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Ball und Buchstabe

Leidet Nick Hornby unter dem Dauererfolg des FC Arsenal?

Oliver Fritsch | Freitag, 12. November 2004 Kommentare deaktiviert für Leidet Nick Hornby unter dem Dauererfolg des FC Arsenal?

Diego Maradona, „eingemauert in seinem neuen Panzer“ (Le Monde) – Walther Bensemann, Fußballpionier, „nicht eine Straße trägt seinen Namen“ (FAZ) – „Kreisklasse“, DSF-Sendung über Amateurfußball – „leidet Nick Hornby insgeheim unter dem Dauererfolg des FC Arsenal?“ (FAZ)

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Eingemauert in seinem neuen Panzer

Wo bist du, „Dieguito“?, fragt Martin Amis (Le Monde 17.10.), englischer Schriftsteller und Essayist: „Es gibt ein schreckliches Foto von Diego Armando Maradona aus dem Jahr 2000, als er seine ersten Herzprobleme hatte. Darauf trägt er eine Baseballmütze, verkehrt herum aufgesetzt, eine Sonnebrille, ein ärmelloses T-Shirt, das eine Tätowierung von Che Guevara auf seiner rechten Schulter sehen lässt; Maradona zeigt ein gequältes aufgesetztes Lächeln mit dicken Lippen. Und man sieht seinen großen Bauch. Das lateinamerikanische Diminutiv (-ito, -ita) hat seinen Ursprung in außerordentlicher Verehrung und in Nachsichtigkeit, die man jungen Menschen entgegenbringt. Wenn man aber heute Maradona „Dieguito“ nennt, klingt das seltsam. Die Silhouette, die man auf dem Bildschirm sieht, die wackelig und unsicher durch die Flughäfen geht oder gut gestützt in einem Wagen auf dem Golfplatz sitzt, hat die alten dunklen Haare, und er ist bescheidener gekleidet; dennoch bleibt seine ungeheure Beleibtheit unübersehbar. Sie quält ihn offensichtlich. Und doch kann man Diegutio erkennen, eingemauert in seinem neuen Panzer. Er sehnt sich und leidet, aber ist unfähig zu widerstehen. In jedem Mann, sagt man, gibt es einen mageren Mann, der versucht hinauszukommen. Im Fall Maradona könnte man sagen, dass ein noch dickerer Mann versucht hineinzukommen. Maradona hat sich 1997 vom Fußball zurückgezogen. 2001 spielte er noch einmal (sichtbar wohlgenährt) in einem Match, das vom Fernsehen übertragen wurde. Heute braucht er die Erlaubnis eines Mediziners, um ein Fußballspiel im Fernsehen anzuschauen – im Alter von 43 Jahren. Dieguito, wo bist du geblieben?“

Nicht eine Straße trägt seinen Namen

Bernd-M. Beyer (FAZ 12.11.) erinnert an Walther Bensemann und fordert eine Würdigung seines Verdienstes für den deutschen Fußball: „Es waren nur wenige Trauergäste, die sich am 14. November 1934 auf dem Friedhof von Montreux versammelten. Sie ehrten einen Sportpionier, der in seiner deutschen Heimat entscheidend dazu beigetragen hatte, den Fußball zu einem Massenphänomen zu machen. Doch die Öffentlichkeit in Deutschland nahm kaum Notiz von seinem Tod. Walther Bensemann, der heute vor 70 Jahren starb, war nicht nur ein legendärer Sportsmann; er war zugleich ein eigensinniger Querdenker, ein liberaler Kosmopolit, ein scharfzüngiger Publizist. Und er war Jude. Auf so jemanden wurden im Jahre eins nach Hitlers Machtübernahme keine anerkennenden Nachrufe verfaßt. (…) Als Student der Philologie sah man Bensemann seltener in den Hörsälen als auf den Sportplätzen. Jahrelang zog er durch Süddeutschland, um für den neuen Sport zu werben, wurde zum Spiritus rector der jungen Fußballgemeinde und initiierte zahlreiche Vereinsgründungen – so in Karlsruhe den „Fußball-Verein“, der 1910 deutscher Meister werden sollte, in Frankfurt mit den „Kickers“ eine Keimzelle der jetzigen Eintracht oder in München den Vorläufer des heutigen Rekordmeisters FC Bayern. Auch beim Gründungskongreß des DFB 1900 in Leipzig zählte Bensemann zu den auffälligsten Debattenrednern. (…) Bis zu seinem Tod blieb er mittellos und auf die Hilfe von Freunden angewiesen, in erster Linie die des (deutschen) Generalsekretärs des Internationalen Fußball-Verbandes Ivo Schricker. Bis heute ist eine offizielle Würdigung seiner Verdienste ausgeblieben; nicht ein Sportplatz, nicht eine Straße trägt seinen Namen.“

