Interview
Wäre ich nicht fähig, eine schmerzhafte Entscheidung zu treffen, wäre ich der falsche Mann
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| Mittwoch, 27. Oktober 2004Jürgen Klinsmann im Interview mit Andreas Kötter (Spiegel Online 26.10.)
SpOn: Noch bevor Sie selbst ahnen konnten, dass Sie einmal Bundestrainer werden würden, haben Sie in einem Interview in Bezug auf den DFB gesagt, dass man „den ganzen Laden einmal auseinander nehmen“ müsse. Mittlerweile haben Sie schon ganz schön aufgeräumt.
JK: So möchte ich das nicht ausdrücken. Für mich war es wichtig, mir ein Bild zu machen, um so erkennen zu können, wo man qualitativ etwas verbessern kann. Schon während meiner aktiven Zeit war für mich klar, dass die Nationalmannschaft einen Manager braucht. Den haben wir nun, und das war auch die Grundvoraussetzung dafür, dass ich diesen Job überhaupt angenommen habe.
SpOn: Sind Ihre Aufräumarbeiten abgeschlossen oder muss noch jemand beim DFB um seinen Posten bangen?
JK: So wie wir die Dinge intern angegangen sind, ging es nie um Personen, sondern immer nur darum, die Abläufe um die Nationalmannschaft zu optimieren. Die Chemie muss einfach stimmen und man muss sich wohl fühlen in der Konstellation, in der man arbeitet. Und wenn man in der Verantwortung steht, dann kommt man manchmal nicht darum herum, dem einen oder anderen zu sagen: Du, es tut mir leid, aber mit uns passt es einfach nicht.
SpOn: Auch Sepp Maier passte generell nicht mehr?
JK: Ich möchte hier gar nicht über Namen sprechen. Wenn man in der Verantwortung steht, dann erwartet die Mannschaft in bestimmten Situationen ein Signal. Wäre ich nicht fähig, eine schmerzhafte Entscheidung zu treffen, dann wäre ich der falsche Mann für diesen Posten.
SpOn: Wie geht es weiter in dem Streit um das WM-Trainingsquartier?
JK: Wir werden uns demnächst zusammensetzen, das ganze Thema noch einmal durchsprechen und dann irgendwann eine Entscheidung treffen. Aber man muss dem Trainerstab doch zumindest die Möglichkeit geben, sich umzuschauen. Wir lassen uns dabei nicht aus der Ruhe bringen.
SpOn: Wie bewahren Sie Ihre Ruhe, wenn zwei Charaktere wie Oliver Kahn und Jens Lehmann in den Medien aufeinander losgehen?
JK: Ich sehe das Problem nicht. Vielmehr muss ich sagen, dass die beiden mit dieser Situation hervorragend umgehen. Dafür, dass Sie in jedem Interview permanent von den Medien provoziert werden sollen, finde ich sie geradezu besonnen und zurückhaltend. Und ich weiß, dass beide irrsinnigen Respekt voreinander haben. (…)
SpOn: Die Zeitverschiebung ist bei der Kommunikation mit Deutschland kein Problem?
JK: Ich stehe in Kalifornien in der Regel um 5.30 Uhr auf und setze mich dann sofort an mein Laptop, so dass ich jeden innerhalb des deutschen Bürotages noch erreichen kann. Das ist schon seit Jahren mein Rhythmus. Dabei kommt mir auch zu Gute, dass ich gelernter Bäcker bin. Jedenfalls kann niemand behaupten, dass ich nicht zu erreichen wäre.