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Der Magath-Effekt blieb aus

Oliver Fritsch | Mittwoch, 3. November 2004 Kommentare deaktiviert für Der Magath-Effekt blieb aus

„Die Bayern treten auf der Stelle, seit mindestens zwei Jahren, der erhoffte Magath-Effekt blieb bisher aus“ (FAZ) – „Renaissance des calcio cinico in Turin, das Goldene Kalb des Minimalismus“ (SZ) – Rom gegen Leverkusen ohne Zuschauer, „eher ein Vorteil für den AS Rom“ (Sportpsychologe Bernd Strauss, FTD)

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Der erhoffte Magath-Effekt blieb bisher aus

Elisabeth Schlammerl (FAZ 3.11.) lotet die Lage in München aus: „Beim FC Bayern München ist zur Zeit fast alles berechenbar. Nicht nur auf dem Platz fehlen oft die Überraschungsmomente, auch die Verantwortlichen reagieren vorhersehbar. Manager Uli Hoeneß hat sich nach seinem schlaganfall-verdächtigen Ausbruch in Mönchengladbach wie erwartet beruhigt, der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge ist dem Vernehmen nach vom hohen Roß gestiegen, vorübergehend zumindest, und Trainer Felix Magath will nicht mehr auf einer Verschwörungstheorie beharren. Wenn sich aber die Münchner Chefetage zurückzieht und in der Öffentlichkeit über die Mannschaft die schützende Hand hält, ist die Zeit für den Auftritt des Kapitäns gekommen. Oliver Kahn gibt sich in den letzten Wochen immer wieder als Mahner und erweckt dabei vor dem Gruppenspiel gegen Juventus Turin den Eindruck, nur er erkenne den Ernst der Lage. Während Hoeneß und Rummenigge sich mehr über die zweifelhafte Rote Karte für Lucio aufregten statt über die mäßige Darbietung der Mannschaft, hielt Kahn still. (…) Die Bayern müssen feststellen, daß sie auf der Stelle treten, seit mindestens zwei Jahren. Sie spielen kaum einmal ansehnlicher als unter Ottmar Hitzfeld und haben schon mehr Niederlagen kassiert als in der gesamten Vorrunde des vergangenen Jahres. Der erhoffte Magath-Effekt blieb bisher aus, aber die letzten Spiele zeigten auch, wie sehr der Erfolg bei Bayern von Roy Makaay abhängt. (…) Früher haben die Bayern meist gewußt, wie groß das Engagement gerade noch sein muß, um zu siegen, ohne sich besonders zu verausgaben. Diese Fähigkeit, die richtige Balance zu finden, haben die Münchner aber schon vor längerem verloren.“

Renaissance des calcio cinico, das Goldene Kalb des Minimalismus

Es wird schwer, gegen Juventus Turin ein Tor zu schießen – Birgit Schönau (SZ 3.11.): „International spielt Juventus ganz in alter Tradition eins zu null, zuletzt gegen die Bayern. Und man kann davon ausgehen, dass dieses Ergebnis auch beim Rückspiel angepeilt ist. Manche beschweren sich, so hätte der liebe Gott das nicht gemeint mit dem Fußballspielen, beklagen die Renaissance des calcio cinico, das Goldene Kalb des Minimalismus. Aber Juve hatte schon zu früheren Zeiten mythische Abwehrspieler und einen Weltklassetorwart: Dino Zoff. Und jetzt ist es wieder soweit, nach einer Saison mit 44 Gegentoren. Vor Buffon, dem mit seinerzeit 54 Millionen Euro Ablöse teuersten Juve-Einkauf (soviel Geld hatten sie in Turin nach dem Verkauf eines gewissen Zinedine Zidane), stehen neben Jonathan Zebina die alten Teamkollegen vom AC Parma. Fabio Cannavaro, der zuletzt bei Inter Mailand wenig glücklich war, obwohl er mit seinen nur 1,76 m seit vielen Jahren einer der besten italienischen Abwehrspieler ist. Cannavaro ist auch Kapitän der Squadra Azzurra, ein bodenständiger, immer gut gelaunter Neapolitaner, der sein Geld in Pizzerien investiert und in seiner Heimatstadt als ehrlicher Arbeiter verehrt wird, der es hoch im Norden der widrigen Witterungsumstände zum Trotz zu etwas gebracht hat. Buffon und Cannavaro haben 1999 mit Parma den Uefa-Cup gewonnen, dabei war auch der elegante Franzose Lilian Thuram, ein wortgewandter Mann mit viel Sinn für Ironie. Die drei bilden jetzt bei Juventus ein Trio Infernale für jeden gegnerischen Angreifer.“

Eher ein Vorteil für den AS Rom

Sportpsychologe Bernd Strauss im Interview mit Daniel Meuren (FTD 3.11.) – Thema: Leverkusen spielt heute in Rom ohne Zuschauer
FTD: Bayer Leverkusen spielt gegen elf Römer, aber nicht wie sonst gegen Zehntausende fanatischer Tifosi, die ihrer Mannschaft den Rücken stärken. Das muss ein Vorteil sein, oder?
BS: Ich bin der Überzeugung, dass das eher ein Vorteil für den AS Rom ist. Es gibt verschiedene Untersuchungen, die zeigen, dass die Heimmannschaft eher davon profitiert, wenn gar keine Zuschauer da sind.
FTD: Wieso das denn?
BS: Fußball ist ein komplexer Sport. Er besteht zum einen aus einer Ausdauer- und Kraftkomponente. Da kann die Fan-Unterstützung helfen. Anfeuerung ist Ansporn, das Letzte aus seinem Körper rauszuholen. Genauso wichtig ist im Fußball aber das koordinative Moment. Da stört es eher, wenn Tausende Fans einem Spieler beim 40-Meter-Pass oder beim Torschuss zuschauen. Die Zuschauer bauen ja einen enormen Erwartungsdruck auf, der besonders die Spieler der Heimmannschaft in ihrem Spiel behindern kann. Je mehr Zuschauer da sind, desto höher kann dieser Erwartungsdruck sein.
FTD: Es ist aber doch statistisch bewiesen, dass es mehr Heimsiege als Auswärtssiege gibt.
BS: Selbstverständlich. Es gibt ja auch durchaus einen Heimvorteil. Der hat aber nichts mit den Fans und deren Anfeuerungsrufen zu tun. Der Heimvorteil resultiert daraus, dass man in gewohnter Umgebung spielt, den Platz kennt, die Anreise wegfällt, die Vorbereitung aufs Spiel in gewohnten Bahnen verläuft. Aber am wichtigsten ist, dass die Heimmannschaft an den Heimvorteil glaubt. Die Zuschauer können hingegen manchmal auch eine Belastung für die Spieler sein. Gerade die römischen Fans dürften nach dem bisherigen Abschneiden ihrer Mannschaft ohnehin die Erwartungen an ihre Mannschaft so hoch schrauben, dass das für die Spieler sehr unangenehm wäre, vor den eigenen Fans kicken zu müssen.
FTD: Ist also die Strafe gegen den AS Rom eher eine Strafe für Leverkusen?
BS: Durchaus.

FC Barcelona-AC Mailand (2:1), NZZ

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