Da gibt es die tollsten Geschichten

Ulli Potofski, Moderator von „Kreisklasse“ (Sendung über Amateurfußball im DSF), im Interview mit Sven Meyer (SpOn)
SpOn: Geht es bei den Amateuren ehrlicher zu als im Profifußball?
UP: Das ist eine der Fragen, der ich in dieser Sendung nachgehen werde. Die Jungs, die Sonntagmorgen um neun Uhr aufstehen und dann auf den Platz krauchen, kein Geld dafür bekommen und im Schlamm wühlen, das hat für mich zumindest von der Vorstellung her etwas sehr ehrliches.
SpOn: Fragt sich nur, ob diese Bolzplatz-Romantik auf Dauer auch die notwendigen Zuschauermassen mobilisiert, die über Wohl und Wehe einer Show entscheiden.
UP: Natürlich brauchen wir erstmal eine Anlaufphase. Ich hoffe aber, dass das Ganze im Verlauf der ersten 20 Sendungen, die vorerst geplant sind, dahin führt, wo ich hin will. Das schöne ist, dass es keine Sendung ist, die vorher pilotiert wurde, so wie das sonst üblich ist, wenn man irgendwelche Marktforscher beauftragt. Ich denke, das ist alles ziemlicher Unsinn, der da zum Teil im Fernsehen gemacht wird. Man muss einem Format oder einer Idee mal ein bisschen Zeit geben, so wie früher. Ich hoffe, dass wir die haben. Deswegen freue ich mich sehr drauf.
SpOn: Braucht der Zuschauer eine „Kreisklasse“-Show?
UP: Was heißt hier braucht! Wir brauchen überhaupt kein Fernsehen. Aber das ist ein anderes Thema. Worauf es mir ankommt: Ich will etwas Normales machen, auch wenn das bei den Privatsendern verpönt ist. Normalität klingt ja nach Langeweile, was sie aber nicht sein muss. Ich glaube, die Leute sehnen sich nach Normalität.
SpOn: Die „Leute“, die sie ansprechen wollen, dürften zu 99 Prozent männlichen Geschlechts sein.
UP: Gerade in den unteren Vereinen ist das oft eine sehr familiäre Geschichte bei der auch die Frauen eingebunden sind. Außerdem interessieren mich ja auch Frauenteams. Genauso wie reine Bolzmannschaften oder Jugendteams. Sieben Millionen Menschen spielen in Deutschland Fußball, da gibt es die tollsten Geschichten, die auch das weibliche Publikum begeistern werden. Fußball hat auch eine sehr soziale Komponente, die es zu würdigen gilt.

of: Warum sendet das DSF die Sendung donnerstags, wenn neun von zehn Kreisliga-Mannschaften Deutschlands trainieren? Wissen die das nicht? Oder richtet sich die Sendung an eine andere Zielgruppe?

Leidet Hornby insgeheim unter dem Dauererfolg des FC Arsenal?

Andreas Rosenfelder (FAZ 10.11.) befasst sich mit Nick Hornbys Sorge, ein „Winner-Supporter“ zu werden: „Das Bierdosenschwenken bei Auftritten von Rod Stewart und den „Faces“ war für den fünfzehnjährigen Hornby deshalb ein Ritual der Selbsterkenntnis, weil die Stücke der Gruppe nicht wie existentialistische Romane „von jungen Franzosen handelten, die einen Menschen getötet haben“, sondern weil die Musiker Fußbälle ins Publikum kickten und über englische Vorstadtmärkte sangen. (…) Was verbindet Nick Hornby mit dieser Band [Marah], die für einen Song mit Bruce Springsteen auf der Bühne stand, um kurze Zeit später in Londoner Klubs gegen freie Getränke zu spielen? Zunächst einmal seine Eigenschaft als Fan, die ihn freilich – wie er einräumte – in eine verzwickte Lage bringt: Sollten Marah tatsächlich einmal in den Fußballstadien landen, verlöre Hornby jenen Expertenstatus, der zum Wesen des Fanseins gehört. Leidet Hornby womöglich schon insgeheim unter dem Dauererfolg des FC Arsenal, dessen Anhänger zu sein während der Durststrecke des Vereins in den achtziger Jahren noch eiserne und einsame Treue voraussetzte?“

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