indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Berührungsangst vor der Psychologie

Oliver Fritsch | Samstag, 20. November 2004 Kommentare deaktiviert für Berührungsangst vor der Psychologie

Die Berührungsangst des deutschen Profifußballs vor der Psychologie (FAZ) – die Sorge, die Fans könnten die Bindung ans Spiel verlieren (FAZ) – Rassismus in Spaniens Fußball? (Tsp) – Dietrich Weise (ein Ossi?) wird 70 (FR)

………….

Leichtigkeit und Spaß an der freien Bewegung

Höchst lesenswert! Nicole Geffert & Karsten Mentasti (FAZ 20.11.) empfehlen den Fußballvereinen, sich durch Psychologen unterstützen zu lassen: „Für die hochbezahlten Kicker ist noch nicht opportun, was Leistungsträger in großen Unternehmen als begleitende Maßnahme auf ihrem Karriereweg in Anspruch nehmen. Coaching – dazu zählt mentales Training ebenso wie Verhaltensreflexion – wird dort als effektive Form der persönlichen Weiterentwicklung gefordert und gefördert. In den Bundesligaklubs dagegen ist kaum Bereitschaft vorhanden, sich psychologische Unterstützung von außen zu holen; auch dann nicht, wenn Leistung und Einstellung nicht mehr stimmen oder es im Team zu anhaltenden Spannungen kommt. (…) Jürgen Klopp überraschte seine Fußballer mit einer viertägigen Teambildungsmaßnahme in der schwedischen Wildnis. Die Erfahrung, gemeinsam eine Herausforderung gemeistert zu haben, wirkte begeisternd. Um diese Stimmung zu konservieren, bat Klopp am Lagerfeuer jeden Spieler, einen Brief an sich selbst zu schreiben – über die Erfahrungen und Eindrücke, die ihm dieser Schwedentrip gebracht hat. „Die Briefe wurden in beschriftete Umschläge gesteckt und eingesammelt“, erzählt der Trainer. „Sollten wir irgendwann als Mannschaft in eine Krise geraten, werden die Briefe an die jeweiligen Spieler verschickt. Jeder soll dann in Ruhe noch einmal durchlesen, was er damals am Feuer, im Kreise der Mannschaft, niedergeschrieben hat, und sich damit auch wieder in die besonderen und stärkenden Gefühle zurückversetzen.“ (…) „Fußball-Lehrer“, fordert der Hamburger Psychologe Meiss, „müßten in ihrer Ausbildung stärker für psychologische Aspekte sensibilisiert werden.“ Das fange schon mit rhetorischen Fähigkeiten an. Werden bei der Kabinenansprache Formulierungen verwendet wie „Versucht mal …“, bleibe es in der Regel auch beim Versuch. Noch schlimmer: Sätze, die mit „Ihr müßt …“ beginnen. Das führe zu Verkrampfungen, die sich sogar körperlich niederschlagen könnten, bis hin zum Muskelfaserriß. Grundsätzlich sollten Leichtigkeit und Spaß an der freien Bewegung vermittelt werden. Jürgen Klinsmann scheint in diesem Punkt alles richtig zu machen. Seit seinem Amtsantritt propagiert der Schwabe in der Nationalmannschaft gute Laune und Spielfreude.“

