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Interview

Interview mit Jürgen Klopp

Oliver Fritsch | Samstag, 13. November 2004 Kommentare deaktiviert für Interview mit Jürgen Klopp

Sehr lesenswert! Jürgen Klopp (taz): „Will Deutschland Informationen zum Spiel haben?“ – Reinhard Rauball (FAZ): „Borussia Dortmund hat in den vergangenen Monaten ein sehr diffuses Bild in der Öffentlichkeit geboten, welches auch auf Sponsoren und Banken abstrahlt“ – Stefan ten Doornkaat, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (FR): „Wir fahren mit 180 Sachen durch den Nebel“

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Will Deutschland Informationen zum Spiel haben?
Sehr lesenswert! Jürgen Klopp im Gespräch mit Jutta Heeß & Peter Unfried (taz 13.11.)
taz: Herr Klopp, bringen wirs hinter uns; ein Linker sind Sie nicht, oder?
JK: Ich halte mich nicht für sehr politisch, aber wenn Sie mir so kommen: Selbstverständlich bin ich links. Eindeutig. Linker als Mitte.
taz: Was heißt das?
JK: Ich glaube an den Sozialstaat und habe kein Problem damit, Krankenversicherung zu zahlen. Ich bin nicht privat versichert, ich würde nie eine Partei wählen, weil die verspricht, den Spitzensteuersatz zu senken. Mein politisches Verständnis ist: Wenn es mir gut geht, soll es den anderen auch gut gehen. Und wenn ich etwas in meinem Leben niemals tun werde, dann rechts wählen.
taz: Sie gaben unlängst einem Spieler frei, weil seine Mutter Geburtstag hatte. Ein Tabu in der Branche. Wollen Sie den Umsturz?
JK: Wissen Sie, warum ich das getan habe? Über allem, was wir hier bei Mainz tun, steht die Familie.
taz: Sie selbst durften einst als Profi nicht zur Einschulung Ihres Sohnes.
JK: Ja, das ärgert mich heute noch. Damals war mir klar: Das wird nie wieder passieren! Ich frage mich noch heute: Warum habe ich nicht zum Trainer gesagt: Ich muss da hin?
taz: Sie haben es gar nicht versucht?
JK: Doch. Aber der Trainer hat gesagt: Willst du ihn mit der Videokamera aufnehmen oder was? Dahinter steht der Weicheivorwurf. Es hat lange gebraucht, bis ich das verstanden habe. (…)
taz: Herr Klopp, Sie sind ein Trainer, der über Fußball redet. Das macht sonst fast kein Kollege.
JK: Ich wundere mich auch darüber. Vielleicht liegt es daran, dass selten etwas zum Spiel gefragt wird. Sondern immer nur hypothetisches. So à la „Hätte man mit Ballack nicht besser gespielt?“
taz: Ihr Kollege Ralf Rangnick wurde jahrelang gemobbt, weil er im ZDF-Sportstudio fachlich redete.
JK: Ja, der Ralf hat damals völlig unbedarft die Tafeln hin und her geschoben. Das war ein Fehler. So konnte man ihn als kleinen Besserwisser abstempeln. Aber genau deshalb frage ich mich, ob man in Deutschland tatsächlich echte Informationen zum Spiel haben will – oder nicht? Will man hören „Sie hätten nicht mehr, sie hätten richtiger laufen sollen“? Ich bezweifle das.
taz: Doch, doch, wir wollen das.
JK: Dann machen Sie es auf Arte. Als kleine Exotensendung geht es vielleicht.
taz: Was ist das Problem?
JK: Früher spielte man Manndeckung. Da war die Frage angebracht: „Hätte der nicht diesen Zweikampf verloren, wäre dieses Tor nicht gefallen?“ Heute spielt man Raumdeckung. Aber viele Fragen basieren auf dem Verständnis von damals. Man sollte nicht mehr über die Spieler reden, sondern über das Spiel. (…)
taz: Ihr Freiburger Kollege Volker Finke erzählt seit Jahren, dass die Tabelle ein fast genaues Abbild des eingesetzten Kapitals ist. Kann man mit einem Etat von 20 Millionen über längere Zeit im oberen Tabellendrittel spielen?
JK: Weiß ich nicht, aber es wäre einen Versuch wert. Man muss sich greifbare Ziele setzen. Ich habe auch bewusst nicht gesagt: Das Ziel ist der Klassenerhalt. Das ist ja sowieso logisch. Es geht darum, in jedes Spiel unsere volle Energie reinzupacken. Und so gehen wir es an.

