kann.
FR: Also sind Schechter und Co. weiterhin Tür und Tor geöffnet?
HB: Ja, es wäre auch für mich ein Leichtes gewesen, im Zusammenhang mit den Sportfive-Verträgen eine hohe Signing Fee zu generieren, das Geld in die Mannschaft zu stecken, wieder aufzusteigen, und dann aber am Ende, wenn ich die vier, fünf Spieler mit einem entsprechenden Gehaltsniveau auf der Gehaltsliste habe und die Signing Fee aufgezehrt ist, stehe ich da und kann sie gar nicht mehr halten. So etwas bringt den Verein in Schwierigkeiten.
FR: Und der Wettbewerb bleibt auf der Strecke.
HB: Ja, ein echter Wettbewerb wäre nur dann vorhanden, wenn alle Vereine ihre Mannschaften aus dem laufenden Geschäft bezahlen. Im Moment läuft da einiges schief. Wir haben durch Octagon und ISPR vier Millionen Euro auf der Latte, die wir bedienen müssen. 750 000 Euro muss ich jedes Jahr aus rausnehmen, die kann ich nicht in die Mannschaft stecken, und die anderen türmen die Dinger auf und leihen sich 80 Millionen. Das ist kein Wettbewerb mehr. Aber die Eintracht hat auch den Wettbewerb verzerrt vor Jahren und deshalb kein Recht, andere auf die Anklagebank zu zerren.

Borussia Dortmund, ein Politikum – Thomas Kistner (SZ 16.10.): „Nebenbei hat das Bubenstück auch den Steuerzahler erreicht, wobei beunruhigt, dass das Land Nordrhein-Westfalen schon vor Wochen die Bremse zog. Da bat der BVB um Aussetzung der Tilgung für Landesbürgschaften über 36 Millionen – die NRW-Regenten aber rügten fehlende Transparenz. Nun wollen sie erst eine unabhängige Wirtschaftsprüfung veranlassen, was zeigt, dass die Gefahr einer Insolvenz auch in Regierungskreisen als beträchtlich eingestuft wird. Damit verlässt die BVB-Affäre endgültig den sportiven Boden. Gerade in NRW, wo in sieben Monaten gewählt wird, wird nun das überall Raum greifende deutsche Management-Versagen sichtbar: Karstadt, Opel, dazu die Herzensinstanz Borussia. Der Politik hat diese Baustelle noch gefehlt, Amtsträger und Manager, die mit Geld nicht umgehen können, bietet die Region zuhauf.“

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