Die Seele des Fußballs ist in Gefahr

Richard Leipold (FAZ 20.11.) sorgt sich um die Bindung der Fans an den Profifußball: “Die Menschen in der Kurve fühlen sich mißbraucht, ja beraubt. Der Hannoveraner Professor Gunter A. Pilz sieht trotz wachsender Besucherzahlen die Seele des Fußballs in Gefahr. Daß es in den Stadien relativ ruhig zugehe, sei kein Beleg dafür, daß die Anhänger mit allem zufrieden seien. Im Spannungsfeld zwischen Seelenheil und fast bedingungslosem Kommerz gerieten die ursprünglichen Fans immer häufiger ins Abseits. Sie sehnten sich nach Gefühl, Wärme und Geborgenheit, bekämen für ihre Hingabe und ihr Geld aber hauptsächlich Kälte und Distanz. (…) Eine Gruppe, die bei den Fans Mißtrauen hervorruft, sind die Investoren und Kreditgeber, die Einfluß ausüben wollen wie etwa Florian Homm. Homm forderte in dieser Woche die Entlassung des BVB-Trainers Bert van Marwijk und schlug als dessen Nachfolger den Bielefelder Uwe Rapolder vor. Vom Vereinspräsidenten Reinhard Rauball zur Rede gestellt, entschuldigte Homm sich dafür. Solche Vorgänge ärgern den Fan. Obwohl es um ein Dortmunder Thema geht, macht Ralf Rangnick sich zum Sprecher der Fans: „Wenn ich so etwas in der Zeitung lese, dann friert’s mich. Der Fußball darf nie von Sanierern ferngesteuert werden.“ Als Gehaltsempfänger akzeptiert Rangnick aber „verschiedene Arten von Fans und Kunden“. Der Berufsfußball, Handelsware Klasse eins und zwei, braucht sie alle: Konsumenten, Investoren, Produktmanager, Fans. Sie tragen dazu bei, daß Fußball eine gesellschaftliche Größe ist.“

SOS Rassismus

Julia Macher (Tsp 20.11.) befasst sich mit Rassismus in Spaniens Fußball und dem Konflikt mit England: „Nachdem am Mittwoch beim Länderspiel Spanien-England in Madrid dunkelhäutige englische Spieler aufs Übelste beleidigt und beschimpft wurden, ist die Stimmung im spanischen Fußball äußerst angespannt. Inzwischen untersucht die Fifa den Fall, sogar eine Platzsperre gegen Spaniens Nationalteam droht. Nationaltrainer Luis Aragones hatte einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Skandalnacht von Madrid geleistet, als er Thierry Henry als „Scheißneger“ bezeichnete. Für Aragones blieb diese Beleidigung ohne Konsequenzen. Die Fußballvereinigung Spaniens habe „unsensibel und nachlässig“ reagiert, sagte ein Sprecher der spanischen Sektion von „SOS Rassismus“. „Wenn Sven-Göran Eriksson solche Bemerkungen gemacht hätte, wäre er ohne Zweifel entlassen worden“, sagte Englands Verteidiger Rio Ferdinand. Auch die spanischen Sportzeitungen verstärkten den Eindruck, der Rassismus habe längst die Mitte der Gesellschaft erreicht. Sie hatten die Vorgänge während des Spiels weitgehend ignoriert und erst am Freitag nach Protesten aus England verurteilt. Die Stadt Madrid befürchtet nun sogar Auswirkungen auf ihre Bewerbung um die Olympischen Spiele 2012. Mit einer förmlichen Entschuldigung bemühte sich die spanische Regierung immerhin um Schadensbegrenzung.“

In der DDR geboren

_Dieter Hochgesand__ (FR 20.11.) gratuliert Dietrich Weise, „dem alten Ossi“, zum 70. Geburtstag: „In der DDR geboren, begann der ehemalige Auswahlspieler seine Trainerkarriere 1967 beim 1. FC Kaiserslautern als Assistent, ehe er 1973 als Nachfolger von Erich Ribbeck bei der Frankfurter Eintracht als Cheftrainer sein Bundesliga-Debüt gab. Und was für eins: Platz vier und der erste Gewinn des DFB-Pokals. Das Team um die Weltmeister Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein sowie Bernd Nickel, in den Jahren zuvor sehr wechselhaft, war wieder wer. Und blieb es auch: Der dritte Platz in der Bundesliga und der erneute DFB-Pokal-Sieg sicherten auch den Verbleib im europäischen Fußball. 1975 noch im Achtelfinale des Europapokals der Pokalsieger Dynamo Kiew unterlegen, erreichte Weise mit seinem Team 1976 sogar das Halbfinale. Zu dieser Zeit tat Weise, was er am liebsten tut: junge Spieler an höhere Aufgaben heranführen.“

of: Wie kann er denn in der DDR geboren sein, wenn er heute 70 wird?

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

104 queries. 0,577 seconds.