Champions League
Oliver Kahns Stern sinkt
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| Freitag, 5. November 2004„Oliver Kahns Stern sinkt“ (SZ) / „Kahns spektakuläre Fehlgriffe erreichen allmählich die Regelmäßigkeit eines Metronoms“ (BLZ) / „aus dem Titan wird ein als Torwart kostümierter Volksschauspieler“ (BLZ) / FC Bayern München, seit Jahren im Umbau (SZ) – Rom gegen Leverkusen ohne Zuschauer, „klinisch rein, steril, langweilig, trist, nichts wert“ (FR), „eine Oper ohne Musik“ (SZ) – „vom Schwung vergangener Jahre ist in Spanien nicht mehr viel zu sehen“ (SZ)
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Bayern München-Juventus Turin 0:1
Selbstgefällige Flugeinlage
Juve siegt, weil sie den besseren Torhüter hätten; erzählen Sie uns was neues, Michael Horeni (FAZ 5.11.)! “Die größte Freude strahlte Gianluigi Buffon aus. Er eilte mit wehendem schwarzen Haar im Laufschritt aus seinem Tor heraus, hüpfte an seinen Kollegen hoch und wurde mit Gratulationen nur so überschüttet. Juventus Turin hatte nicht zuletzt dank Buffon auch das vierte Spiel mit dem immer gleichen, für einen Torwart fabelhaften Resultat und zudem italienischsten aller Ergebnisse beendet. Der vom Platz flüchtende Oliver Kahn ist von solchen Momenten der Anerkennung mittlerweile weit entfernt. Bis zur 90. Minute hatte der Nationaltorwart einen ruhigen Abend verlebt. In der ersten Halbzeit gestattete er sich nach einem abgefälschten Ball eine selbstgefällige Flugeinlage, in der 80. Minute wehrte er reaktionsschnell einen Schuß von Pavel Nedved ab, der vermutlich am Tor vorbeigegangen wäre. Mehr war bis dahin nicht zu tun für einen Schlußmann, der Zeit genug fand, auf der anderen Seite einen Kollegen bei der Arbeit zu beobachten, der an Kahn in seinen besten Zeiten erinnerte.“
Oliver Kahns Stern sinkt
Philipp Selldorf (SZ 5.11.) schreibt Oliver Kahn ab: „Wenn es wichtig wird, unterläuft ihm der Fauxpas. Gegen Real Madrid im Frühjahr, im Meisterschaftsfinale gegen Bremen, jetzt gegen Turin. Wer glaubt an so viel Zufall? Kürzlich kündigte Kahn unvermittelt an, er wolle seinen 2006 auslaufenden Vertrag bis 2008 verlängern – im Klub gab es darauf ein vielsagendes Echo: Schweigen. Auf Nachfragen erklärte Karl-Heinz Rummenigge, man mache sich „grundsätzlich“ über 2006 endende Verträge noch keine Gedanken. Oliver Kahns Stern sinkt.“
Kahns spektakuläre Fehlgriffe erreichen allmählich die Regelmäßigkeit eines Metronoms
Joachim Mölter (BLZ 5.11.) ergänzt: „In den Katakomben stand Uli Hoeneß. Er hielt die Torwart-Handschuhe von Oliver Kahn in den Händen, als hätte er sie ihm abgenommen, um sich bei nächster Gelegenheit selbst ins Tor zu stellen und zu zeigen: Das kann ich auch! Mittlerweile darf ja jeder Kreisklassen-Keeper mit Bäuchlein behaupten, mehr Tore zu verhindern als der gewesene Titan Kahn. Der hat wieder einmal den Ball fallen lassen, dummerweise vor die Füße des Turiner Stürmers Alessandro Del Piero, dummerweise in der letzten Spielminute, und dummerweise verloren die Münchner dadurch. Oliver Kahns spektakuläre Fehlgriffe erreichen allmählich die Regelmäßigkeit eines Metronoms.“
Aus dem Titan wird ein als Torwart kostümierter Volksschauspieler
