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Ausstrahlung eines Arbeiters

Oliver Fritsch | Samstag, 13. November 2004 Kommentare deaktiviert für Ausstrahlung eines Arbeiters

Friedhard Teuffel (Tsp 13.11.) empfiehlt Erik Gerets den Blaumann als Garderobe: „Das müsste der Hausmeister sein, der gerade über den Flur läuft. Ein etwas bulliger Mann im Trainingsanzug mit einem leicht genervt wirkenden Gesichtsausdruck, der sagen könnte: Ihr habt doch alle keine Ahnung von Technik. Seht mal, ich bin schon früh aufgestanden und habe für euch die Glühbirnen ausgewechselt, weil ihr wieder die ganze Nacht das Licht habt brennen lassen. So läuft Erik Gerets durch die Geschäftsstelle des VfL Wolfsburg. Wolfsburg ist ein Ort der Gleichsetzungen. Die Stadt ist Volkswagen, und auch der VfL Wolfsburg ist VW. Der Automobilkonzern hält 90 Prozent der Anteile an der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, der Verein 10 Prozent. Da muss jeder leitende Fußball-Angestellte auch zu VW passen. Der Klub hat sich im April dieses Jahres für den 50 Jahre alten Belgier Gerets entschieden. Gerets hat die Ausstrahlung eines Arbeiters, er war früher Verteidiger. Doch immer wieder überrascht er mit seinem offensiven Charme. Seine beiden Vorgänger Wolfgang Wolf und Jürgen Röber sind ebenfalls bodenständige Typen, aber sie wirkten nur wie Monteure, die an der Karosserie herumschraubten. Gerets dagegen könnte auch ein Vertrauensmann der Belegschaft sein. Mit seiner Art hat Gerets in Wolfsburg schon viel erreicht. Es gibt alle zwei Wochen Spitzenspiele in der VW-Arena. So nähert sich der Klub dem Ziel des VW-Konzerns. VW will den VfL Wolfsburg ins internationale Geschäft führen, damit würde das Unternehmen seinen Mitarbeitern noch mehr bieten. Vor allem aber würde die Marke bekannter. In Deutschland hat VW einen Marktanteil von 30 Prozent, auf dem europäischen Markt 18 Prozent. Im Frühjahr hatten die Wolfsburger eigentlich Christoph Daum verpflichten wollen. Doch möglicherweise war die zweite Wahl die bessere. Es ist im Moment keine Rede von einem seelenlosen Werksklub. Wie sollte es auch, wenn sich Gerets für den Verein entschieden hat, dieser kumpelhafte, mal rau und mal herzlich wirkende Trainer?“

Charakterlicher Kontrast zu Ailton

Richard Leipold (FAZ 13.11.) findet Gefallen an Lincoln: “Am leichtesten kommen manchmal diejenigen zum Erfolg, mit denen niemand (mehr) rechnet. Der brasilianische Fußballspieler Lincoln galt nach drei mageren Jahren in Kaiserslautern als Profi, der sich trotz großer Anlagen in der Bundesliga nicht durchzusetzen weiß. Die Pfälzer wollten ihn nicht mehr – nach langer Verletzungspause war die letzte Zeit am Betzenberg nicht nur sportlich ein Martyrium für den sensiblen Mittelfeldstrategen gewesen. Beste Voraussetzungen, um an einem Ort sein Glück zu versuchen, wo ohne Ansehen der Person jeder willkommen ist, der sich vorbehaltlos in den Dienst des Klubs stellt, egal, woher er kommt und wohin er vielleicht später will. Insofern ist Lincoln in Schalke gut aufgehoben. Mit ihm hat niemand gerechnet, nicht einmal die Verantwortlichen waren sicher, ob sie die richtige Wahl getroffen hatten. (…) Als charakterlicher Kontrast zu Ailton tritt Lincoln als Mannschaftsspieler ohne Allüren auf. Anders als viele „Zehner“ alter Schule ist er sich nicht zu schade, auch defensive Aufgaben zu übernehmen.“

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