Interview
Man muss Iran einfach ein wenig Zeit lassen
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| Donnerstag, 18. November 2004Vahid Hashemian mit Matthias Stolz (Zeit 18.11.)
Zeit: Sie sind gläubiger Muslim. Nehmen Ihre Mitspieler Rücksicht darauf?
VH: Absolut. Ich hatte noch in keinem Verein Probleme wegen meines Glaubens. Ich bete ja nicht in der Kabine, halte also niemanden damit auf. Um aber beten zu können, habe ich auf Reisen ein Einzelzimmer, die anderen respektieren das. Sie interessieren sich auch dafür, warum ich etwas nicht esse oder nicht trinke.
Zeit: Gibt es so etwas wie eine Solidargemeinschaft der muslimischen Spieler in der Bundesliga?
VH: Ich weiß schon, wer Muslim ist. Aber Sie dürfen sich das nicht so vorstellen, dass wir uns über unseren Glauben unterhalten würden, der ist meine Privatsache. Geschweige denn, dass wir uns regelmäßig zum Beten träfen.
Zeit: Ali Daei, ein ehemaliger iranischer Nationalspieler, der auch mal bei den Bayern gespielt hat, weigerte sich damals, für Weißbierwerbung zu posieren. Hätten Sie damit ein Problem?
VH: Für Bier mache ich keine Werbung, schließlich trinke ich ja auch keines.
Zeit: Es heißt, dass Sie viel Zeit im Internet verbringen.
VH: Ja, seit neuestem gibt es alle persischen Zeitungen im Internet. Ich lese die Sportseiten, die auch ausführlich von der Bundesliga berichten, und ich lade mir Musik runter, persische vor allem. Ich bin so oft im Internet, dass ich kaum fernsehe, eine Viertelstunde pro Tag, mehr nicht.
Zeit: Die Tagesschau?
VH: Nein, nein. Eher Doppelpass. Und ich empfange iranisches Fernsehen, per Satellit. Da schaue ich schon mal Nachrichten.
Zeit: Was denken Sie, wenn Sie dann sehen, dass der Regisseur Theo van Gogh in Holland ermordet wurde und danach Moscheen brannten?
VH: Ich bin Fußballer, ich bin nicht gemacht für die Politik. Ein Mord ist ein Anschlag gegen die Menschlichkeit. Ich verstehe auch nicht, warum Menschen Moscheen zerstören. Aber es ist schrecklich und macht mir Angst.
Zeit: Und in der iranischen Nationalmannschaft, worüber reden Sie da zurzeit?
VH: Wir treffen uns zum Trainingslager, dann spielen wir – und reden über Fußball.
Zeit: Bei Spielen in Iran dürfen nur Männer zusehen. Haben Sie eine Ahnung, warum das so ist?
VH: Ich glaube, es ist dort so, weil die Frauen nicht sehen sollen, wie die Spieler wütend werden, wenn sie aggressiv sind und schimpfen.
Zeit: Und was ist Ihre Meinung dazu?
VH: Natürlich sollen Frauen Fußball gucken. Da finde ich es schon besser, wie es hier ist. Man muss Iran einfach ein wenig Zeit lassen.