Markus Völker (BLZ 5.11.) fügt hinzu: „Kahn hat das Spiel immer auf sich gezogen. Er hat sich stets in den Brennpunkt des Geschehens gerückt, seine Ich-AG inmitten des Aluminiumgestänges repräsentiert. Und wenn er, was in der Natur der Sache liegt, keine spielerischen Impulse setzen konnte, dann reizte er die Mannschaft und die Öffentlichkeit mit herausfordernden Worten. Wenn seine Verbalattacken nicht ausreichten, wurde er bisweilen handgreiflich, um seiner Energieschübe Herr zu werden. Das gilt als entschuldbar, solange Selbstbild und Leistung deckungsgleich sind. Aber nun können seine bizarren Auftritte schnell zum Problem werden. Der Reiz der Reizfigur kann sich entladen wie ein Blitz am Ableiter. Kahn sollte auf der Hut sein. Schnell wird aus der Fehlerparade eine bunte Folklorenummer und aus dem Titan ein als Torwart kostümierter Volksschauspieler.“
Die Zeiten haben sich geändert
Markenprodukt deutscher Torhüter – war das einmal, Jörg Hanau (FR 5.11.)? „Von jenen ruhmreichen Tagen reden immer weniger. Eigentlich nur noch der Rudi und der Klinsi. Die halten die Mär von den starken Männern aus heimischen Landen gerne am Leben. Reden darüber, dass noch immer alle neidisch seien auf unsere tollen Torhüter. Neidisch? Alle? Was für ein Märchen. Die Zeiten haben sich geändert. Die italienischen Medien – und sie sind längst nicht die ersten und schon gar nicht die einzigen – machen sich lächerlich [of: machen sich lustig?] über die Torhüter „Made in Germany“. Objekt der öffentlichen Demütigung ist vor allem die Nummer eins: Oliver Kahn. Seine Patzer auf internationaler Fußball-Bühne haben dazu geführt, dass der Ruf des teutonischen Torhüters arg gelitten hat.“
Seit Jahren im Umbau
Andreas Burkert (SZ 5.11.) kommentiert die Baisse Bayern Münchens im Europapokal: “Ihre Leistung stagniert, und in heiklen Situationen erinnert sich das prächtig besetzte Kollektiv offenbar einer seltsamen Lethargie, die es nun schon seit dem Triumph 2001 begleitet wie ein schlechtes Parfüm. Felix Magath ist am überschaubaren Vorankommen dieser Mannschaft sicherlich nur bedingt beteiligt; er hat einen Kader übernommen, dessen Umbau bereits Jahre andauert – und ein zufriedenstellendes Ergebnis der Renovierungsarbeiten ist auch unter seiner Anleitung derzeit nicht in Sicht. Ob der Abschluss bereits in dieser Saison gelingt, ist zumindest fraglich. Magath wird weiter versuchen müssen, das Rätsel einer Mannschaft zu entschlüsseln, die trotz ihrer spielerischen Potenz allzu selten Begeisterung und Leidenschaft in Kombinationen umsetzt, wie sie etwa Werder Bremen regelmäßig produziert (…) Die beiden Duelle mit den 1:0-Künstlern aus dem Piemont haben den Eindruck hinterlassen, als stießen die Münchner bereits an ihre Grenzen, wenn sie gegen einen Favoriten das Geschehen kontrollieren und zu ein paar hübschen Gelegenheiten kommen.“
AS Rom-Bayer Leverkusen 1:1
Klinisch rein, steril, langweilig, trist, nichts wert
Erik Eggers (FR 5.11.) vermisst Zuschauer und deren Krach: „Es war über weite Strecken ein Fußballspiel wie unter einem Reagenzglas: ein klinisch reines, steriles Produkt, frei von äußeren Einflüssen, und also langweilig und trist. Das zeigte dieses Experiment auf höchstem Niveau einmal mehr: Das Gesamtkunstwerk Fußball gerät ohne die Begeisterung und Hingabe der Fans zu einem profanen Akt. Was nützt das Tor Berbatovs, diese einzige bezaubernde Miniatur, wenn es nicht von Tausenden bestaunt, beklatscht und schließlich kommentiert und nach dem Stadionbesuch in den schönsten Farben wiedererzählt wird? Wenn es der Fan nicht auflädt und schließlich in seiner Erinnerung verklärt? Es ist nichts wert.“