Für die schwarz-gelbe Familie übernehme ich gern wieder Verantwortung

Reinhard Rauball, Präsident Borussia Dortmunds, im Interview mit Roland Zorn (FAZ 13.11.) über seine neue Aufgabe
FAZ: Was braucht Ihr mit Verbindlichkeiten von fast 120 Millionen Euro belasteter Verein, um neues Vertrauen gegenüber den Fans, den Sponsoren, den Medien zu wecken?
RR: In allererster Linie ist ein Schulterschluß all derjenigen gefordert, die Verantwortung tragen. Der Verein hat in den vergangenen Monaten ein sehr diffuses Bild in der Öffentlichkeit geboten, welches auch auf Sponsoren und Banken abstrahlte. Dieser Eindruck war nicht gerade vertrauensfördernd. Das Allerwichtigste für uns ist, daß die intern entstandenen Irritationen begraben werden, daß es nur noch um die Zukunft und nicht um eine Endlosaufbereitung der Vergangenheit geht. Dafür mache ich mich stark.
FAZ: Es fällt auf, daß sich die Szene rund um den BVB wieder etwas beruhigt hat, seitdem Sie zurückgekehrt sind. Auch Großaktionär Florian Homm steht nicht mehr jeden Tag mit irgendwelchen Aussagen oder Dementis in der Zeitung, auch wenn er in dieser Woche noch einmal von sich reden machte, als er die Umwandlung der Dortmunder KGaA in eine reine Aktiengesellschaft forderte. Wie haben Sie zu dieser Entwicklung beigetragen?
RR: Ich bin relativ häufig in telefonischem Kontakt mit ihm. In Gesprächen mit Homm haben wir, dazu zähle ich auch Gerd Niebaum und Michael Meier, die Möbel wieder dahingestellt, wo sie hingehören. Und dazu gehört, daß ihm als Aktionär die Einflußnahme auf den Verein und damit auch auf das Aufsichtsorgan der Geschäftsführung nicht zusteht nach der etwas komplizierten Konstruktion der Kommanditgesellschaft auf Aktien. Das war etwas, was ihm ursprünglich wohl nicht so präsent war. Er wollte ja auch Leute in die Gremien des Vereins entsenden. Das habe ich sehr hart und sehr klar abgelehnt. Die Personalhoheit liegt ausschließlich beim Verein. Da darf kein Aktionär hereinreden. Das hat er eingesehen und sogar schriftlich bestätigt.
FAZ: Wo kann denn Homm Einfluß ausüben?
RR: Umgekehrt erkennen wir gern an, daß er sich im Rahmen der Kapitalerhöhung, und nicht nur da, sehr engagiert und dem Verein damit eine Liquidität verschafft hat, die der BVB gut gebrauchen konnte. Wenn man dann die klare Trennung hat, er auf der Aktionärsseite, ich und meine Kollegen auf der Vereinsseite, dann wird das klappen. Ich sage aber auch, Herr Homm repräsentiert (mit etwa 25 Prozent) den größten Kapitalanteil an der KGaA und der Vorstand des Vereins den zweitgrößten mit knapp 20 Prozent. Da ist es sicher ein Vorteil, wenn sich zwei so große Aktionärsblöcke gedanklich abstimmen, aber intern und nicht über die Medien. (…)
FAZ: Was ist das für Sie besonders Faszinierende an dem Verein Borussia Dortmund, der bei seinen Heimspielen regelmäßig 75 000 Anhänger und mehr begrüßt?
RR: Die Leute in Schwarz-Gelb fühlen sich bei uns geborgen. Der BVB ist eine Art Familienersatz. Für diese Familie übernehme ich gern wieder Verantwortung mit allem, was ich tue.

