Bundesliga
Zwischen den Polen Organisation und Individualität
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| Samstag, 13. November 2004„In Deutschland hat es immer noch ein wenig den Geruch von Schwäche, einen starken Akzent auf Taktik und Systematik zu legen“ (SZ) – VfL Wolfsburg, „es hat nie einen Tabellenführer gegeben, der so zerknirscht in ein Topspiel gekrochen ist“ (FAZ)
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Christoph Biermann (SZ 13.11.) fasst die Entwicklung der Taktik zusammen: „Die Organisation des Spiels auf dem Rasen hat schon immer eine wichtige Rolle gespielt. „Aber vielleicht ist ihr hierzulande nicht durchgehend die Bedeutung zugemessen worden“, sagt Ralf Rangnick. In Deutschland war die Diskussion um den einzelnen Spieler stets wichtiger als die Frage danach, mit welchen Aufgaben ein Team auf den Platz geht. Bereits vor fast zehn Jahren spottete Volker Finke, damals neu in der Bundesliga, über den „Heldenfußball“ und stellte ihm den eigenen „Konzeptfußball“ gegenüber. Wie weit man mit Konzepten und perfekt geordnetem Spiel immer noch kommen kann, bewies das Finale der Champions League mit dem FC Porto und dem AS Monaco. Ähnliches galt für das griechische Team unter Otto Rehhagel. Das genaue Gegenmodell liefert beharrlich Real Madrid, wo eine Mannschaft mit uferloser individueller Klasse, aber ohne stimmige Ordnung wahrscheinlich auch in diesem Jahr wieder scheitern wird. Die Bundesliga bewegt sich zwischen den Polen „Organisation“ und „Individualität“ im Moment auf eine stärkere taktische Ausrichtung zu – und das tut ihr gut. Mit Erstarrung hat das nichts zu tun, es gibt vielmehr eine Tendenz zu interessanterem Fußball, und die tröstet über den Mangel an Weltstars zumindest ein wenig hinweg. (…) In Deutschland hat es immer noch ein wenig den Geruch von Schwäche, einen starken Akzent auf Taktik und Systematik zu legen.“
Es hat nie einen Tabellenführer gegeben, der so zerknirscht in ein Topspiel gekrochen ist
Wolfsburg leide am Erfolg, meint Frank Heike (FAZ 13.11.) vor dem Spiel gegen Stuttgart: „Es ist ziemlich merkwürdig, was da seit einigen Wochen beim Tabellenführer geschieht. Als der VfL Wolfsburg im September nach fünf Spieltagen zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Erster war, konnte man eine interne Sprachregelung aus allen Sätzen der Profis herauslesen: „Psst, nicht weitersagen, wir sind ganz oben, aber verdient haben wir es nicht!“ Zwei Monate sind vergangen, und der VfL steht immer noch „dort oben“. Nun mag man einwenden, daß die Leistungen zuletzt vor allem auswärts eines Spitzenreiters nicht würdig waren – null Punkte, 0:9 Tore aus drei Spielen bei Hannover 96, dem FC Bayern München und dem 1. FC Nürnberg. Doch da die Verfolger auch patzten, ist der VfL Wolfsburg der schlechteste Erste nach einem zwölften Spieltag seit Einführung der Drei-Punkte-Regel. Hauptsache vorn, könnte man sagen. In Wolfsburg ist das anders. Denn der VfL kann sich über den Platz an der Sonne gar nicht mehr freuen. Aus der sympathischen Bescheidenheit vom Saisonbeginn ist die zerstörerische Kraft des Pessimismus geworden. Es hat wohl nie einen Tabellenführer gegeben, der so zerknirscht und selbstkritisch in ein Topspiel gekrochen ist.“