Ballschrank
Ich muss absolut nichts dazulernen
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| Montag, 25. Oktober 2004
Roy Makaay, Weltklasse-Stürmer mit Schwächen – Leverkusener Aufschwung dank „Einzelkämpfer Augenthaler“ (FR) – Thomas Cichon, Kölner Erfolgsgarant und Anti-Ästhet – Hansa, Rostock, „untrainierbar“ (BLZ) – Doppelmoral bei der Berichterstattung über die Entlassung Jaras
Ich muss absolut nichts dazulernen
Philipp Selldorf (SZ 25.10.) schreibt über Stärken und Schwächen Roy Makaays: „Der Millionenmann Roy Makaay hat fußballerisch erstaunlich viele Mängel: Er hat kein sonderlich gutes Pass- und schon gar kein gutes Kopfballspiel, Dribbling und Zweikampf sind nicht seine Stärken, seine Laufleistung ist bescheiden. Makaay erzählt, wie seine Mitspieler in La Coruña gespottet haben, als er sich verabschiedete: „Alle haben gesagt: Jetzt wirst Du viel laufen und arbeiten müssen – was halt jeder denkt über Deutschland.“ Die deutsche Auffassung vom Fußball, die kollektives Rennen und Rackern verlangt, ist ihm noch ziemlich fremd. Manchmal sieht es richtig lustig aus, wenn er im Mittelfeld ein Kopfballduell simuliert, oder Pressing vortäuscht. Irritierend unbeteiligt wirkt er gelegentlich. Aber er trifft ins Ziel, und wie er das anstellt, bleibt ihm selbst ein Rätsel. Gesichert sind die Erkenntnisse, dass er links wie rechts exakt schießen kann und dass er selten hektisch wird, wenn er eine Chance bekommt. Einzigartig aber ist seine Fähigkeit, sich plötzlich von seinem Bewacher zu lösen und in der nächsten Sekunde ganz allein vor dem Tor zu stehen. Oft wirkt es, als ob er abseits stünde, weil niemand mehr in seiner Nähe ist. Meistens ist das ein Irrtum. Also, wie macht er das? „Keine Ahnung, weiß ich auch nicht“, antwortet Makaay. Die Frage erscheint ihm überflüssig. Die Diskussion über seinen Stil berührt ihn wenig, und die Unterhaltung, die er dazu mit Ottmar Hitzfeld geführt hat, auch nicht. „Der Trainer hat gesagt, dass ich mehr mitmachen und mehr Variation in mein Spiel bringen soll,“ teilt Makaay mit und entgegnet, er sei keineswegs auf die Rolle des einsamen Konterstürmers festgelegt, als den ihn Fachleute beurteilen: „Ich muss absolut nichts dazulernen. In La Coruña war ich zwar oft der einzige Stürmer, aber ich kenne es aus der Nationalelf, neben einem zweiten Stürmer zu spielen.“ Makaays liebste Wendung lautet übrigens: „Das ist ganz normal.“ Und tatsächlich haben die Bayern selten einen Starspieler gekauft, der so normal wirkt und sich so zügig assimiliert hat.“
Die Schatten der Vergangenheit sind endgültig vertrieben
Christoph Biermann (SZ 25.10.) beschreibt Aufbruch und Aufschwung in Leverkusen: „Eine große Kuscheldecke liegt über der BayArena, wo im Vorjahr noch das Abstiegsgespenst heulte. Aus einem bizarren Niedergang ist fast schon wieder ein Höhenflug geworden – oder einfach nur Normalität. Klaus Augenthaler spricht zum ersten Mal auf eine Weise über seine Mannschaft, bei der leise väterlicher Stolz herauszuhören ist: „Es ist kein Zufall mehr, dass wir oben stehen.“ Dass seine Mannschaft die Spitzenposition durch gute Arbeit erreicht hat, sagt er, „und wir machen Fortschritte von Spiel zu Spiel“. Doch dann scheint Klaus Augenthaler zu spüren, dass er wie ein Mann klingt, dem die Sorgen ausgegangen sind. Oder er hat einfach allerhöchste Ansprüche (…) Seit Augenthaler den Job in Leverkusen übernahm, hat er jedermann auf Armlänge von sich gehalten. Spielern, Betreuern, Vereinsmitarbeitern und Journalisten gegenüber legte Augenthaler eine bewusst distanzierte Haltung an den Tag. „Mit dem kann man schon gut reden“, sagt Reiner Calmund, „aber er ist kurz angebunden.“ Nur, so ganz kurz angebunden ist Augenthaler nicht mehr. Man merkt das in den Pressegesprächen, wo er früher mit jedem Wort geizte. Inzwischen holt Augenthaler länger aus und erklärt mehr. Sein gesamtes Auftreten verrät, dass er sich seiner Sache nun sicherer ist und selbstverständlicher in seinem Job fühlt. „Auch intern spüren wir diese Veränderung“, sagt Manager Ilja Kaenzig, „alles ist viel vertraulicher und lockerer geworden.“ Es sind im Moment die für Augenthaler vielleicht schönsten Wochen. Die Schatten der Vergangenheit sind endgültig vertrieben, und es hat zugleich noch einen Hauch von Sensation, wie gut es bei Bayer läuft.“
