Internationaler Fußball
Realität hinterm Postkartenidyll
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| Mittwoch, 17. November 2004Winfried Schäfer in Kamerun vor dem „Trainerschicksal“ – Brasiliens schlimme „Realität hinterm Postkartenidyll“ (SZ) – in Asien, besonders in China, fürchtet man Betrug und Bestechung (NZZ) – Dietrich Weise, „Großvater der Liechtensteiner Erfolge“ (FAZ)
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Beschädigtes Ansehen
„Trainerschicksal“ des Winfried Schäfer – Philipp Selldorf (SZ 17.11.): „Kenner rechnen damit, dass Schäfer seines Postens enthoben wird, falls seiner Mannschaft kein zündendes oder zumindest respektables Ergebnis gelingen sollte. Der mehrmalige erfolgreiche WM-Teilnehmer und Finalist des jüngsten Confederations-Cups steht zur Halbzeit der afrikanischen WM-Qualifikation in seiner Gruppe lediglich auf dem dritten Platz. (…) Sein Ansehen ist in der von den Erfolgen verwöhnten Öffentlichkeit, ziemlich beschädigt. Außer dem Üblichen – schwache Resultate, falsche Personalwahl – wirft man ihm vor, dass er sich zu selten in Kamerun aufhält und zu wenig Gebrauch vom Nachwuchs des Landes macht. Dieser Kritik ließen sich allerdings auch Argumente entgegensetzen: Erstens muss Schäfer, dem seit einigen Monaten kein Gehalt mehr bezahlt worden ist, die Flugreisen selbst finanzieren. Zweitens ist der Fußball in Kamerun nicht unbedingt optimal organisiert und schon gar nicht professionell, weshalb die Talente in jungen Jahren nach Europa ziehen.“
Realität hinterm Postkartenidyll
Thomas Kistner (SZ 17.11.) klärt uns auf über die bedenkliche Entwicklung des brasilianischen Fußballs: „Als Flamengos Kicker mit einer 1:6-Pleite aus Belo Horizonte heimkehrten, wurden sie mit Schlägen und Tritten am Flughafen empfangen, einige Spieler schlugen zurück, wobei ein Schnappschuss von Zinho gelang, der zum Spannstoß gegen einen von Kollegen zu Boden gezerrten Fan ausholt. Kein schönes Bild aus dem Herzland des Fußballs, das in der Lage wäre, die zwei, drei besten Nationalteams der Welt zu stellen. Aber die Realität hinterm Postkartenidyll. Es ist nur ein Mosaik der neuen Krise, die mit dem Herztod des Profis Serginho begann, der sein Gesundheitsproblem aus wirtschaftlichen Gründen verschweigen musste, und in der Entführung der Mutter des Nationalspielers Robinho gipfelte – das ganze Land bangt um Marina. Aber die Fußballbranche ignoriert dieses Milieu konsequent, sie hält Brasiliens korrupte Funktionäre im Amt und ergötzt sich an einer Parallelwelt, deren Helden Ronaldo, Kaka, Ronaldinho heißen. Einige Jahre klappt das noch, nach der WM 2010 in Südafrika aber findet das Spektakel in Brasilien statt. Dann wird die Fußballwelt um einen Mythos ärmer werden.“
Markt der Zukunft
WM-Qualifikation – vor den entscheidenden Spielen China gegen Hongkong und Kuwait, Chinas Konkurrent, gegen Malaysia spekulieren Journalisten, Funktionäre und Fans über Manipulation und Betrug. Martin Hägele (SZ 17.11.) erinnert an die Vergangenheit: „Unsittliche Angebote gibt es. Dafür garantieren schon die Lotterie-Syndikate, vor allem die inoffizielle Wett-Mafia, die in diesem Teil der Welt schon die tollsten Fussball-Geschichten geschrieben hat. Klaus Schlappner schimpft noch immer über die bis heute ungeklärten Umstände, unter denen sein chinesisches Nationalteam die Qualifikation für die WM 1994 verpatzt hat. Das Geld der Ölmilliardäre habe dabei aus dem Rasen gestunken. Schlappner sagt: „Die Araber haben gegen uns zusammengehalten. Der Irak, Jemen, Jordanien und ein syrischer Schiedsrichter.“ Mittlerweile ist China Weltmacht, für viele Industrieländer der wichtigste Absatzpartner und im Fussball der Markt der Zukunft – weshalb sich hinter diesen zwei Fussballpartien in Fernost und Orient indirekt auch zwei diskrete Mächte gegenüberstehen. Das Sportbusiness und die Unterwelt der Zocker. In beiden Lagern geht es um sehr viel Geld. Vor allem aber steht der neu geschaffene gute Ruf eines Kontinents auf dem Spiel, den sich der professionalisierte Fussball in Asien im vergangenen Jahrzehnt erworben hat. Asien kann sich keinen Fussball-Skandal mehr leisten.“
Großvater der jüngsten Erfolge
Hartmut Scherzer (FAZ 17.11.) wiegt Dietrich Weises Anteil am Sichtbarwerden Liechtensteins „Weise ist so etwas wie der Sepp Herberger von Liechtenstein. Der Aufschwung des kleinen Fürstentums auf dem großen Fußballplatz ist auch sein Verdienst. Wenn Martin Andermatt, 42 Jahre alt, als der Vater des sensationellen 2:2 gegen Portugal und des ersten Auswärtssieges, des 4:0 in Luxemburg, gilt, dann ist Dietrich Weise der Großvater der jüngsten Erfolge. Überrascht hätten ihn die guten Ergebnisse nicht, sagt der ehemalige DFB-Trainer. Im März 1993 hatte der Fußball-Weise in Vaduz die Aufgabe übernommen, als erster Nationaltrainer im Zwergstaat eine Nationalmannschaft für die erste Teilnahme an einer EM-Qualifikation (1996) zu formen. Bis dahin hatte der 30 000-Seelen-Flecken gerade mal vier Länderspiele in seiner siebzigjährigen Verbandsgeschichte bestritten. (…) Nun kommt Lettland. Trotz der jüngsten Erfolge wird das 3500 Zuschauer fassende Rheinpark-Stadion nicht ausverkauft sein. „Rund 2000 Besucher wären angemessen“, schätzt der Sportredaktor Piero Sprenger von der Landeszeitung Liechtensteiner Vaterland. Denn der Liechtensteiner an sich sei nicht so leicht zu entflammen. Die Zeitung gibt sich weniger zurückhaltend. Das Vaterland sieht sich in der Welt des Fußballs angekommen: „Reaktionen aus aller Welt zeugen davon, daß sich Liechtenstein Respekt verschafft hat.“ Auch dank der Pionierarbeit Dietrich Weises.“