Oper ohne Musik
Birgit Schönau (SZ 5.11.) auch: „Dimitar Berbatov ist tatsächlich mit Marko Babic jubeln gegangen – unter die leere Nordkurve, wohl ein Reflex. Montella hat sich am Knöchel verletzt bei seinem Tor unter der leeren Südkurve. Draußen haben sich in der Zwischenzeit 500 Tifosi versammelt, der harte Kern, der es zu Hause nicht aushält, wenn die Roma spielt. Deshalb hört Montella sogar seinen Namen, aus der Ferne. Als Geisterspiel war die Partie angekündigt worden, weil man immer einen eingängigen Begriff braucht und „Geisterspiel in Rom“ sich nach was anhört. Aber es gibt gar keine Gespenster und keinen Grusel. Eher Bolzplatz-Atmosphäre mit diesen lindgrünen Eintrittskarten, die der AS Rom offenbar aus Nachkriegsbeständen gekramt hat, mit dem trockenen Geräusch des Lederballs, dem Geschrei der Spieler. Die aus Leverkusen brüllen übrigens viel mehr als die Römer, vielleicht haben sie sich mehr zu sagen. Jedenfalls werden jene Sportpsychologen ad absurdum geführt, die behauptet hatten, ohne Publikum könnten sich die Spieler viel besser konzentrieren. Eine verwegene Theorie, obwohl ja die Deutschen in der übrigen Welt dafür berüchtigt sind, dass sie am liebsten alles in Ruhe erledigen. Alles, aber doch nicht Fußball! Fußball als Privatvorstellung, das ist wie Oper ohne Musik. (…) Für ein Killerfoul braucht Totti nicht einmal mehr Publikum, fast wäre es zur Neuauflage der Tätlichkeiten von Leverkusen gekommen.“
Straßenbande
Gregor Derichs (FAZ 5.11.) schüttelt den Kopf über die Römer: „Die Kabinengänge wirkten wie ein Gefängnistrakt. Auf der Haupttribüne verloren sich etwa 200 Menschen. Jeder Verein durfte maximal 75 Personen mitbringen. Dazu kamen noch die Eltern der Balljungen, die nach dem Spiel als Fahrdienst fungierten. Die rüpelhafte Gangart des wie eine Straßenbande auftretenden Gegners, der beim Hinspiel mit zwei Roten Karten bestraft worden war, fand eine Wiederholung.“
Vom Schwung vergangener Jahre ist nicht mehr viel zu sehen
Peter Burghardt (SZ 5.11.) wundert sich über die Niederlagen der Spanier: „Das Achtelfinale wird der FC Valencia voraussichtlich ebenso verpassen wie Deportivo La Coruna. So scheint es fürs erste vorbei zu sein mit der spanischen Übermacht in der Champions League, bei der in besten Zeiten drei Vertreter der Primera Division unter den letzten vier gewesen waren. Real Madrid quält sich über die Runden, es brilliert neuerdings nur wieder der FC Barcelona. Die Dekadenz illustriert auch die heimische Liga. An der Spitze zaubert einsam Barca – Platz zwei belegen derzeit die wackeren Kämpfer vom FC Sevilla, von denen selbst Trainer Victor Munoz zugibt, man spiele „immer am Rande des Erlaubten“. Dass Real Madrid trotz erbärmlicher Leistungen Dritter ist, sagt manches über den Zustand der vermeintlich weltbesten Spielklasse. Valencia liegt hinter dem Aufsteiger und Lokalrivalen Levante mit Trainer Bernd Schuster, La Coruna hat den Anschluss bereits verloren. Vom Schwung vergangener Jahre ist nicht mehr viel zu sehen, die Helden werden alt.“