Wolfgang Hettfleisch (FR 25.10.) befasst sich mit der Ausstrahlung Klaus Augenthalers: „Augenthaler hat das taumelnde Bayer-Ensemble übernommen – und vor dem Absturz bewahrt. Er habe, berichtet Augenthaler, die Jungs gefragt: ,Wollt ihr nächste Saison nach München oder Burghausen?‘ Es sei halt schöner, gibt er die Antwort selbst, sich näher an der Sonne zu bewegen. Die lacht derzeit über Leverkusen. Doch Augenthaler, der nicht vergessen hat, dass wir mit zwei blauen Augen davongekommen sind, lässt sich nicht blenden: Das ist eine Momentaufnahme, auch wenn es sicher nicht durch Glück und Zufall entstanden ist. Nur wenn alle Rädchen ineinander greifen, können wir bis zum Ende vorn mitmischen. Gelingt das, neidet ihm im Rheinland auch keiner Kippe und Weißbier. Augenthaler hat den Geruch des Meisters, sagt Holzhäuser. Der Weltmeister – ein Trainer mit Gewinner-Gen? Sicher ist: Der Mann aus Fürstenzell hat an Statur gewonnen und den Spielern des Champions-League-Finalisten von 2002 den Glauben an sich zurückgegeben. An fußballerischer Qualität, sagen Augenthaler und Holzhäuser unisono, habe es der Elf ja nie gemangelt. Freilich wäre Klaus Augenthaler der Letzte, der jetzt große Töne spucken würde. Er kennt die Wechselfälle des Trainerlebens. Mit Unverständnis nahm er die Hatz auf die Kollegen in Hamburg und Berlin zur Kenntnis. Dieser Beruf, das weiß der Bayer-Coach, kann monströs sein: Der Spieltag ist das Schlimmste. Da fragst du dich dauernd, sind die Spieler jetzt mit den richtigen oder dem falschen Fuß aufgestanden. Und du kannst, mit Ausnahme der Halbzeitpause, praktisch nicht mehr eingreifen. Da helfe keine Schiri-Beleidigung und kein Rumgehampel auf der Bank. Als Trainer, sagt Augenthaler, bis du ein Einzelkämpfer. Und nirgendwo scheint die Sonne ewig.“
Kein Typ für Heldengeschichten
Erik Eggers (FR 25.10.) porträtiert den stilprägenden Kölner Thomas Cichon: „Momentan schauen alle auf Cichon, den Fußballzerstörer. Der kennt die Verhältnisse und Eigenheiten in Köln genau, anno 1995 schon ist er von Schwarz-Weiß Essen an den Rhein gekommen. Ich habe schon viel erlebt hier, sagt er, und das klingt ein bisschen nach Routine, gerade so, als habe er den finsteren Mob, der nach der verheerenden 1:4-Heimniederlage vor drei Wochen gegen Werder Bremen am berüchtigten Marathontor rüttelte, schon fast erwartet. Geschockt jedenfalls war er nicht deswegen. Und dennoch ist das Licht der Öffentlichkeit nicht seines, ein einziges Mal erst stand der 27-Jährige derart im Fokus der Bundesliga-Berichterstattung: Vor gut 19 Monaten, als er diese viel besprochene, über 1000 Minuten andauernde Torlosigkeit seines Klubs mit einem Gewaltschuss aus 16 Metern beendete, mit seinem einzigen Tor, das er in bisher 114 Bundesligapartien erzielte. Es war ein kurzes Rendezvous mit den Medien. Weil Cichon, so jedenfalls lautete bisher die gängige Meinung, nicht für diese Rolle taugt, ein Typ wie er ist nicht geschaffen für Heldengeschichten. Doch nun hat ihn die Statistik zu einem Hoffnungsträger gemacht. In den ersten sieben Spielen holte der FC drei Punkte, die Mannschaft spielte ansehnlichen, aber erfolglosen Fußball, speziell die Abwehr wackelte stets. In den letzten beiden Partien aber hat Cichon, für den laut Kicker im September kein Platz mehr war in der nun liberolosen Hintermannschaft, durchgespielt – und zweimal hat er als zusätzliche Absicherung die Abwehr zusammengehalten: Beim 0:0 in Stuttgart, und beim 1:0 gegen den SC Freiburg. Es waren gar grausame Spiele.“