Diese Führung liegt mit ihren Entscheidungen seit zwei Spielzeiten daneben

Stefan ten Doornkaat, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK), im Interview mit Frank Hellmann (FR 13.11.)
FR: Die SdK wird auf der Hauptversammlung sowohl der Geschäftsführung als auch dem Aufsichtsrat die Entlastung verweigern und die Geschäftsführer Gerd Niebaum und Michael Meier unmissverständlich zum Rücktritt auffordern. Warum?
StD: Weil die Geschäftsführung über einen Zeitraum von anderthalb Jahren nicht in der Lage war, einen Weg zur Entlastung der Finanzen einzuschlagen. Man kann sich gerne mal vertun: Aber diese Führung liegt mit ihren Entscheidungen seit zwei Spielzeiten daneben. Und es existiert nicht einmal ein Notfallplan.
FR: Sie stören sich auch daran, dass zwar Reinhard Rauball als neuer Frontmann installiert ist, Gerd Niebaum aber in der Geschäftsführung verblieben ist?
StD: Ich störe mich deshalb daran, weil Herr Niebaum weniger als Präsident denn als Manager versagt hat. Der Rücktritt vom Präsidialamt ist zu kurz gesprungen. Grundsätzlich werden die Vergütungen der Geschäftsführer am Erfolg des Unternehmens bemessen sind. Da würde ich sagen: Für eine miserable Leistung sollte man miserables Geld bekommen.
FR: Das heißt Rücktritt?
StD: Das heißt es.
FR: Welche Handhabe haben die Kapitalanleger, um diese Forderung durchzusetzen?
StD: Uns bleiben die Möglichkeiten des Aktienrechtes: Das ist die Nicht-Entlastung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrates, der den Schlaf der Gerechten vollzogen hat. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht. Das wäre schon mal eine Ohrfeige.
FR: Werden Sie am Dienstag ans Mikrofon treten?
StD: Na klar, das ist mein Job. Ich will nicht mehr das allgemeine Geseiere hören. Außer dem Schlagwort der Restrukturierung höre ich nichts Konkretes. Auch bei der geplanten Anleihe von Stephen Schechter weiß man überhaupt nicht, in welche Richtung der BVB gehen will. Wir fahren mit 180 Sachen durch den Nebel. Irgendwann muss mal der Öffentlichkeit reiner Wein eingeschenkt werden.
FR: Sie untersuchen auch andere Unternehmen. Was passiert mit einem Betrieb, der vergleichbare Zahlen präsentiert?
StD: Da würden die Köpfe der Vorstände rollen. Nehmen Sie Ron Sommer bei der letzten Telekom-Hauptversammlung: Auch bei ihm war der Druck der Anteilseigner über den Aufsichtsrat zu groß, obwohl das schwer vergleichbar ist.

Beruhigen Sie sich, und spielen Sie weiter!

Christian Grams, 14-jähriger Kreisliga-Schiedsrichter, im Gespräch mit Karin Bühler (SZ 13.11.)
SZ: Manche Fußballer sind 20 Jahre älter. Schauen die komisch, wenn Du aufläufst?
CG: Das tun sie fast überall. Manchmal höre ich sie tuscheln: so ein kleiner Schiri – und so jung! Aber ich habe ja schon 197 Partien geleitet, weil ich mit 12 Jahren angefangen habe.
SZ: Wie groß bist Du denn?
CG: 1,60 Meter. Wenn ich eine Karte ziehe, kommt es vor, dass die Spieler meckern. Wenn einer öfter meckert, sage ich einfach: „Seien Sie ruhig, ansonsten setzt’s was.“ Beim ersten Meckern sage ich meistens: „Beruhigen Sie sich, und spielen Sie weiter!“ Auf dem Platz müssen die Spieler aufpassen, sonst wird es für sie ein kurzer Spaß. Es gibt ja so Hitzköpfe, die sehen das richtig eng. Aber manche denken auch: Der Schiri ist auch nur ein Mensch. Mit dem kann man ganz normal babbeln.
SZ: Verteilst Du oft Rote Karten?
CG: In der Kreisliga ab und zu. Bei einem Jugendspiel daheim in der Gegend von Waldaschaff hat sich mal einer auf den Platz gestellt und gemeint, er kann mich beleidigen. Du Hurensohn hat er gesagt. Ich bin hin und habe gefragt: Warst Du das? Er war so dumm und hat ja gesagt. Da war ja klar, dass ich Rot ziehen musste.
SZ: Hast Du auch schon mal dem Falschen Gelb-Rot gezeigt wie Schiedsrichter Lutz Michael Fröhlich vorige Woche Michael Ballack?
CG: Das ist mir mal mit normalem Gelb passiert. Linienrichter haben wir in der Kreisliga ja nicht, aber dann haben mir ein paar Spieler die Situation erklärt. Mir ist aufgefallen, dass sie recht haben. Und ich dachte, es kommt nicht so gut, wenn ein junger Schiri alles besser weiß, also habe ich das wieder in Ordnung gebracht.
SZ: Übst Du Deine Gesten manchmal vor dem Spiegel?
CG: Nein. Ich versuche nicht so auf den Platz zu rennen, dass es behindert aussieht. Ich kenne andere Schiris, die laufen mit übertriebener Gestik rum. Das sieht dann lächerlich aus.

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