Internationaler Fußball
Schweigemauer
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| Montag, 18. Oktober 2004Birgit Schönau (SZ 18.10.) schildert den Beginn des Doping-Prozesses gegen Juventus Turin: „Sein wichtigstes Match spielt der italienische Rekordmeister zurzeit nicht auf mythengetränktem grünem Rasen, sondern in einem nüchternen Turiner Gerichtssaal. Nach fast drei Jahren soll im November im Dopingprozess gegen Juve abgepfiffen werden – und schon jetzt erscheint klar, dass es nicht gut ausgehen wird für die Alte Dame. Die Anklage hat am Freitag mit ihrem Plädoyer losgelegt, und ein Wort, eine Abkürzung nur, dabei so oft verwendet, dass es schon ausreichen würde für den moralischen Knock-Out des erfolgreichsten italienischen Fußballklubs. Das Wort ist Epo, Kurzform für Erythropoietin, ein synthetisches Bluthormon, das die Bildung der roten Blutkörperchen anregt, dadurch den Umfang der Sauerstoffaufnahme erweitert und die Ausdauerleistung steigert. Bislang galt Epo als Wunderdroge für Radprofis, nordische Skifahrer und Leichtathleten. Bei Juve, so die Staatsanwälte, sei es „sowohl chronisch als auch in akuten Fällen“ verabreicht worden, namentlich „in massiven“ Dosen, um wieder auf die Beine zu bringen. Hier stützt sich die Anklage auf ein Gutachten des Hämatologen Giuseppe D’ Onofrio von der Katholischen Universität in Rom. Epo für Juve-Spieler: die Sensations-Nachricht wurde in der Gazzetta dello Sport schamhaft versteckt, hat doch die meistgelesene Tageszeitung Italiens Zigtausende von Juve-Fans unter ihren Kunden. Und doch könnte eine Verurteilung der beiden Angeklagten, des Vereinsarztes Riccardo Agricola und des Geschäftsführers Antonio Giraudo, eine Aberkennung sämtlicher Juve-Trophäen der Jahre 1994-98 nach sich ziehen. (…) Das Gericht sah sich bei den meisten Zeugen einer Schweigemauer gegenüber, wie sonst nur bei Mafia-Prozessen.“
Italiens Süden strebt nach oben, erfahren wir von Dirk Schümer (FAZ 18.10.): „Das Duell des Goliaths Juventus Turin gegen den David vom FC Messina wurde unversehens zum Spitzenspiel, bei dem der schwerreiche Traditionsclub aus Piemont als Tabellenführer das 2:1 über den bettelarmen Zweiten nur knapp über die Zeit rettete. In ähnlicher Manier hatten die unbeschwerten Kicker aus Messina zuvor – wie Mainz 05 – mit Pressing und variablem Angriffsspiel über die Flügel bei Titelträger AC Mailand und gegen AS Rom gewonnen und sich damit ganz oben etabliert. Dabei verdienen sämtliche Spieler und Reservisten mit rund sieben Millionen Euro zusammen so viel wie ein einziger Star der arroganten und erfolgsverwöhnten Großclubs in Mailand oder Turin. Daß er keinen Platzhirschen aufbieten kann, gereicht Trainer Bortolo Mutti gerade zum Vorteil. Mit erfolgshungrigem Kollektiv die satten Stars zu piesacken und mit taktisch klugem Konterfußball zu überraschen (…) Paßt für Messina im nagelneuen Stadion San Filippo die Märchengeschichte vom stolzen Underdog aus der Provinz, so sieht es bei Palermo schon anders aus. In Siziliens Hauptstadt peilt man nach mehr als drei demütigenden Jahrzehnten in unteren Klassen nichts anderes als den Uefa-Pokal an. Vater des Erfolgs ist hier weniger der sizilianische Stolz als ein schwerreicher Unternehmer aus dem hohen Norden, der um den graumelierten Spielmacher Corini ein beachtliches Ensemble zusammengekauft hat. (…) Nach Jahren im Abseits – Tiefpunkt war die Saison 2002/3 mit nur einem verbliebenen Abstiegskandidaten in der höchsten Spielklasse – ist Italiens armer Mezzogiorno nun mit gleich fünf Vereinen in der neuen 20er-Liga vertreten. Derzeit stehen auch die Außenseiter aus Reggio Calabria, Lecce und vom anderen Inselclub, dem sardischen Cagliari, allesamt in der oberen Tabellenhälfte.“
Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen – Torschützen NZZ