Mittlerweile drängt sich der Eindruck auf, Hansa sei untrainierbar
Matthias Wolf (BLZ 25.10.) beschreibt die Lage in Rostock: „Juri Schlünz, das ist der Rudi Völler Mecklenburgs. Er führte Hansa als Kapitän zur einzigen Meisterschaft (1991) und in die Bundesliga. Die Fans haben nie verstanden, dass er erst im zehnten Jahr Bundesliga das Kommando übernehmen durfte. Und das wohl auch nur mangels echter Alternativen. Mittlerweile drängt sich der Eindruck auf, Hansa sei untrainierbar. Sie haben es mit dem klugen Ewald Lienen versucht. Dem erfahrenen Andreas Zachhuber. Dem kämpferischen Friedhelm Funkel. Alle gescheitert und entlassen. Dann mit Armin Veh. Jung, innovativ, voller Ideen von offensivem Kurzpassspiel. Er flüchtete nach knapp zwei Jahren, nervlich angeschlagen – in die dritte Liga zum FC Augsburg. Man kann nicht drum herumreden, sagt Klinkmann, unser Verein ist für Trainer ein schweres Feld. Einerseits familiär und heimelig, die Führung fast ausschließlich mit Einheimischen besetzt. Andererseits voller stressigem Tatendrang. Veh hat gesagt, bei Hansa klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander: Die wollen in den Uefa-Pokal, aber dafür kein finanzielles Risiko eingehen. Er hat sich beklagt, weil er oft nicht die Spieler bekam, die er wollte, sondern nur die billigeren. Dennoch ist die Vereinsführung nicht allein Schuld daran ist, dass der Kader Masse statt Klasse bietet. Veh wurde von vielen Profis nicht gemocht. Schlünz lässt diese nun aufatmen. Und mancher Spieler sagt, er spüre jetzt Muskeln, die Veh vernachlässigt habe.“
if-Leser Christoph Heisiger stört sich am Tonfall der Berichterstattung über die Entlassung Kurt Jaras: „Ich kann die Kritik am Trainerwechsel beim Hamburger SV nicht teilen. Was soll die Aufmachung auf unmoralisch? Würden die Redakteure gute Arbeit machen, hätte sie erkannt, dass dieser Trainerwechsel überfällig war. Kurt Jara war konzeptlos, planlos, ideenlos, mutlos und erfolglos. Und so präsentierte sich auch der HSV, zudem erbärmlich sowie blamabel – und das wöchentlich! Wenn eine Vereinsführung den Trainer des Jahres 2002 verpflichten kann, muss sie zugreifen; alles andere wäre fahrlässig. Hut ab vor der Entscheidung von Bernd Hoffmann! Klaus Toppmöller ist ein Fachmann. Außerdem: Einen Trainer zu entlassen ohne Nachfolger zu präsentieren ist unprofessionell (Beispiel: DFB-Trainer-Entlassung Erich Ribbeck 2000). Nur weil die Journalisten völlig überrascht wurden von diesem genialen Coup, kommt die Moral ins Spiel. Zum Gähnen! Überdies: Hätten sie die Pressemitteilung richtig (wenn überhaupt) gelesen, hätten sie erfahren, dass Kurt Jara am Montag von den Vorhaben des Vorstandes unterrichtet wurde. Es ist also nichts hinter dem Rücken Jaras abgelaufen. Nur zu dumm, dass die Journalisten nichts davon erfahren haben… Unmoralisch ist vielmehr die Doppelmoral in vielen Zeitungen, was sich an zwei Beispielen im kicker zeigen lässt: Der Artikel zum Thema der Woche Baustelle Berlin, dort werden auf mehreren Seiten die Nachfolger von Huub Stevens gehandelt. Ist das moralisch o.k. gegenüber Stevens und Hoeneß? Zudem wird auf der kicker-Homepage über die nächste Trainerentlassung abgestimmt. Kopfgeld und Hetzjagd – wo ist hier die Moral? Ich als HSV-Mitglied sehe sämtliche Spiele meines Vereins und freue mich nun endlich auf Toppmöller und seine Art, Fußball spielen zu lassen. Das ist Fakt!“
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